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1991-10-11
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35KB
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591 lines
**************************************************************
Der folgende Brief stammt aus dem Anhang des Buches
James A. Beverley: Crisis of Allegiance.
A Study of Dissent Among Jehovah's Witnesses
(Welsh Publ., Burlington, Ontario, Canada 1986. Bezugsadresse:
Hart Publishers, 525 25th St. South, Lethbridge, Alberta, Canada
T1J 3P5. 12,95 US-$ incl. Vers.)
***************************************************************
M. James Penton 10. August 1979
Lethbridge, Alberta, Kanada
An die
Watch Tower Bible and Tract Society
124 Columbia Heights
Brooklyn, N. Y. 11201
Liebe Brüder,
zunächst möchte ich Euch im voraus um Entschuldigung dafür
bitten, dass mein Brief so lang ist. Ich kann das, was ich
sagen möchte, einfach nicht auf wenige Worte beschränken.
Zugleich möchte ich Euch auch für Euern freundlichen Brief vom
Frühjahr danken.
Wie ich Euch bereits schrieb, bin ich schon seit längerem
zutiefst besorgt über den Mangel an geistiger Gesundheit bei
den Brüdern in der ganzen Welt, insbesondere auf Grund des
grossen Abfalls in den letzten 10 Jahren und vor allem seit
1975. Als Geschichtswissenschaftler, der sich seit Jahren mit
dem Gebiet der Kirchengeschichte befasst und der die neuzeit-
liche Geschichte der Zeugen Jehovas intensiv erforscht hat,
habe ich seit einigen Jahren die Probleme unserer Gemeinschaft
genau untersucht. Dazu habe ich selbstverständlich die Wacht-
turm-Literatur, die seit den Tagen Pastor Russells erschienen
ist, studiert und habe die vielen geschichtlichen und soziolo-
gischen Werke über Jehovas Zeugen, die in den letzten Jahr-
zehnten von verschiedenen Forschern verfasst wurden, sorgfäl-
tig geprüft. Zudem habe ich gebetsvoll mit der Organisation
zusammengearbeitet und mich bemüht, meine privaten, familiären
und sonstigen Probleme als treuer Christ, als Diener und
Ältester zu lösen. Doch als jemand, der sich als Gesalbter zum
Leib Christi gehörend betrachtet und der stets dem edlen
Vorbild der Beröer Christen aus Apostelgeschichte 17:11 ge-
folgt ist, sehe ich mich jetzt in der Situation des Elihu, so
wie sie in Hiob 32:6-22 beschrieben wird, und eines Paulus in
Antiochien (gemäss Galater 2:11-21). Mit Elihu will ich des-
halb sagen: "Ich werde meinen Teil antworten, ja ich; ich
werde meine Erkenntnis verkünden, ja ich; denn ich bin voll
von Worten geworden; Geist hat mich gedrängt in meinem Leib."
Deshalb will ich liebevoll, aber freimütig darüber sprechen,
was meiner Ansicht nach das Hauptproblem unserer Organisation
ist, was sie krank gemacht hat und wofür die leitende Körper-
schaft die grösste Last der Verantwortung trägt.
Mit christlichem Freimut der Rede (Galater 5:1) möchte ich
feststellen, dass es die unangebrachte, unbiblische Überbeto-
nung des Predigtwerks ist, die zu dem maroden Zustand der
Organisation geführt hat, die sie auch jetzt noch krank macht
und das auch so lange tun wird, bis es den ihm angemessenen
Platz zugewiesen bekommt. Zwar gehört es notwendig zu dem
Zeugnis, das die Christenversammlung der Welt gibt, doch es
ist nicht wichtiger als andere christliche Werke, die die
Bibel nennt (Jakobus 1:27). Wenn das auch manchen wie Ketzerei
klingen mag, ich werde mich für diese Feststellung nicht ent-
schuldigen. Ich liebe und achte meine Brüder sehr, aber ich
habe grössere Achtung vor Christus, meinem König, und vor
meinem Gott Jehova, sowie seinem Wort, der Heiligen Schrift.
In den letzten Jahren hatten wir einen Rückgang in der Zahl
der Verkündiger, und - was noch mehr wiegt - Tausende haben
sich von uns zurückgezogen. Die Gründe dafür liegen auf der
Hand. Sicher sind viele ein Opfer des Materialismus und ihres
eigenen sinnlichen Verlangens geworden, doch das hat es zu
allen Zeiten gegeben. Viel schwerwiegender war, dass im Jahr
1975 nichts geschah und dass die Gesellschaft in dieser Frage
bis zum Sommer dieses Jahres keine ehrliche und offene Stel-
lungnahme abgegeben hat. In Sprüche 13:12 heisst es: "Hin-
ausgeschobene Erwartung macht das Herz krank."
