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- "COMPUTERSPIELE UND PÄDAGOGIK" - EINE WOHLWOLLEND-KRITISCHE ANALYSE ZUM
- PÄDAGOGISCHEN EINSATZ UND DEN POTENTIELLEN AUSWIRKUNGEN VON COMPUTERSPIELEN
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- Wagenhäuser Rainer (Dipl. Päd.)
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- 1. Zur Entstehung des SHAREWARE-SPIELELEXIKONS und den Arten von
- Computerspielen unter spezieller Berücksichtigung des Sharewaremarktes
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- 2. Die Faszination der Video- und Computerspiele: Warum sind diese bei
- Kindern und Jugendlichen derart beliebt?
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- 3. Abwägung der Vor- und Nachteile des Computers als Medium für Lern- und
- Spielprogramme: Überwiegen die Gefahren oder die positiven Lerneffekte ?
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- 1. Zur Entstehung des SHAREWARE-SPIELELEXIKONS und den Arten von
- Computerspielen unter spezieller Berücksichtigung des Sharewaremarktes
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- In meiner Untersuchung von mehreren hundert Lern- und Spielprogrammen
- bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß der Nutzen von Computerspielen
- eindeutig den "Schaden" überwiegt. Vor allem auf dem Sharewaremarkt kommen
- permanent geeignete Lern- und Spielprogramme zu einem akzeptablen Preis
- heraus, welche sehr unterschiedliche Förderungsmöglichkeiten bieten. Vom
- "Malbuch" bis zum "Tetrisclone", vom Geschicklichkeitsspiel bis zum
- Patiencespiel: Das Angebot erweist sich als vielseitig und breitgefächert.
- Es kommt nur darauf an, die Spreu vom Weizen zu trennen und eine Übersicht
- über die besten und pädagogisch wertvollsten Programme zu haben. Da ich
- beruflich die Möglichkeit habe, zusammen mit Kindern und Jugendlichen diese
- Programme in die Arbeit einzubeziehen, und gleichzeitig von der Masse der
- Programme schier überflutet wurde, entstand dieses Vorhaben, in einem
- "Lexikon" geeignete Lern- und Spielprogramme zu charakterisieren und nach
- mehreren Kriterien auch zu bewerten. In einer ersten Etappe wurden dabei
- vor allem die "Spielprogramme" unter die Lupe genommen. Die spezifischen
- "Lernprogramme", welche natürlich nicht völlig davon zu trennen sind und
- sich zum Teil sogar überschneiden, werden im "LERNPROGRAMM-LEXIKON", welches
- im September 1992 in der Version 1.0 erschienen ist, beschrieben.
- Eventuell werden weitere "Bände" mit Spielen, welche unter der Oberfläche
- "Windows" laufen, sowie kommerzieller Spielesoftware folgen, wobei
- allerdings anzumerken ist, daß hinsichtlich des pädagogischen Wertes die
- Sharewareprogramme in den meisten Bereichen eindeutig den kommerziellen
- Programmen überlegen sind.
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- Im folgenden werde ich, analog zur Einteilung im Lexikon, die getesteten
- Sharewarespiele in übergeordnete "Spielearten" zusammenfassen und die
- pädagogische Bedeutung der einzelnen Bereiche kurz andeuten. Da manche
- Spiele mehreren Bereichen zugeordnet werden könnten, fällt diese Einteilung
- nicht leicht, beispielsweise bei den Tetrisvarianten oder den Patience-
- spielen.
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- 1.1. Denk-, Strategie- und Taktikspiele
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- Hierzu gehören neben den diversen "klassischen" Brettspielumsetzungen,
- Schachprogrammen, Memory- und Puzzlespielen z.B. auch die Tetrisvarianten,
- und vieles mehr. Alle diese Spiele sprechen natürlich sehr unterschied-
- liche Bereiche an, für die einige Beispiele im folgenden genannt werden
- sollen:
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- Die diversen Varianten des "Tetris"-Spiels bieten eine wertvolle Förderung
- des räumlichen Vorstellungsvermögens und der Formerfassung, was zum Teil
- natürlich auch für die vielen Puzzles und Schiebepuzzles am Sharewaremarkt
- gilt. Brettspielumsetzungen a la Mühle oder Schach fördern sehr intensiv
- das logische Denken, gerade durch die Notwendigkeit mehrere Züge weit
- vorausdenken zu müssen. Memoryspiele gewährleisten eine ausgezeichnete
- Förderung der Konzentrations- und der Merkfähigkeiten. Rate- und Quizspiele
- fördern eine Erweiterung des Allgemeinwissens.
