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Text File  |  1992-11-18  |  2KB  |  28 lines

  1. Stadtmaus und Feldmaus
  2.  
  3. Eine Stadtmaus ging einmal im Feld spazieren und wurde von einer Feld-
  4. maus zu Gast geladen. Die bewirtete sie mit Eicheln, Nüssen, Gerste und
  5. was sonst noch in ihrer Vorratskammer lag. Aber die Stadtmaus sprach:
  6. "Du bist fürwahr eine arme Maus. Was willst du hier noch länger in Armut
  7. leben? Komm mit mir, ich will dir zeigen, wie gut es mir geht, und du
  8. sollst allerlei köstliche Speisen probieren."
  9. Sie zogen miteinander in die Stadt und kamen in ein prächtiges Haus, in
  10. dem die Stadtmaus wohnte. Dort gingen sie gleich in die Speisekammer. Da
  11. gab es Fleisch, Speck, Wurst, Brot, Käse - und alles war im Überfluß da.
  12. Die Stadtmaus sprach: "Nun iß und sei guter Dinge! Solche Speise habe
  13. ich täglich mehr als genug."
  14. Indem kommt der Koch und klappert mit den Schlüsseln an der Tür. Die
  15. Mäuse erschraken, liefen davon und die Stadtmaus schlüpfte schnell in
  16. ihr Loch. Aber die Feldmaus wußte nicht wohin, lief die Wand herauf und
  17. herunter und fürchtete um ihr Leben. Als der Koch wieder gegangen war,
  18. sprach die Stadtmaus: "Nun hat es keine Not mehr, laß uns miteinander
  19. fröhlich sein." Die Feldmaus antwortete: "Du hast gut reden. Du wußtest
  20. dein Loch schnell zu finden, derweil ich vor Angst schier gestorben bin.
  21. Bleib du nur eine reiche Stadtmaus und friß Wurst und Speck. Ich aber
  22. will ein armes Feldmäuslein bleiben und meine Eicheln essen. Du bist
  23. zwar reich, aber keinen Augenblick sicher vor dem Koch, vor der Katze
  24. und der Mausefalle. Ja, das ganze Haus ist dir feind. Ich aber bin frei
  25. und sicher in meinem armseligen Löchlein mitten im Feld."
  26. Die Fabel zeigt: Wer reich ist, hat viel Sorgen und muß Neider und Ge-
  27. fahren bestehen.
  28.