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- Newsgroups: de.soc.verkehr
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- From: strobl@gmd.de (Wolfgang Strobl)
- Subject: Re: Temposuender (war: Tempoverbrecher)
- Message-ID: <strobl.722107285@gmd.de>
- Sender: news@gmd.de (USENET News)
- Nntp-Posting-Host: gmdzi
- Organization: GMD, Sankt Augustin, Germany
- References: <1992Nov18.124728.249@csghsg5a.bitnet>
- Date: Wed, 18 Nov 1992 17:21:25 GMT
- Lines: 127
-
- In <1992Nov18.124728.249@csghsg5a.bitnet> 89611446s@csghsg5a.bitnet writes:
-
- >In <crauel.722028471@vieta.math.uni-sb.de>
- >schreibt crauel@briggs.math.uni-sb.de (Hans Crauel):
-
- >>Die "Ausbaustandards" der Strassen sind viel zu hoch.
-
- >Das Auto ist bekanntlich ein Verkehrsmittel.
-
- Danke fuer die Nachhilfe. Aber es ist nicht das *einzige* Verkehrs-
- mittel. Siehst Du, jetzt habe ich Dir auch etwas Neues erzaehlen
- koennen! :-}
-
- >Der Hauptzweck eines Verkehrs-
- >mittels liegt darin, Personen oder Waren moeglichst schnell und sicher von
- >A nach B zu bringen.
-
- Das habe ich hier schon ganz anders gelesen, etwa in der Form "Autofahren
- macht mir Spass, und ich lass' es mir nicht dadurch vermiesen, dass
- es fuer andere gefaehrlich oder schaedlich ist".
-
- Abgesehen davon finde ich die Definition ziemlich unbrauchbar.
- Verkehrsmittel koennen zu verschiedenen Zwecken verwendet werden,
- so auch dazu, eine Person oder eine Ware von A nach B zu bringen.
-
- Eigenschaften wie "moeglichst schnell" oder "sicher" gehoeren wohl
- eher zu den einzuhaltenden Randbedingungen bei der Verkehrsmittelwahl,
- stellen aber doch nicht den angestreben Zweck der Fortbewegung dar.
-
- Wenn ich einkaufen fahre, so ist der Zweck z.B. die Beschaffung von
- Lebensmitteln fuer meine Familie. Wie ich das Transportproblem loese,
- welches Verkehrsmittel ich waehle und welche PUnkte A, B und C ich
- dabei anfahre (wenn ich ueberhaupt fahre), ist doch zunaechst
- offen. Wenn ich mich auf's Rad schwinge und drei Haendler in
- der naeheren Umgebung abklappere, eine Sache zur Lieferung
- bestelle und zwei andere selber mitnehme, so ist das effizient,
- schnell und sicher, sowohl fuer mich als auch fuer andere.
-
- Setze ich mich stattdessen ins Auto, um ueber die gut ausge-
- baute Ausfallstrasse und die Autobahn zum Einkaufszentrum
- auf der Gruenen Wiese zu fahren, so mag das aus der beengten
- Sicht aus dem gewaehlten Verkehrsmittel auch schnell und
- sicher wirken, aber dies ist es ausschliesslich aus dieser
- Perspektive, und selbst das in vielen Faellen, wenn man mal
- wirklich auf die Uhr schaut und nachrechnet, auch nicht.
-
- >Da eine besser ausgebaute Strasse in der Regel sicherer
- >und schneller befahren werden kann
-
- Nicht so hastig. Sicher schneller, aber gerade deswegen
- ganz sicher nicht sicherer! :-}
-
- >(z.B. Autobahnen),
-
- Ah, Beweis einer generalisierenden Aussage durch Einzelbeispiel.
- Warum sind es denn dann immer die ueberdimensioniert ausgebauten
- Strassen, wo die schweren Unfaelle passieren?
