"Gott im Internet - Religion in der modernen Welt" |
Vortrag von Jörg Herrmann |
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3. Identität
Im Cyberspace kann man sich eine neue Identität zulegen. Eine Art Ursprungsgeschichte dieser Option ist die Geschichte von Julie, die Mitte der 80er Jahre als körperbehinderte, ältere Frau in einem New Yorker Netz auftauchte. Erst nach Jahren stellte sich heraus, daß sich hinter Julie ein Psychiater mittleren Alters verbarg. Die Netzgemeinde war schockiert.
Die Entkopplung von Sender und Botschaft ermöglicht solche Rollenspiele. Aus Männern können Frauen werden und umgekehrt. Die User können ihren virtuellen Körper ganz nach ihrem Gusto beschreiben und auch graphisch entwerfen. Sie können sich auf diese Weise ganz neu inszenieren und die Grenzen ihres Körpers und ihrer Geschichte partiell aufbrechen. Sie können sich viele solcher virtuellen Identitäten zulegen und in der Kommunikation mit anderen Usern vielfältige neue Erfahrungen sammeln.
Der neue Mensch, von dem auch die Religion spricht und der im religiösen System durch den Glauben konstituiert wird, wird im Netz in ganz bestimmter konkret-abstrakter Weise möglich. "Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur", heißt es im Neuen Testament. Begibt sich jemand in den Cyberspace, so kann er viele neue Kreaturen verkörpern, könnte man parallel formulieren.
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