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- Natürlich stellt sich hier die Frage, warum man bei den genannten Spielen
- nicht lieber das klassische "originale" Brettspiel wählt anstatt die
- Umsetzung am Computer. Auch hierfür sprechen gewichtige Gründe. Die
- Reaktionen des menschlichen Schach- oder Damepartners sind sicherlich
- interessanter als das anonyme Programm. Dennoch sollte man auch tolerant
- genug sein, den Anwender, auch wenn es sich um ein minderjähriges Kind
- handelt, weitgehend selbst wählen zu lassen, welches Medium bevorzugt
- wird, ohne, wie es leider gerade seitens der Pädagogik leider allzuoft der
- Fall ist, hier aufgrund der Antizipation bestimmter Gefahren abwertend zu
- urteilen. Optimal erscheint eine Mischung beider Bereiche, z.B. die
- Nutzung eines Schachprogramms zur Erweiterung der eigenen Fähigkeiten und
- zur Lösung spezifischer Schachprobleme (Aufstellung und Nachspielen von
- Partien) und das reale Messen am menschlichen Spielpartner.
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- 1.2. Geschicklichkeits-, Konzentrations- und Reaktionsspiele:
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- Auch hier sind zum Teil taktische und strategische Elemente enthalten, im
- Vordergrund steht jedoch die geschickte Bewegung der "Spielfigur" mittels
- der Richtungstasten, Maus oder Joystick. Am beliebtesten sind die auch oft
- als "Jump and run" bezeichneten Hüpfspiele, in denen eine Figur auf der
- Suche nach bestimmten Gegenständen durch ein labyrinthähnliches bzw. von
- links nach rechts "scrollendes" Spielfeld bewegt wird (z.B. CRYSTAL CAVES,
- COSMO). Auch bei den diversen "Pacmanvarianten" wird die Reaktions-
- schnelligkeit, ebenso wie bei manchen "Sportsimulationen" auf eine harte
- Probe gestellt.
- Blitzschnelle Richtungswechsel und Reaktion ist gerade bei den
- "Wurmspielen" von Bedeutung, da man sehr aufpassen muß, mit der immer
- länger werdenden Spielfigur (Wurm bzw. Schlange) nicht an der
- Spielfeldbegrenzung oder am eigenen "Schwanz" zu kollidieren. In diesem
- Zusamenhang sind u.a. noch die "Breakoutvarianten", bei welchen mittels
- Ball und Schläger eine "Mauer" entfernt werden muß die anscheinend
- unvermeidlichen "Ballerspiele" und die Sportsimulationen zu erwähnen.
- Bei all diesen Spielen werden im unterschiedlichen Ausmaß neben der
- Reaktionsgeschwindigkeit und der Geschicklichkeit auch die Hand-Augen
- Koordination und die motorischen Fähigkeiten eingehend gefördert.
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- 1.3. "Adventures":
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- Unter diesem Punkt sollen hier alle Spiele zusammengefaßt werden, bei
- denen der Spieler durch bestimmte (Text)Eingaben das Spielgeschehen
- beeinflußt und sich Schritt für Schritt durch eine vorgegebene, aber durch
- eigene Entscheidungen beeinflußbare "Geschichte" bewegt.
- Dabei soll zwischen den klassischen Textadventures und den moderneren
- Graphikadventures unterschieden werden. Oft handelt es sich auch um
- Mischformen, bei welchen gelegentliche graphische Elemente zur
- Illustration enthalten sind, aber keine "animierte"Handlung.
- Diese Text- und Graphikadventures erfordern und trainieren ein hohes Maß
- an Kombinationsfähigkeit und Problemlösungskonzepten. Auch kognitive
- Fähigkeiten werden dabei zum Teil angesprochen. In diesem Zusammenhang
- sind auch die sogenannten "Rollenspiele" zu nennen, in welchen meist eine
- selbstzusammengestellte "party" (Gruppe) durch eine feindliche,
- "phantastische" Landschaft gelotst wird. Zum Teil sind sicherlich auch
- diese Programme aus der pädagogischen Betrachtungsweise zu befürworten,
- aber es überwiegen hier doch eher bedenkliche, kriegerische Elemente. Auf
- dem Sharewaremarkt sind diese Spielprogramme im Gegensatz zum
- kommerziellen Markt nur von untergeordneter Bedeutung.
- Die "Jump and run"-Spiele, welche auch oft als "Actionadventures"
- bezeichnet werden, wurden dem Bereich der Geschicklichkeits- und
- Reaktionsspiele zugeordnet, da hier doch eher diese Elemente dominieren.
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- 1.4. Patiencen, Mahjongg- und Solitärspiele:
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- Im Sharewarebereich existiert eine Vielzahl von Spielen, welche als
- "Solitärspiele", also als Spiele für nur eine Person konzipiert sind. Zwar
- fehlt hier das kommunikative Element, aber zumeist handelt es sich um eine
- recht interessante und knifflige Unterhaltung.
