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2023-02-26
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5KB
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125 lines
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ROCKFORD-MAG 08 V2 UNTERHALTUNG
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DIE ZEITUNG...
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Es war ein Montag, als er wie jeden
Werktag an dem kleinen Dorfbahnhof auf
die S-Bahn wartete, mit der er zu
Arbeit fahren wollte. Ausser ihm
standen noch einige Schueler schlaff
und uebermuedet auf dem Bahnsteig in
der kalten Morgenluft. Uebrigens, es
war fuer ihn ein sehr seltsamer Montag-
morgen gewesen.
Als er ins Esszimmer gekommen war,
wallte ihm weder der Duft des von sei-
ner Frau aufgebruehten Kaffees ent-
gegen, wie sonst immer, noch traf er
sie selbst an. Die Kueche war aufge-
raeumt und unbenutzt nur auf der An-
richte fand er einen Zettel auf den
seine Frau mit einem aufdringlich roten
Kugelschreiber eine Nachricht fuer ihn
hinterlassen hatte. Er hatte es nicht
fassen koennen. Auf dem Zettel stand,
dass sie das Auto genommen haette und
losgefahren sei, um sich die Zeitung
"Gutenmorgen" zu kaufen. Seine Frau
hatte nie Zeitung gelesen und ihr
ploetzliches Interesse machte ihn
stutzig, zumal er von dieser Zeitung
noch nie etwas gehoert hatte. Er wuerde
sie darauf ansprechen muessen, wenn er
abends nach Hause kam. Das Einfahren
der S-Bahn riss ihn aus seinen Ge-
danken. Er stieg ein, setzte sich und
packte seine Zeitung aus dem rotbraunen
Aktenkoffer. Erst dann fiel es ihm
auf: die Stille. Wo sonst morgens Men-
schen durcheinander riefen, redeten
oder schrien, war eine Totenstille. Er
sah auf und blickte sich um. Die Schue-
ler, die mit ihm auf dem Bahnsteig ge-
standen hatten, lehnten genauso ver-
schlafen und schlapp an den Tueren, wie
sie am Bahnsteig gestanden hatten. Die
restlichen Leute sassen, ausnahmslos,
mit Kopfhoerern in den Ohren und einer
merkwuerdigen flachen Scheibe vor sich
gehalten, da. Er las "Gutenmorgen" auf
den Scheiben und "die neue Art der
Presse im Zeitalter der Hightech". Die
Neugierde plagte ihn. Er sah zu seinem
Sitznachbarn hinueber, um hinter das
Geheimnis dieser Zeitung zu gelangen,
die offensichtlich alle in ihren Bann
zog. Die Scheibe entpuppte sich als
Monitor, ein so flacher, wie er ihn
noch nie gesehen hatte. Bunte Bilder
zuckten wild ueber den Schirm. Mal
waren es halbnackte Frauen und auch
Maenner, mal ein Flugzeugabsturz,
Sportevents oder dergleichen. Die hohe
Aufloesung des Bilschirms liess die Fi-
guren fasst greifbar erscheinen, gab
das Gefuehl hautnah dabei zu sein. Er-
schrocken war er nur, als er fest-
stellte, dass er seinen Blick nicht von
der Scheibe loesen konnte, bis am Ende
in leuchtenden Grossbuchstaben "GUTEN-
MORGEN" BIETET IHNEN DIE NEUE ART VON
INFORMATION" stand und darunter "Kaufen
sie GUTENMORGEN". Dann konnte er seinen
Blick loesen. Er verstand nun, warum
gerade diese Zeitung seine Frau, die ja
den ganzen Tag vor dem Fernseher sass,
interessieren konnte. Er freute sich
fast, dass sie sich wenigstens auf
diesem Wege informierte und ihre
Weisheiten nicht nur aus Serien zog.
Jedoch, welche Art von Information
hatte er eigentlich erhalten ? Und war
die Werbung nicht zu gut zwischen die
aufregenden Bilder geschoben, drang
ihre Botschaft nicht eher unbewusst
ein ? Diese Zeitung gefiel ihm nicht,
er misstraute ihr. Er wuerde mit seiner
Frau sprechen, er wuerde ihr sagen,
dass sie diese Zeitung nicht lesen
sollte. Die S-Bahn erreichte seine
Haltestelle. Er stieg aus und begab
sich zu seiner Arbeit. Als er nach Hau-
se kam, sah er den Esstisch ueber und
ueber mit Waren beladen. Kleider, Ho-
sen, Dosen, Kuechengeraete, diverses
Werkzeug etc tuermten sich erschreckend
hoch. Er ahnte bereits, wie dieser Berg
auf seinen Esstisch gekommen war... Auf
dem Sofa im Wohnzimmer sass seine Frau.
Kopfhoerer im Ohr und den Blick starr
auf die Gutenmorgenscheibe gerichtet.
Er ging langsam auf sie zu, packte das
Kopfhoererkabel und zog mit aller Wucht
daran. Sammt Scheibe flogen die
Kopfhoerer an die Wand, wo die Scheibe
unter lautem Krachen zerbarst. Seine
Frau blickte zu ihm auf. In ihren Augen
lag wahnsinnige Wut, ein unbaendiger
Zorn, als sie auf ihn lossprang und ihn
um die Gurgel fasste. Sie drueckte mit
erstaunlicher Kraft zu und er war so
erschrocken, dass es zu spaet war ihr
auszuweichen. Verzweifelt versuchte er
sich aus ihrem Griff zu befreien, was
ihm jedoch nicht gelang. Er bekam Pa-
nik, simple Angst um sein Leben. Doch
auch die Kraft, die ihm das gab, reich-
te nicht aus. Er sank nieder, tot.
Niemand bemerkte sein fehlen in dieser
Welt, denn alle waren zu sehr mit
"Gutenmorgen" lesen beschaeftigt und
die Zeitung berichtete nichts ueber den
kleinen Mann. FIN. AMIcon
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