<:R1,12,1,720,1,1440,1,2160,1,2880,1,3600,1,4320,1,5040,1,5760,1,6480,1,7200,1,7920,1,8640,>Vor dem Gesetz - Franz Kafka Vor dem Gesetz steht ein T<\|>rh<\|>ter. Zu diesem T<\|>rh<\|>ter kommt ein Mann vom Lande und bittet um Eintritt in das Gesetz. Aber der T<\|>rh<\|>ter sagt, da<\_> er ihm jetzt den Eintritt nicht gew<\d>hren k<\v>nne. Der Mann <\|>berlegt und fragt dann, ob er also sp<\d>ter werde eintreten d<\|>rfen. "Es ist m<\v>glich," sagt der T<\|>rh<\|>ter, "jetzt aber nicht." Da das Tor zum Gesetz offensteht wie immer und der T<\|>rh<\|>ter beiseite tritt, b<\|>ckt sich der Mann, um durch das Tor in das Innere zu sehn. Als der T<\|>rh<\|>ter das merkt, lacht er und sagt: "Wenn es dich so lockt, versuche es doch, trotz meines Verbotes hineinzugehn. Merke aber: Ich bin m<\d>chtig. Und ich bin nur der unterste T<\|>rh<\|>ter. Von Saal zu Saal stehn aber T<\|>rh<\|>ter, einer m<\d>chtiger als der andere. Schon den Anblick des dritten kann nicht einmal ich mehr ertragen." Solche schwierigkeiten hat der Mann vom Lande nicht erwartet; das Gesetz soll doch jedem und immer zug<\d>nglich sein, denkt er, aber als er jetzt den T<\|>rh<\|>ter in seinem Pelzmantel genauer ansieht, seine gro<\_>e Spitznase, den langen, d<\|>nnen, schwarzen tatarischen Bart, entschlie<\_>t er sich, doch lieber zu warten, bis er die Erlaubnis zum Eintritt bekommt. Der T<\|>rh<\|>ter gibt ihm einen Schemel und l<\d><\_>t ihn seitw<\d>rts von der T<\|>r sich niedersetzen. Dort sitzt er Tage und Jahre. Er macht viele Versuche, eingelassen zu werden, und erm<\|>det den T<\|>rh<\|>ter durch seine Bitten. Der T<\|>rh<\|>ter stellt <\v>fters kleine Verh<\v>re mit ihm an, fragt ihn <\|>ber seine Heimat aus und nach vielem andern, es sind aber teilnahmslose Fragen, wie sie gro<\_>e Herren stellen, und zum Schlusse sagt er ihm immer wieder, da<\_> er ihn noch nicht einlassen k<\v>nne. Der Mann, der sich f<\|>r seine Reise mit vielem ausger<\|>stet hat, verwendet alles, und sei es noch so wertvoll, um den T<\|>rh<\|>ter zu bestechen. Dieser nimmt zwar alles an, aber sagt dabei: "Ich nehme es nur an, damit du nicht glaubst, etwas vers<\d>umt zu haben." W<\d>hrend der vielen Jahre beobachtet der Mann den T<\|>rh<\|>ter fast ununterbrochen. Er vergi<\_>t die andern T<\|>rh<\|>ter und dieser erste scheint scheint ihm das einzige Hindernis f<\|>r den Eintritt in das Gesetz. Er verflucht den ungl<\|>cklichen Zufall, in den ersten Jahren r<\|>cksichtslos und laut, sp<\d>ter, als er alt wird, brummt er nur noch vor sich hin. Er wird kindisch, und, da er in dem jahrenlangen Studium des T<\|>rh<\|>ters auch die Fl<\v>he in seinem Pelzkragen erkannt hat, bittet er auch die Fl<\v>he, ihm zu helfen und den T<\|>rh<\|>ter umzustimmen. Schlie<\_>lich wird sein Augenlicht schwach, und er wei<\_> nicht, ob es um ihn wirklich dunkler wird, oder ob ihn nur seine Augen t<\d>uschen. Wohl aber erkennt er jetzt im Dunkel einen Glanz, der unverl<\v>schlich aus der T<\|>re des Gesetzes bricht. Nun lebt er nicht mehr lange. Vor seinem Tode sammeln in seinem Kopfe alle Erfahrungen der ganzen Zeit zu einer Frage, die er bisher an den T<\|>rh<\|>ter noch nicht gestellt hat. Er winkt ihm zu, da er seinen erstarrenden K<\v>rper nicht mehr aufrichten kann. Der T<\|>rh<\|>ter mu<\_> sich tief zu ihm hinunterneigen, denn der Gr<\v><\_>enunterschied hat sich sehr zu ungunsten des Mannes ver<\d>ndert. "Was willst du denn jetzt noch wissen?" fragt der T<\|>rh<\|>ter, "du bist uners<\d>ttlich". "Alle streben doch nach dem Gesetz," sagt der Mann, "wieso kommt es, da<\_> in den vielen Jahren niemand au<\_>er mir Einla<\_> verlangt hat?" Der T<\|>rh<\|>ter erkennt, da<\_> der Mann schon an seinem Ende ist, und, um sein vergehendes Geh<\v>r noch zu erreichen, br<\|>llt er ihn an: "Hier konnte niemand sonst Einla<\_> erhalten, denn dieser Eingang war nur f<\|>r dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schlie<\_>e ihn." aus: Ein Landarzt - M<\|>nchen und Leipzig, Kurt Wolff 1919