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- Autor: [Axel Melzener]
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- Die Expedition
- --ZS1
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- oder Das größte Abenteuer aller Zeiten
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- DORTMUND, SEPTEMBER 1991
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- Es war ein kalter, stürmischer Tag im Spätherbst. Der Wind fegte die
- Blätter durch die Straßen, und Regentropfen prasselten gegen jedes Fenster.
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- Bei diesem verdammten Wetter würde man nicht mal einen Hund vor die Tür
- jagen, geschweige denn, selbst einen Fuß nach draußen setzen - trotzdem
- bewegte sich da draußen im Regen eine Gestalt.
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- Sie war in eine speckige Lederjacke gehüllt und trug einen durchweichten,
- fleckigen Stetson-Hut. Der Statur nach war es ein Mann. Sicher und mit
- großen Schritten stapfte er fluchend durch Pfützen auf ein kleines Haus zu.
- Er sah sich mürrisch um, überquerte eilig die Straße und bog auf der
- anderen Seite in eine Durchfahrt zu einem Mehrfamilienhaus ein.
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- Dem Regen entkommen nahm der Mann seinen Hut vom Kopf und wrang in aus, um
- ihn vor dem völligen Dahinfließen zu retten. Darauf schritt er an zwei
- Mülltonnen vorbei zu einem Hauseingang, blickte sich kurz um und drückte
- eine Klingel.
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- Im Haus erscholl dreimal ein tiefer Klingelton, da schlurfte schon ein
- kleiner, hagerer Mann zur Tür, öffnete und ließ den Mann ein.
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- "Sie kommen spät, Herr Jones", stellte der Kleine fest, "Pünktlichkeit
- scheint nicht ihre Stärke zu sein." Einen brummenden Ton von sich gebend
- setzte der mit Jones Angesprochene seinen Hut wieder auf und stupste mit
- dem Daumen die Krempe nach oben. Dann stiegen beide das alte Treppenhaus
- herauf, und die ausgeblichenen Stufen quietschten unter jedem Schritt.
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- Im Haus war völlige Stille.
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- Im dritten Stock machten sie Halt. Der, der die Tür geöffnet hatte,
- klopfte kurz, und die Tür ging auf. Der Kleine und Jones betraten einen
- winzigen Korridor. Aber sie waren nicht allein. Da war noch derjenige,
- der die Tür geöffnet hatte: Ein grobschlächtiger, hünenhafter Mann, dessen
- Gesicht mit tiefen Narben durchzogen war und dessen Augen gefährlich im
- blaubeleuchteten Korridor funkelten, sowie ein weißhaariger, älterer Mann,
- der im Nebenraum in einem Sessel saß.
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- Jones und der Kleine betraten zusammen mit dem Killertypen eben diesen
- Nebenraum. Es handelte sich um ein gemütliches Zimmer von geringer Größe,
- das über und über von wissenschaftlichen Geräten gefüllt war: Ein Sextant,
- ein Mammutzahn, mehrere Schmetterlinge, eine Insektensammlung, Bücher und
- vieles mehr.
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- Der Mann im Sessel wies allen schweigend einen Platz zu. Als er sah, daß
- Jones noch seine Jacke, seinen Hut und seine Lederpeitsche trug, blickte er
- ihn fragend an. Doch Jones schüttelte den Kopf. "Entweder ich behalte das
- an oder sie suchen sich einen Anderen!", drohte er.
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- Unbeirrt begann der Alte das Gespräch.
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- "Meine Herren. Es freut mich, daß sie so zahlreich erschienen sind. Ich
- hoffe, ich kann sie dazu überreden, bei meiner streng geheimen Expedition
- mitzumachen. Es ist eine Sache mit großem Risiko - sie könnten sogar ihr
- Leben dabei verlieren. Wir werden tagelang mit den Unbillen der Natur
- kämpfen müssen, werden uns vielleicht ernähren müssen von Wurzeln, Kräutern
- oder Menschenfleisch, werden verschmutztes Wasser trinken müssen und werden
- in vielen Situationen sein, in denen nur unfehlbarer Scharfsinn und
- körperliche Fitness unser Leben retten kann. Tagelang werden wir durch
- einsame Wälder stapfen und über steile Felsen klettern müssen - doch wenn
- wir es schaffen sollten, ist uns die Anerkennung der Menschheit gewiß. Wer
- möchte, kann noch aussteigen...!!!"
