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- Dieser politische Hintergrund veranlaßte mehrere junge Autoren,
- Rolf Hochhuth, Peter Weiss und Heinar Kipphardt sind als deren
- wichtigste Vertreter zu nennen, sich mit der deutschen Geschichte
- kritisch auseinanderzusetzen.
- Rolf Hochhuths Werk "Der Stellvertreter" (Uraufführung: Freie
- Volksbühne Berlin, Regie: Erwin Piscator, am 20. Februar 1963)
- gilt als das erste Dokumentarstück der 60er Jahre. Hochhuth
- beschäftigt sich dabei mit der Herrschaft im Dritten Reich, eines
- der Hauptthemen dokumentarischer Werke. Auch Kipphardt ("Joel
- Brand", "Bruder Eichmann") und Weiss ("Die Ermittlung") befaßten
- sich mit diesem Thema.
- Kipphardt wurde vor allem durch sein Stück "In der Sache J.
- Robert Oppenheimer" bekannt, in dem er sich mit dem Problem der
- Verantwortung des Wisssenschaftlers beschäftigte.
- Andere damals (und auch heute oft noch) aktuelle Themen waren zum
- Beispiel Krieg und Moral (Hochhuth, "Die Soldaten"), Verfassung
- und Demokratie in der Bundesrepublik (Wallraff, "Nachspiele") und
- die Möglichkeit der Revolution (Dorst, "Toller").
- Die Intention der dokumentarischen Schriftsteller war es, dem
- Publikum Vergangenes bzw. Vergessenes zu vergegenwärtigen.
- Es wird versucht, die Geschichte zu erklären: Kipphardt möchte
- "nicht nur die Wirkung, sondern auch die Ursache zeigen, das
- Wie und das Warum". Das geling ihm zum Beispiel in seinem Werk
- "Bruder Eichmann", in dem er aufzeigt, wie aus einem durch-
- schnittlichen jungen Mann der Leiter des Judenreferats im Nazi-
- deutschland werden kann. Er stellt die Frage: "Wäre ich in ähnli-
- cher Lage wie Eichmann unter ähnlichen Umständen aufgewachsen,
- wäre ich Eichmann geworden? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum
- nicht?"
- Die Schriftsteller, die sich diese Aufgabe stellten, setzten sich
- also kritisch mit den Problemen ihrer Zeit bzw. Vergangenheit
- auseinander. Durch genaue Beschäftigung mit den Fragen der deut-
- schen Nazivergangenheit zum Beispiel deckten sie Oberfächlichkei-
- ten auf, "korrigierten die Wirklichkeit". "Nicht die passive Auf
- ahme und Reproduktion vergangener Geschehnisse, sonder eine kri-
- tische Neubeurteilung aus der Gegenwartsperspektive ist beabsich-
- tigt. Dokumentarische Belege werden dazu verwendet, das uns durch
- die Massenmedien überlieferte Bild der Wirklichkeit in Frage zu
- stellen. Durch die Auswahl und Bearbeitung des Stoffes werden
- Bedeutungen und Zusammenhänge bloßgelegt, die isolierte Tatsachen
- nie zeigen könnten."
- Jedoch nicht nur Vergangenes soll behandelt werden: der dokumen-
- tarische Schriftsteller will mit seinen Stücken Konsequenzen für
- die Gegenwart ziehen, "er versucht, dem historischen Vorgang die
- Bedeutung für die eingene Zeit zu entreißen." Auch dies versucht
- Kipphardt im "Eichmann" zu verwirklichen. Er zeigt, "daß die
- Eichmann-Haltung die gewöhnliche Haltung in unserer heutigen Welt
- geworden ist."
- Da ihre Vergangenheit von den Deutschen oft verdrängt wurde,
- konfrontierten die Dramatiker dieser Zeit sie sozusagen mit den
- nackten Tatsachen. Durch den Anspruch des Dokumentarischen wurden
- "Ausflüchte vor dem Stoff und Ausreden im Keim erstickt,
- das Gezeigte sei erdichtet, unwirkliche Poesie." "Durch die
- Belegbarkeit des dokumentarischen Beweismaterials sollte der
- Zuschauer gezwungen werden, sich mit den Kernfragen seiner Zeit
- auseinanderzusetzen." Außerdem soll er sich laut Adolf Stock im
- Theater wiedererkennen. Kipphardt glaubte zwar nicht, daß litera-
- rische Kritik die Welt verändere, jedoch "daß nichts so aufbauend
- wirkt wie Kritik". Seiner Meinung nach sollte der Autor sich "ge-
- meinsam mit dem Publikum um Klarheit bemühen."
- Was das moderne Theater allgemein vom historischen Theater unter-
- scheidet, ist die Anwendung der hauptsächlich von Piscator und
- Brecht eingeführten bühnentechnischen Mittel, die "das Theater
- befähigen, die Wirklichkeit exakter, vollständiger und
- wahrhaftiger abzubilden, um dem Drama den Rang des unwiderlegli-
- chen Dokuments zu geben."
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