- Auch hier werden neben den Konzentrationsfähigkeiten und der Ausdauer die
- kognitiven Fähigkeiten und das logische Denken entsprechend geschult.
- Daher wäre es auch möglich gewesen, sie unter dem Überbegriff der Denk-,
- Strategie- und Taktikspiele einzureihen.
- Es überwiegen hier die klassischen Kartenspielpatiencen, wobei eine
- ungeheure Vielfalt unterschiedlichster Regelvarianten zu beobachten ist
- (z.B. PYRAMID, KLONDIKE,..). Zumindest in den neueren Patiencen erfolgt
- die Steuerung überwiegend mit der Maus, was doch im Vergleich zur
- Tastatursteuerung wesentlich bequemer ist.
- Die diversen Varianten des Spieles "Mahjongg" sind in diesem Zusammenhang
- ebenfalls zu nennen, bei denen ein mehrschichtiger Aufbau von Karten
- paarweise entfernt werden muß.
- Diese Solitärspiele sind nahezu ausschließlich im Sharewaresektor und nur
- im minimalen Ausmaß im kommerziellen Bereich vertreten.
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- 1.5. Karten- Würfel- und Gesellschaftspiele:
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- Hier wurden all diejenigen Spielprogramme zusammengefaßt, bei denen der
- Faktor "Glück" zwar nicht ausschließlich, aber doch zum großen Teil
- spielentscheidend ist.
- Neben einigen Karten- und Würfelspielen sind dabei die Umsetzungen mehr
- oder weniger bekannter Gesellschaftsspiele (MONOPOLY etc.) zu nennen.
- Bei den Kartenspielen sind auch einige Varianten enthalten, bei denen auch
- taktische Elemente von großer Bedeutung sind (z.B. SKAT).
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- Da im Sharewarebereich wesentlich mehr Spiele als im kommerziellen Bereich
- vorhanden sind, welche als angemessene Förderungsmöglichkeiten für Kinder
- und Jugendliche zu bezeichnen sind, treten im kommerziellen Sektor nur
- gelegentlich geeignete Lern- und Spielprogramme auf. Hier möchte ich vor
- allem die "Tetrisvarianten", die "Jump and run"-Spiele und auch explizit
- diverse Simulationsspiele nennen, in welchen das Abschätzen von Ursache-
- und Wirkungszusammenhängen in ansprechender und intelligenter Form
- vermittelt wird (SIM CITY, SIM EARTH, ÖKOLOPOLY).
- Gerade das letztere Spielegenre ergibt einen interessanten Einblick
- gerade in die wichtigen ökologischen und ökonomischen Zusammenhänge.
- Es ist zu hoffen, daß auch im Sharewarebereich demnächst ähnliche Programme
- entstehen werden, welche einen Einblick in diesbezügliche Ursache-Wirkungs-
- verhältnisse geben.
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- 2. Die Faszination von Video- und Computerspielen: Warum sind diese bei
- Kindern und Jugendlichen derart beliebt ?
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- "Spiel" kann als elementares menschliches Grundbedürfnis beschrieben
- werden. Warum gerade Computerspiele bei vielen Kinder und Jugendlichen,
- aber auch einer wachsenden Zahl von Erwachsenen, einer so starken
- Faszination unterliegen, soll im folgenden geklärt werden.
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- 2.1. Spannung und Abenteuer:
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- Die meisten Spiele verlangen eine permanente Aufmerksamkeit, eine
- Kombination von Reizen und hierfür nötige Reaktionen. Oft unter Zeitdruck
- werden permanente Streßsituationen bewältigt, wobei ein ständiger Wechsel
- von Spannung und Entspannung (Absolvierung eines "Spiellevels") erfolgt.
- Man geht z.B. auf Schatzsuche oder begibt sich auf einen Flug ins Weltall,
- wobei man sodann eine Vielzahl von Abenteuern und spannungsgeladenen
- Situationen zu lösen und überstehen hat.
- Der Spieler identifiziert sich völlig mit seiner Spielfigur. Die Kinder
- und Jugendlichen, welche für mich als "Spieletester" fungierten, fühlten
- sich oft förmlich in den Bildschirm hinieinversetzt und erlebten z.B. die
- Abenteuer von "Commander Keen" auf dem Mars als ihre eigenen. Im
- "richtigen" Leben finden dagegen meist keine derartigen Abenteuer mehr
- statt. Anstatt in der Nähe von Abenteuerspielplätzen, Wäldern und
- verwilderten Gärten wächst die Mehrzahl der Kinder in anonymen Betonsilos
- und durchrationalisierten Hochhäusern u.ä. auf. Nicht mehr in der näheren
- Umgebung, der praktischen Erfahrungswelt des Kindes, sondern auf dem
- Bildschirm findet das Abenteuer statt. Dafür kann aber nicht das Medium
- "Computer" verantwortlich gemacht werden, sondern die gesellschaftliche
- Reduktion geeigneter Spiel- und Erfahrungsfelder für Kinder und
- Jugendliche.
