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Text File  |  1994-03-25  |  3.9 KB  |  71 lines

  1. "Das wichtigste strukturelle Merkmal des Dokumentartheaters ist
  2. die Montage, bei der Partikel der Wirklichkeit durch ihre Auswahl
  3. und ihre Zusammensetzung im Kunstwerk neue Bedeutungen und neue
  4. Funktionen erhalten. Nur durch die Montagetechnik können einzelne
  5. faktische Elemente ihre Authentizität bewahren und gleichzeitig
  6. über den Stoff hinaus auf größere Themen verweisen. Durch seine
  7. Schnittechnik ist das Dokumentartheater in der Lage, Fakten von
  8. verschiedenen Quellen in einen thematischen Zusammenhang zu brin-
  9. gen, besondere Aspekte des Themas hervorzuheben, auf Widersprüche
  10. hinzuweisen und Verfälschungen der Wahrheit zu enthüllen." Der
  11. Dramatiker muß bei dieser Vorgehensweise "aus der großen Fülle
  12. von Material das wesentliche destillieren."
  13. Ein weiteres von den dokumentarischen Schriftstellern verwendetes
  14. bühnentechnisches Mittel ist die Textprojektion. "Textprojektio-
  15. nen und Lautsprechermitteilungen kündigen jeweils neue Szenen an
  16. und präsentieren vorab in Kurzform Inhalt und Kernproblem der
  17. kommenden Szene. Dabei wird ausdrücklich auf das historische Ver-
  18. hör hier: Oppenheimer Hearing Bezug genommen und somit der
  19. dokumentarische Charakter des Stücks verdeutlicht."
  20. Eine wichtige Möglichkeit des Dokumentartheaters ist der Film:
  21. durch das Vorführen kurzer Filme wird das Theaterstück glaubwür-
  22. diger. Es werden auch Zwischenszenen verwendet. Diese reflektie-
  23. ren und kommentieren die Hauptszenen des Werks.
  24. Die dokumentarischen Schriftsteller arbeiteten außerdem mit dem
  25. V-Effekt, der den Beispiel- bzw. Modellcharakter der Stücke
  26. betont. Heinrich Mauritius Kipphardt wurde am 8. März 1922 in
  27. Heidersdorf/Schlesien geboren. 1928-1940 besuchte er die Volks-
  28. schule und verschiedene Gymnasien. Sein Abitur machte er in Kre-
  29. feld. 
  30. Anschließend studierte er zwei Jahre Medizin, bis er 1942 zum
  31. Kriegsdienst an die Front eingezogen wurde. Kipphardt desertierte
  32. und machte 1947 schließlich sein Staatsexamen.
  33. Nachdem er 1949 in die damalige DDR umgesiedelt war, war er bis
  34. 1950 Assistenzarzt an der Charité in Ost-Belin. Seine Fachrich-
  35. tung war die Psychiatrie.
  36. Von 1950-1957 arbeitete Kipphardt als Dramaturg am Deutschen
  37. Theater in Ost-Berlin. In diesen Jahren entstanden seine ersten
  38. Erzählungen und Stücke.
  39. 1959 zog er in die BRD, wo er ab 1961 als Lektor für den Bertels-
  40. mannverlag arbeitete. Von 1970-1971 wirkte er als Chefdramaturg
  41. an den München Kammerspielen.
  42. Als sein Vertrag dort nicht verlängert wurde, zog er mit seiner
  43. Familie nach Angelsbruck, wo er sich hauptsächlich der Schrift-
  44. stellerei widmete, bis er am 18. November 1982 verstarb.
  45. Für sein Werk erhielt er unter anderem folgende Preise:
  46. Vor allem seine Erfahrungen mit dem Krieg beeinflußten sein spä-
  47. teres Schaffen: 1933 wurde Kipphardts Vater in ein KZ interniert
  48. und die damit verbundene "gesellschaftliche Diskriminierung
  49. schärfte Kipphardts Blick für die sozialen und politischen Ver-
  50. hältnisse im Nationalsozialismus. Er begann, sich für gesell-
  51. schaftliche und politische Zusammenhänge zu interessieren."
  52. Auch seine Erlebnisse an der Front spiegeln sich in seinem Werk
  53. (z.B. in "Der Deserteur" 1977) wider.
  54. Das Stück "In der Sache J.Robert Oppenheimer" wurde am 23. Januar
  55. 1964 als szenischer Bericht im Fernsehen des Hessischen Rundfunks
  56. gesendet. Am 11. Oktober des selben Jahres wurde es zugleich an
  57. der Freien Volksbühne Berlin (Regie: Erwin Piscator) und an den
  58. Münchner Kammerspielen (Regie: Peter Verhoeven) uraufgeführt.
  59. Kipphardts "Oppenheimer" war das in der Spielzeit 1964/65 meist-
  60. gespielte Theaterstück.
  61. In dem Theaterstück "In der Sache J.Robert Oppenheimer" behandelt
  62. Kipphardt am Beispiel des Atomphysikers Julius Robert Oppenheimer
  63. das Problem der Verantwortung des Wissenschaftlers in unserer
  64. Zeit.
  65. Oppenheimer muß sich im Zusammenhang mit der hysterischen Kommu-
  66. nistenverfolgung der McCarthy Ära vor einem Ausschuß der Atome-
  67. nergiekommission verantworten. Diese Kommission soll ermitteln,
  68. ob der Physiker sich den USA gegenüber loyal verhalten hat und ob
  69. ihm weiterhin die Sicherheitsgarantie erteilt werden kann.
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