![]() |
![]() |
"Gott im Internet - Religion in der modernen Welt" | |
Vortrag von Jörg Herrmann |
(7) |
Verbunden werden die verschiedenen Dateien durch Schlüsselwörter, durch die sogenannten Links. Die Links sind Verkehrsknotenpunkte, von denen aus man in unterschiedlichste Richtungen weiterfahren kann. Diese Knotenpunkte bilden keine lineare Reihe mehr. Sie liegen hinter- und übereinander - wie die Texte, die sie verbinden, übereinander liegen, ein Text über dem andern: darum Hypertext und Hypertextualität als Struktur.
Dieses plurale Textgeflecht ist im Prinzip unendlich. Es ist dezentral strukturiert. Es gibt in ihm nicht nur keine zwingende Linearität, es gibt auch keine Bedeutungshierarchien, sondern nur einen Kosmos nahezu unbegrenzter Verweisungen. In diesem chaotisch-dezentralen Sinnkosmos wirkt das für die Theologie immer noch bestimmende Ursprungs- und Einheitsdenken der klassischen Metaphysik überholt. Es operiert schließlich noch mit Bedeutungshierarchien. Aller Sinn wurzelt danach in einer sinngebenden Ursprungsmacht.
Fragt man vor diesem Hintergrund, welche impliziten Antworten man aus der Struktur des Internet im Blick auf die Sinnproblematik ableiten könnte, so müßt man sagen: Im Internet konstituiert sich Sinn in der beständigen Bewegung der Verweisung. Es gibt Sinn nur in der Kontextualität und der Differenz der Zeichen. Ein letzter Sinn existiert nicht. Sinn muß von Autorinnen und Autoren kreiert werden. Für die Frage nach einem vorgegebenen Sinn gilt hingegen, was der französische Philosoph Michel Serres so formulierte: "Das Geheimnis der Dinge besteht gerade darin, ohne Geheimnis zu sein. Die grundlegende Botschaft ist nur ein Geräusch, und es gibt keine Zeichen. Wer aber kann ertragen, daß es auf dem Grund jeder Lektüre nichts zu lesen gibt."
Tagung "Gott im Internet", 7.-9. November 1997, Evangelische Akademie Nordelbien/Bad Segeberg, unterstⁿtzt durch die Technologiestiftung Schleswig-Holstein. Dokumentation. Copyright beim Autor! Mailto:Jörg Herrmann |