- Computerspiele können somit das Verlangen nach Ungewißheit und Abenteuer
- z.T. kompensieren. Vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch viele
- Erwachsene, versetzen sich dabei in eine "andere Welt".
- Die These, daß ein Zusammenhang des Mangels an einem bedürfnisgerechten
- Entwicklungs- und Gestaltungspotential in den reellen Umweltstrukturen und
- der Zuwendung bzw. dem Reiz des Computerspiels besteht, wird auch von
- anderen Autoren geteilt:
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- "Daß die Droge Computer Erfolg hat, ist nur zu einem gewissen Teil ihr
- selber, vornehmlich aber Umweltstrukturen zu verdanken, die Kindern keine
- angemessene Entfaltung, keine bedürfnisgerechten Lebens- und
- Entwicklungsmöglichkeiten bieten."...."Wem die Welt nicht die Möglichkeit
- gibt, sie mitzugestalten, in ihr Spuren zu hinterlassen oder einfach nur
- zu leben, der wendet sich zwangsläufig der Kunstwelt zu. In diesem Sinn
- nimmt der Computer eine nicht zu unterschätzende sozialtherapeutische
- Funktion wahr."(Eurich 1985, S.64\65)
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- 2.2. Entspannung und Entlastung:
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- Das dargelegte "Abgleiten" in andere, künstlich strukturierte Lebenswelten
- kann zu einem "Ausklinken" aus dem Alltag führen. Der Computer hat dabei
- keine eigenen Ansprüche und Bedürfnisse, stellt somit im Gegensatz zu
- einem realen Interaktionspartner keine potentielle "Bedrohung" oder
- Infragestellung des Spielers dar.
- Dies bietet sicherlich für viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene einen
- entlastenden Effekt, da ein distanzierter und allein den eigenen
- Vorstelllungen und Bedürfnissen angepaßter Umgang möglich wird. Der
- Computer steht dabei immer zur Verfügung, auch wenn kein anderer
- Spielpartner vorhanden ist.
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- "Der Umgang mit dem Computer wird offenkundig von den Spielern als
- vergleichsweise entlastend erlebt. Das technische Instrument kann nicht
- denken und nicht fühlen, hat keine eigene Meinung. Darin braucht man sich
- nicht hineinzuversetzen. Der Computer stellt keine beunruhigenden und
- peinlichen Fragen. Der Apparat schaut dem Spieler nicht durchdringend in
- die etwas "abgedeckte" Seele, stellt keine bedrohliche personale Nähe her.
- Mit ihm kann er distanziert umgehen, durch ihn fühlt er sein Innerstes
- nicht bedroht und in Frage gestellt. Der unpersönliche Rechner erhält die
- Maern um den personalen Kern, gibt keine bedrohlichen Bewertungen und
- Kommentare ab. Er fungiert vielmehr als braver und einfühlungsunfähiger
- Arbeitssklave, der die Herrschaft des Spielers, dessen Willen
- uneingeschränkt akzeptiert."(Rosemann 1986, S.323)
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- In diesem Zusammenhang sollte allerdings nochmal erwähnt werden, daß
- dieser "Arbeitssklave" ein menschliches Produkt darstellt und auch die
- jeweiligen menschlichen Sehnsüchte und Bedürfnisse entsprechend erfüllt.
- Nicht ihm sind also soziale Kommunikations- verluste anzulasten, sondern
- seinem Erfinder. Ohne den Computer als Spiel und Arbeitsmedium würde in
- der heutigen Zeit eine Lücke klaffen, welche durch andere Medien bzw.
- Institutionen zu kompensieren wäre.
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- Der intensive "Kontakt" zum Medium Computer kann bei manchen Kindern und
- Juugendlichen auch als Reaktion auf eine elterliche "overprotection"
- aufgefaßt werden. Diesen Zusammenhang von Überbehütung, z.B. durch eine
- überfürsorgliche Mutter und dem "Abtauchen" der Kinder in die Computerwelt
- wird auch in mehreren Untersuchungen betont (vgl. z.B. Beisenherz 1988,
- S.398 nach einer Untersuchung von Günther).
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- 2.3. Leistung, Erfolg und Kompetenzerleben:
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- Die Geschicklichkeit und Reaktionsgeschwindigkeit des Spielers, seine
- Fertigkeit, Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit wird mit Punkten, dem
- "Score" belohnt. Ein Vergleich der eigenen Leistungssteigerung und auch
- das "Messen" mit anderen Spielern ermöglicht die in den meisten Spielen
- integrierte "Highscoreliste", eine Liste, in welche die besten Ergebnisse
- der Spieler eingetragen werden können und die zu den elementaren
- Bestandteilen eines Computerspiels, welches eine langanhaltende Motivation
- aufweisen soll, gehört.
