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Gegen das Geschäft mit dem Terror

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Am 18. Juni wurde weltweit der Jahresbericht von amnesty international vorgestellt. Anmerkungen von Volkmar Deile.

Der Jahresbericht zeigt das umfassende Ausmaß des Leides, das Menschen anderen Menschen unter bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen zufügen. In dem Bericht fordert amnesty international die verantwortlichen Regierungen sowie bewaffnete Oppositionsgruppen auf, Menschenrechtsverletzungen und Übergriffe sofort einzustellen. ai wendet sich aber auch an diejenigen, die den Verantwortlichen die Mittel zur Durchführung an die Hand geben und dabei auch noch verdienen, denn sie tragen die Mitverantwortung für das, was geschieht. Ein amerikanischer Unternehmer, der Gaskammern und elektrische Stühle an die Philippinen lieferte, hat auf die Frage nach seinem Gewissen geantwortet: "Ob es mich beschäftigt? Nicht wirklich. Schließlich bin ich nicht derjenige, der die Exekution ausführt."

1990 hat ein britisches Unternehmen einer Sondereinheit der Sicherheitskräfte in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) eine Folterkammer geliefert, in der mit Licht- und Schallreizen "weiße Folter" praktiziert wird. Es bleiben keine sichtbaren Male zurück. Es war unmöglich, den Export dieses Folterwerkzeuges zu verhindern, weil es keine entsprechenden gesetzlichen Vorschriften gibt.

In anderen Fällen redet man sich mit dem Dual-use-Argument aus der Verantwortung heraus. Bestimmte Produkte seien nun einmal sowohl zivil als auch mißbräuchlich nutzbar. Ein gutes Beispiel ist die elektronische Überwachungsanlage auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking, die von den USA und Großbritannien mit finanzieller Unterstützung der Weltbank geliefert wurde. Natürlich wurde dies mit dem Argument gerechtfertigt, auch in der chinesischen Diktatur sei Verkehrsüberwachung nötig. Aber was machen die chinesischen Behörden damit? Sie haben mit der Anlage Demonstranten identifiziert, deren Konterfei im Fernsehen gezeigt und sie in Haft genommen.

Diese Form institutionalisierter Gewissenlosigkeit gibt es auch in Deutschland, möglicherweise bei der Lieferung von sieben Luftlandepanzern vom Typ "Wiesel" an Indonesien. "Ausschlaggebend für die Zustimmung der Bundesregierung zur Ausfuhr war die Zusicherung der indonesischen Seite, daß die Fahrzeuge ... für nationale Verteidigungszwecke, Beistandspflichten ... wie für mögliche UN-Missionen zur Verfügung stehen," schrieb das Bundesverteidigungsministerium in einem Brief an amnesty. Woher nimmt das Verteidigungsministerium das Vertrauen, die indonesische Regierung werde sich schon an das Zugesicherte halten? Das ist nichts als geschäftstüchtige oder politisch-opportune Blauäugigkeit. Indonesiens Militär ist dafür bekannt, daß es bei der Bekämpfung von Autonomiebestrebungen mit Härte und Gewalt auch gegen Zivilpersonen vorgeht.

Noch abstruser wird es im Fall von Folterwerkzeugen und Repressionsinstrumenten, die zum Quälen von Menschen eingesetzt werden. Deutsche Unternehmen bieten solche Instrumente in Katalogen an. Es ist problemlos möglich, diese Marterwerkzeuge bei uns zu kaufen, zu verkaufen und zu handeln. Ohne jede Einschränkung.

amnesty international fordert die verbindliche, gesetzliche Verankerung einer Menschenrechtsklausel in der dafür zuständigen Gesetzgebung sowie die frühzeitige Ankündigung und parlamentarische Kontrolle der Lieferabsichten. Nicht nur derjenige, der auf den Abzug drückt, ist für politischen Mord verantwortlich, sondern auch die, die dafür die Waffen zur Verfügung stellen.

Anhaltende Menschenrechtsverletzungen

Das ist jedoch nur eines von vielen Arbeitsfeldern von amnesty international gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt. Der Jahresbericht kann dabei trotz seiner 560 Seiten aufgrund begrenzter Ressourcen - ai akzeptiert keine finanzielle Unterstützung von Regierungen - nur einen Teil der Realität widerspiegeln. Er enthält Kapitel über 146 Staaten (weitere Daten siehe Kasten).

Die Menschenrechtsverletzungen geschehen auch, weil die Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen bewußt klein gehalten wird. Noch nicht einmal 1,4 Prozent des UNO-Budgets werden für Menschenrechtsarbeit ausgegeben. Das sind 43,7 Millionen Dollar. Teilweise mußte die Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen und die Arbeit der Kriegsverbrechertribunale reduziert werden, weil einige Mitgliedstaaten ihre Beiträge nicht bezahlen - und das im selben Jahr, in dem die Weltorganisation 50 Jahre alt wurde. Wer sich vor Augen hält, daß Millionen Soldaten unter Waffen stehen und Regierungen dafür mindestens 700 Milliarden Dollar ausgeben, es gleichzeitig aber nicht gelingt, fünf gut ausgebildete Menschenrechtsbeobachter schnell in ein Krisenland wie Burundi zu bringen, lernt die Prioritäten der Politik kennen.