-
- Ausserdem sollte doch nicht nur die Sicherheit der Autofahrer
- alleiniges Kriterium sein. Monheim&Monheim schreiben dazu
-
- "Und auch im Strassenbau hat bisher die Sicherheit von Fussgaengern
- und Radfahrern einen viel zu kleinen Stellenwert. Das zeigen zum
- Beispiel sehr deutlich Untersuchungen von Ortsdurchfahrten in den
- 60er und 70er Jahren. Zwar fuerhte dieser in den untersuchten
- Faellen tatsaechlich zu weniger Unfaellen Auto gegen Auto, aber
- gleichzeitig nahmen Zahl und Schwere der Unfaelle von Fussgaengern
- und Radfahrern mit Autos betraechtlich zu. Die typischen Aubau-
- merkmale - breite und begradigte Fahrbahnen und grosse Eck-
- ausrundungen an den Kreuzungen - verlaengerten ihre Ueber-
- schreitungswege und beguenstigsten hohe Fahrgeschwindigkeiten im
- Autoerkehr. Sie suggerierten den Autofahrern, dass sie auf
- Fussgaeneger und Radfahrer nicht mehr besonders zu achten
- brauchten."
-
-
- >ist es kaum moeglich
- >dass eine Strasse zu gut ausgebaut ist. Allenfalls kann sie fuer die zu be-
- >waeltigende Verkehrsmenge ueberdimensioniert sein.
-
- Und deswegen eben unsicher, siehe oben.
-
- >>Eine Grosszahl von
- >>Strassen suggeriert durch Markierung, Streckenfuehrung und Belagqualitaet
- >>eine Sicherheit, die faktisch nicht vorhanden ist. Die Leute fahren zu
- >>schnell, weil sie sich in Sicherheit wiegen. In vielen Faellen haben sie
- >>recht. Gefaehrlich ist die zu hohe Geschwindigkeit naemlich nicht fuer sie
- >>selbst. Gefaehrlich ist sie fuer andere, fuer die "weichen Verkehrsteil-
- >>nehmer" (Fachjargon). Der Hauptteil aller schweren Unfaelle wird durch zu
- >>hohe Geschwindigkeit verursacht oder mitverursacht.
- >>Und das liegt sicher nicht an "viel zu niedrig" festgesetzten Tempolimits.
- >>Und auch nicht am Gutduenken unfaehiger Politiker.
-
- >Habe ich auch nicht behauptet... Ich habe lediglich gesagt, dass man IMHO
- >Autofahrer die in solchen Faellen das Tempolimit ueberschreiten noch nicht
- >a priori als Temsposuender bezeichnen kann.
-
- Aber sicher doch. A priori als Temposuender und a posteriori als
- Tempoverbrecher.
-
- >>Sondern es liegt daran, dass zu schnell gefahren wird. Innerhalb wie
- >>ausserhalb der vorgeschriebenen Limits.
-
- >Genau. Dies hat aber nicht direkt mit Tempolimiten zu tun. Wenn jeder Auto-
- >fahrer willens und faehig waere seine Geschwindigkeit so den Umstaenden
- >anzupassen, dass er keine anderen Verkehrsteilnehmer gefaehrdet, waeren
- >Tempolimiten ohnehin ueberfluessig.
-
- Und wenn der Mond aus gruenem Kaese waere, ...
-
- >>Ueberwiegend bewusst, in Billi-
- >>gung der moeglichen Folgen, und mit vollem Einsatz der weit ueberlegenen
- >>eigenen passiven Sicherheit im Auto. Oder aus Dummheit, fahrerischer Selbst-
- >>ueberschaetzung, und Ignoranz. Was hier besser ist, Dummheit oder Rueck-
- >>sichtslosigkeit, sei einmal dahingestellt.
-
- >>Bernd Sluka hat recht. Das Wort "Temposuender" verharmlost den Sach-
- >>verhalt. Wir werden ihm eher gerecht, wenn wir zukuenftig von
- >>Tempoverbrechern sprechen.
-
- >Ich bleibe bei Temposuender, denn das Wort "Tempoverbrecher" fuehrt in
- >den allermeisten Faellen zu einer unnoetigen Dramatisierung des Sach-
- >verhalts.
-
- Erzaehl' das den Opfern, die noch leben.
-
- Wolfgang Strobl
-