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- Der Erfolg kann als direkte, ummittelbare Rückmeldung verstanden werden.
- Man wird für die eigene Leistung am Computer sofort belohnt, anders als im
- "richtigen" Leben. Die Leistung ist dabei am Punktestand nicht nur
- eindeutig ablesbar, sondern impliziert auch die Erkennnis, daß Leistung
- hier gerecht "bewertet" wird und somit auch eine erhöhte Motivation zur
- Leistungssteigerung freigelegt wird. Auch dies ist ja in der Realität
- bekanntlich nicht immer der Fall.
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- Das Bedürfnis nach einer permanenten Steigerung der eigenen Leistung führt
- in manchen Fällen zu einer suchtartigen Spielweise, in welcher der "score"
- als Belohnungsmechanismus dient. Aber auch in diesem Zusammenhang sei
- erwähnt, daß es "schlimmere" Suchtarten gibt und immerhin hier z.T. ein
- kreativer und eigenständiger Umgang mit dem Medium "Computer" betrieben
- wird, ganz im Gegensatz zur Allerweltsdroge "Fernsehen", welche dem
- Menschen häufig lediglich die Rolle des passiven Zuschauers überläßt. Beim
- Computerspiel kann die längere Beschäftigung mit bestimmten Problemen und
- die daraus resultierende Befriedigung über gefundene Lösungswege etc. sehr
- wohl auch aus einer pädagogischen Sichtweise positiv aufgefaßt werden.
- Auch die "sozialtherapeutische" Funktion des Medium sollte nicht
- unterschlagen werden. Der Computer bietet z.T. eine Entschädigung für
- sonstige Mißerfolge und Niederlagen in der Realwelt.
- Wenngleich natürlich viele kritische Einwände hierbei entgegnet werden
- können, sollte doch nicht vergessen werden, daß gerade solchen Kindern
- jegliche Art von Erfolgserlebenis doch zu gönnen ist und "Erfolge" in
- diesem Bereich nicht grundsätzlich abgewertet werden sollen.
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- 2.4. Erlebnis von Macht:
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- Mit Tastatur, Maus oder Joystick können bereits von Kindern Autos und
- Flugzeuge "gesteuert" werden. Neben der Beherrschung der Maschine wird
- innerhalb eines Computerspiels auch häufig über Leben und Tod entschieden.
- Dies alles gibt vielen Kindern und Jugendlichen das Gefühl eines Einstiegs
- in die Erwachsenenwelt und zum Teil sogar eines "Wissensvorsprunges"
- gegenüber den Erwachsenen.
- Man kann dabei auch den Zugang zu manchen Lebens- und Lernbereichen
- finden, welche ansonsten dem "Durchschnittsmenschen" verschlossen bleiben
- würden.
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- 2.5. Reduktion der Komplexität:
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- Die meisten Computerspiele bieten eine recht klare Aufgabenstelllung,
- stark vereinfachte Handlungsmuster und Schemata. Diese geringe Komplexität
- in der Aufgabenstellung steht meist im Gegensatz zur komplexen Alltagswelt
- mit der darin enthaltener Vielfalt von gegenseitigen Bedürfnissen,
- Erwartungen und Kommunikationsstrukturen. Wie schon beim Stichpunkt
- "Entspannung und Entlastung" angedeutet, kann das Medium Computer das
- Bedürfnis nach einer Reduktion dieser Komplexität, wenngleich auch nur für
- eine begrenzte Zeitdauer, stillen. Die klare Strukturiertheit und
- Kontrollierbarkeit der "Kunstwelt" wird dem Problemgehalt der realen Welt
- oft vorgezogen.
- Es sollte in diesem Zusammenhang Erwähnung finden, daß im Bereich der
- Computerspiele dennoch auch eine gegenläufige Tendenz zu verzeichnen ist.
- Sowohl graphisch als auch inhaltlich werden diese immer mehr zu einem
- Abbild der Realität. Außerdem ist zumeist erst mal das intensive Sudium
- eines Handbuchs bzw, einer "read.me"- Datei von Nöten, bevor man sich an
- das eigentliche Spiel wagen kann.
- Trotzdem kann sehr wohl der Problemgehalt im Alltag und der realen Welt
- durch die intensive Beschäftigung mit dem Computerspiel zeitweilig
- umgangen werden.