Hier wird noch viel zu tun sein, um die Präventionsstrukturen zu schaffen, mit denen auf sich abzeichnende Krisen reagiert werden kann. Die Frühwarnsysteme gibt es - die Menschenrechtsorganisationen sind ein wichtiger Teil -, doch der politische Wille fehlt. Ein Beispiel ist die lächerlich geringe finanzielle Ausstattung des UNO-Hochkommissars für Menschenrechte, dessen Schaffung als großer Fortschritt gefeiert wurde.

Seit Ende des Kalten Krieges und als Ergebnis veränderter Repressionsmethoden ist zu beobachten, daß die Zahl der gewaltlosen politischen Gefangenen nicht mehr zunimmt. Natürlich gibt es in Staaten wie China, Myanmar, Vietnam, Kuba, Syrien, Indonesien, Sudan, Iran, Nigeria oder der Türkei nach wie vor viele politische Gefangene. Ihre Zahl ist aber konstant. Dafür mehren sich kurzzeitige Festnahmen, Inhaftierungen ohne Anklage und Verfahren sowie politische Morde und Fälle von "Verschwindenlassen".

Folter und Mißhandlungen als Mittel der Repressionstechnik "erfreuten" sich 1995 unveränderter "Beliebtheit". Bei der Todesstrafe hingegen ist eine positive Entwicklung festzustellen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit steht eine Mehrheit von Staaten, die die Todesstrafe abgeschafft oder sie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr angewandt haben, einer Minderheit von Staaten gegenüber, in denen das Gegenteil der Fall ist. Die Chance für die Ablehnung der Todesstrafe in weiteren Staaten ist größer geworden, weil die Länder Mittel- und Osteuropas Mitglied des Europarates werden wollen.

Opfer ungerechter Herrschaftsordnung und Machtausübung wird es weiterhin geben. Da besteht kein Zweifel - aber in zunehmendem Maße geschehen Menschenrechtsverletzungen bei bewaffneten Konflikten, in denen die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder Religion propagandistisch eingesetzt und instrumentalisiert wird. Die Massaker im bosnischen Srebrenica und Zepa, die anhaltend ernste und zum Teil katastrophale Situation in Burundi und Ruanda, Sri Lanka, Tschetschenien und im Südosten der Türkei belegen dies. Begleitet wird diese Entwicklung mitunter noch vom Zerfall staatlicher Strukturen wie in Liberia oder Afghanistan, wo bewaffnete Gruppen mit unglaublicher Brutalität vor allem gegen die Zivilbevölkerung vorgehen.

Hinzu kommt eine weitere Entwicklung. Durch die sich vergrößernde Kluft zwischen Reich und Arm werden immer mehr sozial Schwache oder Ausgegrenzte zu Opfern schwerer Menschenrechtsverletzungen. Die Morde an Straßenkindern in einer Reihe von Staaten, Folter gegen Kleinkriminelle oder Übergriffe gegen Angehörige indigener Bevölkerungen: Über Menschenrechtsverletzungen an diesen Gruppen erreichen amnesty fürchterliche Berichte.

Volkmar Deile ist Generalsekretär der deutschen Sektion von amnesty international.


Aus dem ai-Jahresbericht 1996:

  • In 63 Staaten sind Tausende von Menschen Opfer politischer Morde durch Militär, Polizei oder mit ihnen verbundenen Paramilitärs oder durch bewaffnete Oppositionsgruppen geworden. Allein in Kolumbien waren es mehr als 1.000.
  • In 49 Staaten ist das Schicksal von über 140.000 "Verschwundenen" der letzten 20 Jahre unaufgeklärt. 1995 sind wieder viele Menschen "verschwunden".
  • Folter und Mißhandlungen sind an über 10.000 Häftlingen in 114 Staaten dokumentiert worden. Erschreckend hoch ist die Zahl von 4.500 Menschen, die in 54 Staaten durch Folter in der Haft oder durch unmenschliche Haftbedingungen umgebracht worden sind. 1995 hatte ai "nur" 1.000 solche Fälle registriert.
  • Gewaltlose politische Gefangene, für deren sofortige und bedingungslose Freilassung ai sich eingesetzt hat, gab es in 85 Staaten.
  • Unfaire Gerichtsverfahren hat ai in 27 Staaten dokumentiert.
  • In 43 Staaten waren Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Menschen ohne Anklage und Verfahren inhaftiert.
  • 1995 wurden in 79 Staaten über 4.165 Todesurteile verhängt, in 41 Staaten wurden 2.931 Hinrichtungen registriert. Mehrere tausend Menschen befinden sich in Todeszellen.
  • In 41 Staaten haben bewaffnete Oppositionsgruppen Geiseln genommen, Gefangene und Zivilpersonen gefoltert und willkürlich hingerichtet.

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Letztes Update: 16. Juli 1996

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