Und für diese Krankheit der Herzen sind genau diejenigen
Brüder verantwortlich, die zu sorglos mit ihren prophetischen
Spekulationen waren, niemand sonst. Ausserdem sind viele dem
geistigen Tod nahe, weil sie die Superfrömmigkeit und die
Werkgerechtigkeit nicht mehr ertragen können, die die ganze
Organisation durchdringen. Das Thema "Kleidung und äussere
Erscheinung" ist mittlerweile so häufig durchgekaut worden,
dass einem davon übel werden kann und viele schon gar nicht
mehr hinhören, weil es ihnen völlig gleichgültig geworden ist.
Von der Länge der Haare haben wir so oft geredet, dass wir
schon ganz dösig im Kopf sind. Und jetzt geht es genauso gegen
die Discos los, nicht in der vernünftigen Weise, wie sie im
Erwachet! beschrieben wurde, sondern nach der Art des Heiligen
Georg, der den Drachen erschlagen will. Hätten wir nur die
Hälfte der Zeit, die wir für das Kritisieren bestimmter Sitten
und Gebräuche mit Texten aus unserem unsichtbaren Talmud
zugebracht haben, für positive Dinge verwendet, gäbe es viel
mehr Freude unter den Brüdern.
In Brooklyn erkennt man leider anscheinend nicht, dass viele
Schwierigkeiten in der Organisation von den Anweisungen der
Gesellschaft herrühren und nicht von den Brüdern in den Ver-
sammlungen. Die Brüder werden immer stärker angetrieben, in
den Predigtdienst zu gehen, so als sei dies ein Allheilmittel.
Solange wir eine Mehrung verzeichnen, scheinen uns die, die
sich von der Wahrheit zurückziehen, überhaupt nicht zu küm-
mern. Um die verlorenen Schafe sorgen wir uns fast gar nicht
(Matthäus 18:12-14). Stattdessen beginnen wir eine wilde Jagd
nach neuen, obwohl Johannes uns sagt, wir seien vom Tod zum
Leben übergegangen, weil wir die Brüder lieben - nicht weil
wir predigen gehen! (1. Johannes 3:14) Und ich glaube, dass
wir mit dieser unerträglichen Betonung des Verkündigungswerks
den heiligen Geist betrüben.
Zu den anderen Dingen, die Gottes Namen nicht ehren, gehört,
dass im letzten Jahr zahlreiche Redner auf Kongressen, viele
Bethelredner und viele Artikel in unseren Veröffentlichungen
etliche Bibeltexte aus dem Zusammenhang gerissen haben, um die
Brüder zum Predigen zu drängen. So wurde auf den internationa-
len Kongressen 1978 der Text aus 1. Petrus 2:21 als Grundlage
genommen, um zum Pionierdienst aufzurufen, obwohl dieser Text
mit dem Pionierdienst so wenig zu tun hat wie mit anderen
christlichen Werken. Der Zusammenhang zeigt, dass hier von
unserem Verhalten bei Leiden die Rede ist und von nichts
sonst.
In der Juni-Nummer des Königreichsdienstes (Ausgabe für Kana-
da) wird die Ansicht vertreten, dass wahrscheinlich 500 Män-
ner, Frauen und Kinder dabei waren, als Christus den Aposteln
das Gebot aus Matthäus 28:19, 20 gab. 1. Korinther 15:6 be-
zieht sich nicht auf die Zusammenkunft Christi mit den Jüngern
in Galiläa. In Matthäus 28:16 heisst es ausdrücklich: "Die elf
Jünger dagegen gingen nach Galiläa zu dem Berg, wohin Jesus
sie bestellt hatte." Elf waren es also, nicht 500.
In diesem Frühjahr sandte das kanadische Zweigbüro einen
Redner in unseren Landesteil. Viele von uns reisten Hunderte
von Kilometern, um ihn ein weiteres Mal die Wichtigkeit des
Predigtwerks hervorheben zu hören. Schokiert hat mich aber,
dass er sagte, wir müssten predigen, ob wir nun Liebe haben
oder nicht. Als Beweis zitierte er 1. Korinther 9:16 - wieder
aus dem Zusammenhang gerissen. Was Paulus dann kurz darauf in
1. Korinther 13:1-3 sagte, schien er ganz vergessen zu haben.
Und doch gingen viele Älteste nach Hause und glaubten ihm,
weil er ein offizieller Vertreter der Wachtturm-Gesellschaft
war.
Ja, viele sind wirklich so wie meine liebe alte Grosstante,
auf deren Grund und Boden in Compton (Kalifornien) die Gesell-
schaft nach ihrem Tod ein regionales Literaturlager einrichte-
te. Sie sagte mir einmal: "Wenn im Wachtturm stünde, der Mond
sei aus grünem Käse, dann würde ich das glauben."
Wenn auch im Wachtturm niemals derartig schwachsinnige Behaup-
tungen aufgestellt wurden, so standen in ihm doch in der
letzten Zeit einige der schlimmsten Bei