"Envisage 3D", seit der SIGGRAPH 93 auf dem Markt, setzt neue Akzente in der Szene der etablierten 3D-Programmen auf dem PC. Die Software mit dem französisch-englischen Namen zeigt sich als rundherum harmonisches, leicht erlernbares Programm, das in seinen Leistungen viele wesentlich teurere Programme buchstäblich "alt" aussehen läßt.
Die vorhandene 3D-Software für den PC muß entweder teuer bezahlt werden, oder verfügt - meist als Umsetzungen von anderen Plattformen - über mäßigen Bedienungskomfort. Envisage 3D tritt in der mittleren Preisklasse an, und zeigt sich durch ein Arsenal gut abgestimmter Funktionen als solides und zukunftsträchtiges Werkzeug für 3D-Designer. Diese schon in der ersten Version erreichte Produktreife kommt nicht von ungefähr: "Envisage" stammt aus der kalifornischen Software-Schmiede Byte by Byte, die mit der 3D-Software "Sculpt 4D" den Macintosh-Highend-Markt eroberte - und diese sechsjährige Erfahrung schlägt sich in der Konzeption des "Envisage 3D" deutlich nieder. Erste professionelle Anwender des "Envisage 3D" werten es als die Software, die 3D-Animation auf dem PC wirklich populär machen kann. Envisage läuft in der vorliegenden Version unter MS-DOS und holt so aus jedem PC ab 386er das letzte heraus. "Native" Versionen für Alpha-Chip und Windows NT sollen im nächsten Frühjahr folgen.
Ein Modeler für alle Fälle
3D-Animation fängt mit dem Modeling an - und hört bei schlecht abgestimmten Programmpaketen oft genug schon damit auf. Envisage bietet für diesen Kernbereich einen universeller Spline/Vertex-Modeller, mit dem jede nur denkbare Idee innerhalb desselben einheitlichen Modeling-Environments realisiert werden kann. Als Referenz an die vielen Architektur-Anwender hat Byte by Byte sich etwas Besonderes einfallen lassen: "build-from-plan", also die automatische Erzeugung von Objekten nach vorhandenen Rißzeichnungen ergänzt den üblichen Import von .DXF-Dateien aus Konstruktionspaketen wie AutoCAD.
Boolsche Operationen ergänzen die herausragenden Modeling-Eigenschaften des Envisage: auch komplexe Formen können sehr schnell subtrahiert oder addiert werden. Weitere Features dienen auch dem organischen, nicht-technischen Modeling: durch Magnet-Tools werden selektierte Objektgruppen angezogen oder abgestoßen, entsprechend einem simulierten Magnetfeld, dessen Stärke kontrollierbar ist. Mit dem SHAPER, einem "digitaler Daumen", den man in eine Netzstruktur (mesh) presst, lassen sich die Objekte organisch, weich und kontrollierbar modellieren. Die erwähnten "Meshes" sind sanft fließende, trigonometrisch definierte Oberflächen, die weiche, einheitliche Kurven bilden und besonders mit den Magnet-Tools sehr effektiv bearbeitet werden können. Der Software beiliegende vorgefertigte Meshes lassen sich auf Wunsch einfach einladen und weiterverwenden.
Viele weitere, leicht erlernbare, aber mächtige Modellier-Tools sind auch für "harte Nüsse" vorhanden: die Featureliste allein für diesen Teil ist einige Seiten lang.
Professioneller Timeline-Editor
Die Animation der Objekte erleichtert Envisage mit einer vollständig grafisch-visuellen Benutzerführung. Die Animationssequenzen werden im Editorfenster mit der Maus festgelegt und mit Timelines und Keyframes grafisch weiterbearbeitet. Alle Gestaltungsmittel, wie Morphing, Bewegungen der Actoren, automatische Objektverfolgung mit der Kamera (Tracking), lassen sich in jeder Phase des Produktionszyklus einfach neu definieren und rekonstruieren.
Die Choreografie organischer und mechanischer Bewegungen geschieht ebenfalls intuitiv und einfach: in jede Punktegruppe, jedes Objekt oder Teilobjekt kann mit wenigen Mausklicks ein bewegliches "Skelett" eingepflanzt werden. Selbst komplexe Modelle sind damit einfach zu manipulieren wie eine Marionette. Mit der Skelettanimation können Morphs, mechanische, menschliche und tierische Bewegungen überzeugend und schnell dirigiert werden.
Viele weitere Features wie Simultan-Morphing, eine lange Liste eingebauter special effects wie Wellenbewegung, Flügelschlage, Schütteln, Modulation, Verbiegungen oder die eingebauten Wave-Generatoren für Wellengekräusel oder Ozeanwellen runden die Modeling-Möglichkeiten des "Envisage" ab.
High Speed Phong-Shading
Ein extrem schneller Phong-Shader berechnet Autodesk-kompatible .FLI- oder .FLC-Animationen mit hoher Geschwindigkeit. Bei normal komplexen Szenarien bewegt sich die Bildberechnungszeit im Bereich von einer Minute. Alle Effekte wie Glas, Spiegelungen, Reflektionen oder Glanzpunkte sind durch Environment und Reflection Mapping integriert. Mehrere Lichtquellen, auch Punkt- und Spotlampen, lassen sich einsetzen, Schatten werden wahlweise automatisch erzeugt. Eine große Anzahl eingebauter prozeduraler (algorithmischer) Texturen mit interaktiver Materialeditierung ermöglicht eine komplette Kontrolle über alle Oberflächenattribute. Ein Raytracing-Modul ist nach Angaben von Byte by Byte kurz vor der Fertigstellung, ebenso wie weitere Envisage-Rendering-Module, die auf mehreren Hardware-Plattformen eingesetzt werden. Das Rendering läßt sich so im Netz auf SUN, DEC, VAX oder SGI-Workstations auslagern.
FAZIT:
"Envisage 3D" überzeugt bereits in der ersten Version durch ein stimmiges Konzept, das die Leistungsfähigkeit des Programms voll "auf die Straße" bringt. Envisage ist - gemessen an seiner Komplexität - die wohl am leichtesten erlernbare 3D-Software für den PC. Die Erfahrung des Herstellers Byte by Byte mit Highend-Software zeigt sich in der leistungsfähigen und harmonischen Konzeption.
Der noch fehlende Raytracer wird durch den schnellen Shader fast völlig ersetzt.
VORAUSSETZUNGEN:
kompatibler PC, 80386 oder höher, mathematischer Koprozessor