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- 2.6. Kommunikation:
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- Computerspieler sind entgegen den Vorstellungen mancher Pädagogen und
- Psychologen nicht nur einsame "Einzelgänger", welche sich in ihren Zimmern
- und vor dem Bildschirm verkriechen und alle sozialen Kontakte ruhen
- lassen. Obwohl auch dieser Typus sehr wohl zu beobachten ist, scheint
- gerade das kommunikative Spiel im Trend zu liegen. Gerade der gegenseitige
- Ansporn und Austausch, der Versuch sich zu übertreffen, seien hier
- genannt. In diesem Bereich hat vor allem der Sharewaremarkt sehr viel zu
- bieten, da hier auch viele Gemeinschaftspiele und kommunikative Spiele zu
- verzeichnen sind.
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- 3. Abwägung der Vor- und Nachteile des Computers als Medium für
- Lern- und Spielprogramme:
- Überwiegen die Gefahren oder die positiven Lerneffekte ?
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- Nachdem im letzten Kapitel der Reiz der Computerspiele für den Anwender
- angesprochen wurde, sollen in einem abschließenden Kapitel Vor- und
- Nachteile gegeneinander abgewogen werden.
- Die Diskussion um Nutzen und Schäden des Einsatzes des Computers
- hinsichtlich von Lern- und Spielprogrammen bei Kindern und Jugendlichen
- erfolgt in der Fachliteratur recht kontrovers. Manche Autoren gehen davon
- aus, daß mittels des Mediums "Computer" das logische und systematische
- Denken und die Problemlösefähigkeiten gefördert werden und somit eine
- Unterstützung der gesamten kognitiven Entwicklung erreicht werden kann
- (vgl. auch Lawler/Yazdani 1987). Diese Hypothese wird auch durch die
- eigenen Untersuchungen gestützt, zumal im SHAREWARE-SPIELELEXION viele
- Beispiele für eine geeignete kognitive Förderung enthalten sind.
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- Allerdings sollten auch gegenläufige Thesen hier erwähnt werden, z.B. von
- Turkle (1984), daß das intuitive Denken zu sehr vom rein technischen
- überschattet wird und derart die gesamte Persönlichkeitsentwicklung
- negativ beeinflußt wird.
- Mandl und Hron gehen davon aus, daß "grundsätzlich sowohl Faktenwissen,
- komplexes Wissen als auch kognitive Fertigkeiten und metakognitive
- Prozeduren mit Hilfe des Computers vermittelt werden können". Das Medium
- Computer vermittle dabei hauptsächlich "logisch-funktionales Wisssen",
- wobei "soziales Wissen" ebenso wie andere Bereiche ("musisch-
- ästhetisch","körperlich-kinästhetisch") vernachlässigt werden. Diese
- Einschränkung der "sozialen Dimension des Lernens" und die
- Vernachlässigung des lebensnahen Erfahrungsbezuges führen demnach zu einem
- unpersönlichen und rein formalen Lerneffekt. Mandl\Horn argumentieren
- weiter, daß "aus entwicklungspsychologischer und lernpsychologischer Sicht
- ...Computer eher für Erwachsene in der Fort- und Weiterbildung als für
- Kinder geeignet (sind), da sich Erwachsene in computerunterstützten
- Lernsituationen auf reichhaltigere Erfahrungen beziehen können und nicht
- im Ausmaß wie Kinder auf soziale Interaktionen im Prozeß des Wissenerwerbs
- angewiesen sind".
- Der Arbeitskreis der Gesellschaft für Informatik (1988) befürchtet nicht
- angemessene Vorstellungen von sozialer Realität und Verhalten, da der
- Computer im Gegensatz zur mitmenschlichen, kommunikativen Erfahrungswelt
- keine eigenen Bedürfnisse aufweist und somit auch keine eigenen Ansprüche
- (rücksichtsvolles verhalten etc.) stellt. Der Computer kann so zum
- beliebten Ersatz für einen menschlichen Partner werden, zumal der Computer
- nicht widerspricht und beherrscht werden kann.
- Die Befürchtung, daß gegenüber der inhaltlichen Dimension des Lernens das
- spielerische Elemente ein zu großes Übergewicht erhält, kann nach unseren
- Untersuchungen nicht geteilt werden, da gerade durch den spielerischen
- Umgang mit dem Computer nicht nur ein geeigneter Zugang zu diesem Medium
- gefunden wird, sondern infolge des spielerischen Elementes die
- Motivationsebene stärker angesprochen wird. Eine langanhaltende
- Motivation, sich mit Lern- und Spielprogrammen am Computer zu
- beschäftigen, kann wohl nur derart erreicht werden, daß geeignete
- Programme auf dem Markt kommen (bzw. die existierenden eine stärkere
- Berücksichtigung erfahren), welche pädagogisch förderliche Elemente
- enthalten und gleichzeitig auch von den Kindern und Jugendlichen gerne
- gespielt werden. Auf dem Sharewaremarkt zeichnet sich diese Tendenz
- bereits deutlich ab. Wohingegen vor wenigen Jahren noch stures "Pauken"
- (Vokabeltrainer, Mathetrainer,...) im Vordergrund stand, ist nun Lernen
- und Spielen bei vielen Programmen nicht mehr zu trennen (z.B.
