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Jahresbericht 1996 |
Afrika: Anhaltende Menschenrechtsverletzungen waren der
Grund dafür, daß 1995 die Zahl der Flüchtlinge
und Vertriebenen auf dem afrikanischen Kontinent 8 Millionen überstieg.
Die ungelösten Spannungen, die dem geplanten Völkermord
in Ruanda 1994 zugrundelagen, und die andauernden Massaker von
Regierungstruppen und bewaffneten Oppositionsgruppen in Burundi
und Ruanda verschärften die Situation in Zentralafrika.
Besorgnis erregte die Zwangsrepatriierung von ruandischen Flüchtlingen,
von denen weiterhin mehr als zwei Millionen in Burundi, Tansania
und Zaire lebten.
Die Militärregierung von Nigeria sah sich 1995 mit unerwarteter Kritik an ihrer Menschenrechtspolitik konfrontiert. Mindestens 95 Menschen wurden in dem westafrikanischen Staat hingerichtet. Trotz internationalen Drucks wurden Ken Saro Wiwa und acht weitere Mitglieder der Ogoni-Volksgruppe in einer Justizfarce wegen Mordes zum Tode verurteilt und gehängt. Ein positives Zeichen gegen die Straffreiheit von Menschenrechtsverletzungen setzte Südafrika, das eine Kommission zur Untersuchung schwerer Menschenrechtsverstöße in der Zeit zwischen 1960 und 1993 einrichtete. In Äthiopien wurde Mitgliedern der früheren Regierung wegen Völkermordes und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Prozeß gemacht. Nord- und Lateinamerika: Verschiedene Spielarten der Straffreiheit beherrschten das Bild in Brasilien, Guatemala, Haiti, Kolumbien, Mexiko und Peru und bergen so ein latentes Risiko für breite Teile der Bevölkerung dieser Länder. Während sich die Regierungen der Region die Sprache der Menschenrechte fast durchweg zu eigen gemacht haben, halten die Menschenrechtsverletzungen weiter an. In Kolumbien wurden mindestens 1.000 Menschen willkürlich getötet, mindestens 150 Menschen "verschwanden" nach Verhaftungen durch Armeeangehörige, Polizei und paramilitärische Gruppen. Folter und Mißhandlung sind Routine in beinahe allen Staaten der Region. In Brasilien wird Folter weiterhin eingesetzt, um Informationen und Geständnisse von Untersuchungshäftlingen zu erpressen. Extensive Anwendung von Folter und Mißhandlung ist auch den mexikanischen Behörden vorzuwerfen: Allein im Bundesstaat Chiapas wurden Dutzende von Menschen während und unmittelbar nach der Intervention der mexikanischen Armee gegen die Zapatisten gefoltert. Mit Besorgnis registrierte amnesty international die steigende Anwendung der Todesstrafe in den USA. 1995 wurden 56 Menschen hingerichtet - die höchste Jahresziffer seit der Wiederaufnahme von Exekutionen im Jahr 1977. Asien/Pazifik: Hinter dem Image der dynamischen Wirtschaftsregion verbergen sich Folter, Mißhandlungen und Hinrichtungen von seiten der Regierungen. In China waren unverändert Tausende politische Gefangene - darunter zahlreiche gewaltlose politische Gefangene - in Haft. Viele von ihnen wurden zur Erpressung von Geständnissen gefoltert. Zu den Opfern unfairer Gerichtsverfahren zählt der prominente Dissident Wei Jingsheng, der trotz internationaler Proteste zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde. Ebenfalls weit verbreitet waren Folterungen in indischen Gefängnissen. Opfer wurden vor allem Angehörige von unterprivilegierten Bevölkerungsgruppen. Auch aus Bangladesch, Kambodscha, Indonesien und den Philippinen erreichten ai Berichte über Folter in der Haft. Während in Myanmar die Vorsitzende der Nationalen Liga für Demokratie, Daw Aung San Suu Kyi, nach sechs Jahren Hausarrest entlassen wurde, sind andere Mitglieder ihrer Partei noch immer in Haft. Europa: Die bewaffneten Konflikte in Bosnien-Herzegovina, Tschetschenien und in der Türkei waren weiterhin die Hauptquelle schwerer Menschenrechtsverletzungen. In Bosnien-Herzegowina verschleppten Truppen der bosnischen Serben Tausende Menschen, von denen viele gezielt oder willkürlich getötet wurden. Zahlreiche Zivilisten wurden während ihrer Vertreibung aus Gebieten, die unter bosnisch-serbischer Kontrolle standen, bedroht, vergewaltigt oder ermordet. Alle Konfliktparteien hielten Hunderte gewaltlose politische Gefangene in Haft, von denen viele allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer anderen ethnischen Gruppe gefangengehalten wurden. Zahlreiche Häftlinge wurden gefoltert, mißhandelt oder zu gefährlichen Zwangsarbeiten herangezogen. Auf das Konto russischer Streitkräfte gehen weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen im Zuge des Konfliktes in der selbsternannten Republik Tschetschenien, darunter Tötungsaktionen, bei denen kein Versuch unternommen wurde, Zivilisten zu schonen, willkürliche Hinrichtungen, Folter und Mißhandlung sowie Haft ohne Anklage und Gerichtsverfahren. In der Türkei forderte der blutige Konflikt zwischen Regierungsarmee und bewaffneten Angehörigen der sezessionistischen Partiya Karkeren Kurdistan (PKK) 4.000 Menschenleben, darunter zahlreiche Zivilisten. Folterungen durch Polizei und Gendarmerie zählten 1995 zum Alltag in der Türkei. Die Zahl gefolterter Kinder nahm zu. Mittlerer und Naher Osten:Bürgerkriege, soziale und politsche Unruhen bestimmten das Umfeld dramatischer Menschenrechtsverletzungen in der Region: politische Haft ohne Anklage, willkürliche Hinrichtungen, "Verschwindenlassen", Folter und unfaire Gerichtsverfahren In Algerien wurden Hunderte von Menschen von Regierungstruppen und regierungsnahen Milizen willkürlich hingerichtet. Viele von ihnen wurden in ihren Wohnungen vor den Augen ihrer Familien getötet. Zivilisten wurden nach Verschleppungen ermordet oder fielen gezielten Attacken oder Bombenattentaten von bewaffneten Oppositionsgruppen, die sich selbst als "Islamische Gruppen" bezeichnen, zum Opfer. Als Reaktion auf eine breite Protestbewegung zur Wiedereinführung demokratischer Rechte in Bahrain verhafteten die dortigen Behörden Tausende von Menschen, darunter Frauen und Kinder. Viele der Häftlinge wurden wahrscheinlich gefoltert. In Syrien befanden sich trotz der Freilassung von 1.500 politischen Gefangenen noch Hunderte weiterhin in Haft, viele von ihnen auch über die gerichtlich bestimmte Dauer ihrer Haftzeit hinaus. In Israel und den besetzten Gebieten wurden palästinensische Untersuchungshäftlinge bei Verhören durch den Allgemeinen Sicherheitsdienst systematisch gefoltert und mißhandelt. Die Erlaubnis zur Anwendung von Geheimrichtlinien, die de facto den Gebrauch von Folter gestatten, wurde während des letzten Jahres immer wieder verlängert. In den palästinensischen Autonomiegebieten war vermutlich Folter der Grund für den Tod von vier Häftlingen. In Saudi-Arabien verhängten Gerichte weiterhin Amputations- und Prügelstafen für eine Reihe von Delikten. |
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Robert Danzmayr und Guido Gabriel
Letztes Update: 27. August 1997 |