-
- Doch keine Reaktion. Der grobschlächtige Bursche grinst, als er das Wort
- 'aussteigen' hört, Jones zieht sich lässig seinen Hut ins Gesicht und der
- kleine dürre blickt gelangweilt aus dem Fenster.
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- "... es freut mich, solch mutige Männer bei meiner Unternehmung an meiner
- Seite zu haben. Aber nun sollten wir uns erstmal bekanntmachen."
-
- Er deutete auf den kleinen Dürren. "Dies ist Doktor Emil Steinbach. Er
- wird uns auf unserer Expedition mit Pflaster und Mullbinde zur Seite
- stehen. Er war bereits in Saigon, Vietnam und Korea Notarzt und hat schon
- vielen Menschen das Leben gerettet. Weltweit der Beste seines Faches."
-
- Dann nickte der dem großen, bullenhaften Mann mit der brutalen Visage zu.
- "Dies ist Hans Neumann. Auf unserer Expedition ist er der 'starke Mann',
- das heißt, er wird unser Gepäck tragen, unsere Zelte aufbauen, mit
- Eingeborenen kämpfen und unser Essen kochen. Er hat drei Orden bei der
- Heilsarmee und viele Auszeichnungen des internationalen Verbandes für
- Gastronomie."
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- Und schließlich wandte er sich an den geheimnisvollen Mann mit dem Hut.
- "... Und dies ist Dr. Hasso Jones. Sein Vater taufte ihn nach seinem
- Hund. Dr. Jones ist erfahrener Abenteurer, Spurensucher und
- Überlebensexperte. Er hat schon viele Abenteuer bestanden, in denen er oft
- nur knapp mit dem Leben davongekommen ist."
-
- Der schüttere Mann blickte in die Runde und sagte: "Ich bin Prof. Dr.
- Ulrich Siehmalwas, Wissenschaftler. Mein Beruf ist es, den großen
- wissenschaftlichen Wundern dieser Zeit auf die Spur zu kommen. Und diesmal
- geht es um etwas ganz besonderes..."
-
- Der kleine Doktor Steinbach blickte ihn gespannt und fragend an.
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- "... ich will es ihnen erklären...", sagte der Professor und wischte sich
- mit seinem Taschentuch den Aufregungsschweiß von der Stirn.
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- Auch der brutal aussehende Koch schaute nun gespannt und aufmerksam.
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- "... wir suchen ein Tier. Ein ganz besonderes Tier. Nicht etwa den Yeti
- oder das Monster von Loch Ness, nein, das sind alte Hüte..."
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- Die andern sahen, wie die Hände des Wissenschaftlers zu zittern begannen.
- Nun schob sogar Hasso Jones seinen Hut hoch und war gespannt.
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- "... wir suchen", fuhr der Professor fort, "den..."
-
- Er schluckte schnell eine Beruhigungstablette
-
- "... Wolpertinger!!!!!!!!", brachte er es heraus.
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- Ein Aufschrei aus allen Kehlen ließ den Raum beben. Der Doktor rutschte
- aufgeregt hin und her, der Riese sprang wild gestikulierend herum, und
- Hasso Jones zog zweifelnd die Nase hoch.
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- Wieder gefaßt, erklärte der Professor weiter.
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- "Der Wolpertinger ist ein bayrisches Fabelwesen, das in den Tiefen der
- Alpen lebt. Er hat den Kopf eines Hasen, den Körper einer Katze, die Beine
- einer Krähe, den Schwanz eines Kängurus und ein Hirschgeweih sowie einen
- Rüssel. Schon im achten Jahrhundert nach Christus schreibt der Eremit und
- Mönch Gottfried von Balkershaus: "... auhf miner Reis übra die gar
- höhlichen Berge deren Gipfel mit Schneie bedecket waren sah ich oftmals ein
- kleines Thier, welchs mir ganz und gar seltig anmut: Den Khopf eines
- Rammlers mit einem Hirschenhorn und einem Rüsseli, den Corpora einer Katz
- und die Fühße eines Greifenvogels." Seit dem 14. Jahrhundert häufen sich
- die Berichte über Wolpertinger, 1912 hat man gar ein Foto von einem machen
- können. 1953 sah eine Wandergruppe ein Rudel Wolpertinger fröhlich auf
- einer Alm grasen, und erst vor kurzem benachrichtigte mich ein Kollege von
- der Sichtung eines Wolpertingers in den Bayrischen Alpen.