- Tetrisvarianten, Schiebepuzzles,..). Die daraus resultierende Erkenntnis,
- daß Lernen auch Spaß bereiten kann, wird dabei auf eine Art und Weise
- vermittelt, welche meist das Programm nicht mehr explizit als
- "Lernprogramm" kenntlich macht.
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- Als mögliche Gefahren seien demgegenüber zunächst der potentielle
- Kontaktverlust gegenüber Freunden und Familie, der Rückzug aus sozialen
- Beziehungen erwähnt.Eurich warnt in diesem Zusammenhang sogar vor einem
- "Computer-Autismus":
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- "Videospiele, Computerspiele, Programmieren - der Umgang mit dem
- verlockenden Bildschirm geht, ungleich intensiver als beim Fernsehen, auf
- Kosten der Teilhabe an der realen Welt. Bei vielen Kindern und
- Jugendlichen entsteht "Computer-Autismus". Der Kontakt zu anderen Menschen
- reißt ab, die Freuden und Probleme des Alltags werden irrelevant gegenüber
- dem, was sich auf dem Bildschirm entwickelt." (Eurich 1985, S.58)
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- Es droht ein Realitätsverlust durch den Rückzug in eine künstliche, aber
- weniger komplexe Welt, die vom Spieler leichter kontrolliert und
- beherrscht werden kann.Die Tendenz zur unpersönlichenm Kommunikation wird
- von manchen Autoren als bedenklich dargestellt, da immer mehr
- Lebensbereiche vom Computer erobert werden (vgl. Schell\Schorb ).
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- Neben gesundheitlichen Schäden, vor welchen manche Autoren warnen, muß
- außerdem die Förderung einer gewissen Gewaltbereitschaft befürchtet
- werden. Ein nicht unerheblicher Teil der Spielesoftware erweist sich aus
- der pädagogischen Betrachtungsweise heraus als nicht unproblematisch.
- Kriegs- und Schlachtensimulationen und Ballerspiele gehören sicher nicht
- auf die Wunschliste eines Pädagogen, leider aber immer noch auf diejenige
- vieler jugendlicher Computerfreaks. Gerade die bereits erwähnte
- Beherrschbarkeit, Kontrollierbarkeit und klare Strukturiertheit der Welt
- wird als faszinierend erlebt. Man kann, auch wenn man im richtigen Leben
- oft als Kind nicht für "ernst" genommen wird, am Bildschirm "Gott"
- spielen, der über Leben und Tod entscheidet. Das kommerzielle Spiel
- "POPULOUS", welches an sich kein Kriegsspiel, sondern ein recht
- intellegentes Strategiespiel darstellt, verdeutlicht diesen Sachverhalt am
- besten. Man fungiert hier wirklich als Gott im Wettstreit mit einem
- zweiten um die Herrschaft über die Welt.
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- Noch schlimmer sind sicherlich die diversen verkappten "Flugsimlatoren",
- bei welchen der Spieler bestimmte militärische Aufträge zu absolvieren
- hat. Konflikte werden, wie man es von einem Western der "B-Kategorie"
- gewöhnt ist, mit Gewalt als einziges Mittel der Auseinandersetzung gelöst.
- Man handelt natürlich immer in Notwehr und Bedrohung und hat sich gegen
- eine Übermacht von relativ "dummen" Gegnern" zur Wehr zu setzen, wobei die
- Erkennnis vermittelt wird, daß der Stärkere überlebt. Es sollte sich
- dagegen langsam die Erkennnis durchsetzen, daß Gewalt als
- Konfliktlösungspotential nicht nur auf den realen Schlachtfeldern
- ausgedient hat, sondern auch am Computer.
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- Inwieweit ein Ausleben der eigenen Aggressionen über das Medium der Video-
- und Computerspiele eher positive oder negative Effekte hat, sei hier
- dahingestellt, da Untersuchungen zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen
- kommen. Bedenklich erscheint jedoch sicherlich die Beliebtheit so mancher
- indizierter Spiele, welche extreme Gewalt- und Kriegsverherrlichung,
- Rassismus etc. propagieren. Diese Software sollte weder im kommerziellen
- Bereich noch auf dem Sharewaremarkt angeboten werden, da sie nicht mit
- Menschenwürde zu vereinbaren sind. Ob die Indizierung ein geeignetes
- Mittel ist, die Flut dieser hetzerischen und menschenverachtenden Software
- einzudämmen, mag dennoch bezweifelt werden. Jedenfalls zusätzlich müßte
- ein erheblich größeres Ausmaß an "Aufklärung" und Auseinandersetzung
- aufgewendet werden.
- Diskussion und Gespräch ansatt Tabuisierung sind hier von Nöten. Nicht
- allein durch Pädagogen und Psychologen kann jedoch dieses Problem gelöst
- werden, sondern auch durch die Programmierer selbst, welche durch
- geeignete motivierende Software bzw. Shareware diese rassistischen und
- kriegsverherrlichenden Produkte selbst ins Abseits laufen lassen. Auf dem
- Sharewaremarkt ist diese Tendenz glücklicherweise bereits festzustellen.
- Immer mehr pädagogisch sinnvolle bzw. zumindest nicht bedenkliche
- Computerspiele, welche einen hohen Motivationsanreiz aufweisen, erscheinen
- auf dem expandierenden Sharewaremarkt, womit die wenigen Kriegsspiele etc.
- mit zumeist veralteter Graphik und stumpfsinniger "Handlung" immer weniger
- konkurrieren können. Leider läßt sich dieses Verdrängungsphänomen auf dem
- kommerziellen Sektor noch nicht beobachten. Dort wird ein Großteil des
- Umsatzes nach wie vor mit Kampf- und Kriegssimulationen, sowie mit den
- sogenannten"Rollenspielen" aus dem Bereich der Fantasy gemacht.
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- Nun nochmal eine Zusammenfassung der relevantesten positiven Lerneffekte,
- welche in der Untersuchung der getesteten, qualitativ hochwertigen
- Sharewareprodukte festgestellt wurden:
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- - Reaktionsgeschwindigkeit, Geschicklichkeit, Konzentrationsfähigkeit,
- Merkfähigkeit und Ausdauer
- - Vorstellungsvermögen und Formerfasung
- - motorische Förderung, Hand- Augen Koordination
- - Problemlösungskonzepte und Kombinationsfähigkeiten
- - Einblick in ansonsten verschlossene Bereiche; Abschätzen von
- Ursache-Wirkungsverhältnissen
- - allgemeine Förderung der kognitiven Fähigkeiten und des
- logischen Denkens
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- Nach Mandl/Hron handelt es sich beim Computer zwar keineswegs um ein
- "universelles Lernmedium". Die Grenzen und Gefahren dieses Mediums müßten
- entsprechend berücksichtigt werden. Aber auch hier wird nicht nur vor den
- Gefahren gewarnt, sondern auch an die geisteswissenschaftlichen Berufe
- (Pädagogen, Psychologen) appelliert, geeignete Konzepte und Programme zu
- entwerfen, "die einen kompetenten und distanzierten Umgang des Lernenden
- mit diesem Lernmedium fördern und sowohl dessen spezifische Möglichkeiten
- als auch Gefahren vergegenwärtigen".
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- Ich möchte mich dieser Aussage ausdrücklich anschließen. Anstatt ständig
- die Gefahren an die Wand zu malen, sollten wir lieber auf den "fahrenden
- Zug" aufspringen und die Chance nutzen, dieses Lernpotential, welches in
- vielen Spielprogrammen enthalten ist, für die pädagogische Arbeit zu
- verwenden. Eine stärkere Zusammenarbeit von Natur- und Geisteswissen-
- schaftler, von Pädagogen, Psychologen, Programmierer und auch Shareware-
- bzw. Softwarehändlern, welche z.Zt. sicherlich größtenteils noch keines-
- falls gegeben ist, wäre von großem Nutzen zur Entwicklung und zur
- Verbreitung von qualitativ hochwertiger Lern- und Spielesoftware. Auch
- Eltern und Lehrer sind in diesem Zusammenhang angesprochen, sich
- intensiver als bisher um diesen Sachverhalt zu kümmern und die Vermarktung
- hochwertiger pädagogischer Software zu unterstützen.
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- Diese sollte folgende Kriterien als Mindestvoraussetzungen
- aufweisen:
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- - konstruktive, anstatt destruktive Rahmenhandlung
- - Beteiligung mehrerer Mitspieler möglich
- - keine Elemente einer Gewalt- und Kriegsverherrlichung
- (Das Schießen auf feindliche Objekte sollte möglichst selten
- bzw. gar nicht vorkommen und nicht entscheidend für den
- Erfolg der gestellten Aufgabe sein)
- - qualitative hochwertige Ausführung (Graphik, Ton,..)
- - Das Programm fördert einen wichtigen Teil der Persönlichkeit
- bzw. der menschlichen Entwicklung (kognitiver Bereich, logisches
- Denken, Motorik, Geschicklichkeit, Konzentration etc.)
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