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- Und unsere Aufgabe wird es sein, ihn zu finden. Wir werden berühmt sein."
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- Der Koch war überzeugt. "Wann geht es los?" warf er angespannt ein.
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- "Wir treffen uns in einer Woche in Hinterbattelsheim, bei Seebach. Das ist
- am Chiemsee", erklärte der Professor.
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- "Wir sehen uns", sagte Jones.
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- HINTERBATTELSHEIM, OKTOBER 1991
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- Die Bremsen des Zuges quietschten, als die schwerfällige Lokomotive mit den
- paar Personenwagen in den Bahnhof von Hinterbattelsbach einrollte. Die
- monotone Stimme des Bahnvorstehers leierte oberflächlich einen Fahrplan
- herunter.
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- Es roch nach Metall und Öl. Hasso Jones stieg aus dem Zug und streckte
- sich, wobei er herzhaft gähnte. Gepäck hatte er keines, schließlich war er
- Überlebensexperte. Nur seine Lederjacke, seinen Hut, seine Peitsche und
- seinen Revolver hatte er dabei.
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- Mißtrauisch sah er sich um, schob mit dem Daumen die Hutkrempe hoch und
- wischte sich den Sand aus den Augen, denn er kam frisch aus der Sahara, wo
- er mal wieder eben kurz die Welt gerettet hatte. Natürlich hatte er keine
- Zeit gehabt, sich zu waschen. Und im Wasser waren Schlangen, und Hasso
- haßte Schlangen. Deshalb wusch er sich auch nur selten. Er hatte aber ein
- sehr gutes Deo, welches seine Ausdünstungen geschickt verbarg.
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- Plötzlich fragte eine Stimme hinter ihm: "Dr. Jones...?" Er zog
- blitzschnell die Peitsche, da er einen Angriff erwartete, ließ sich auf den
- Boden fallen und rollte sich zur Seite, wobei er mit einer geschickten
- Bewegung die Peitsche in Richtung des Gesichtes des Angreifers schwang.
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- Kaum lag dieser am Boden, sprang Hasso auf und stürtzte sich auf den völlig
- überraschten Schwarzen, der eine Chauffeuruniform trug. Verzweifelt
- versuchte der Ausländer, sich zu wehren, doch gegen Hasso Jones' Ohrfeigen
- war kein Kraut gewachsen.
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- Während Jones den arglosen Neger verhaute, rief er laut und triumphierend:
- "Na; du hast es wieder nicht geschafft! Dreimal wolltest du mich töten,
- aber jetzt endlich hab' ich dich!!!"
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- Der Schwarze wimmerte nur: "Ich komme von Professor Doktor Siehmalwas und
- soll sie abholen..."
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- Hasso Jones jedoch triumphierte weiter: "Ja, ja! Den Trick kenn' ich!
- Und wenn ich dann im Wagen sitze, sprengst du uns in die Luft, du
- Kamikaze-Fanatiker! Du hast eine schwarze Seele, mein Freund, aber der
- liebe Gott hat sie dir nach außen gekrempelt, harharhar! So und jetzt komm
- mit, ich bring dich zur Polizei!"
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- Flennend hauchte der Neger: "Siehmalwas... Abholen... Expedition..."
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- Jones stutzte. "EXPEDITION?", fragte er ungläubig, "Dann kommst du ja doch
- von Siehmalwas. Das wissen nämlich nur Eingeweihte. Tja, tut mir leid,
- Alter... Dann fahr mich mal zu ihm..."
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- Er bog das Nasenbein des Chauffeurs wieder zurecht, klopfte den Staub aus
- dessen Uniform und steckte seine Peitsche wieder zurück in den Gürtel.
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- "Hier entlang", sagte der Chauffeur und ging mit Jones zum Parkplatz.
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- FORTSETZUNG FOLGT !!!
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