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Spieletest Zork: Nemesis


ZORK: NEMESIS

Der mittlerweile siebte Sprößling der Zork-Serie präsentiert sich im generalüberholten Prunkgewand. Das Grafikadventure ist dabei nicht nur schöner als die aktuelle Konkurrenz, sondern auch gehaltvoller.

Mehr als 100 Jahre nach Untergang des "Great Underground Empire" sieht es in den Ostländern des ehemaligen Reiches gar nicht gut aus: Kleine Fürstentümer bekriegen sich bis aufs Blut, weitläufige Regionen sind zur Wildnis verkommen. Da verschwinden plötzlich vier hochgestellte Persönlichkeiten: ein Mönch, ein Arzt, eine Künstlerin und ein General. Der auf sie angesetzte Agent hört Gerüchte von Dunkler Magie und einem Unhold namens Nemesis. Er findet heraus, daß die vier Gesuchten der Alchemie zu frönen schienen und kürzlich zu einem geheimnisvollen Tempel aufbrachen. Dann ist auch der Agent unauffindbar, ohne mehr als ein mit mysteriösen Hinweisen gespicktes Tagebuch zurückzulassen. Sie stehen nun an seiner Statt hinter dem verschlossenen Tor einer weitläufigen Tempelanlage. Gelingt es Ihnen, die Geheimnisse von "Zork: Nemesis" zu lüften?

Auch wenn sich der Zork-Hintergrund durch das ganze Spiel zieht, muß man keineswegs ein Kenner der Serie sein. Alte Veteranen wissen zwar diverse Anspielungen zu würdigen ("Interview mit einem Grue"), haben aber keine echten Vorteile. Was genau das Spielziel ist, offenbart sich erst nach und nach, ebenso wie die Ereignisse, die zu der momentanen Misere geführt haben. Soviel sei verraten: Die vier Verschwundenen waren in der Tat Alchemisten, jeder auf ein anderes Gebiet spezialisiert. Diese Vierteilung zieht sich durch das gesamte Spiel, so korrespondiert jeder Name mit einem Element, einer Farbe, einer Note, einem Metall, einem Planeten und einem Symbol. Dieses Wissen hilft dabei, den ersten Abschnitt des Spiels zu bewältigen. Danach folgen vier in sich abgeschlossene Abenteuer an thematisch völlig unterschiedlichen Orten, bevor man der eigentlichen Bedrohung entgegentritt.

Außer der Hintergrundgeschichte hat Nemesis kaum noch etwas mit den Vorfahren gemein, auch nicht mit dem zuletzt erschienenen "Return to Zork". Activision verzichtet auch bewußt auf das Infocom-Label. Stattdessen zielt das Programm eindeutig auf den Erfolgstitel "Myst" ab - geboten wird satte Rätselkost in ansprechender Verpackung. Musik, Geräusche und Sprachausgabe wirken überaus stimmungsvoll, schöne High-Color-Grafiken erfreuen das Auge. Die Szenerie wird aus der Ich-Perspektive gezeigt; wie von solchen Spielen gewohnt, schreitet man "bildweise" durch vorgefertigte Szenerien. Ganz im Gegensatz zur gängigen Machart kann man sich jedoch voll um die eigene Achse drehen, das Sichtfeld scrollt stufenlos und perspektivisch korrekt. Dank Stereo und "QSound" scheinen sogar die Geräusche von der Seite oder von hinten zu kommen. Nur bei "Nahaufnahmen", wie beispielsweise dem Blick in eine Truhe, ist man auf einfaches Vor und Zurück beschränkt.

Wohin Sie jeweils gehen können, zeigt der Mauszeiger an. Mit verschiedenen Formen weist er zudem auf greifbare Objekte oder andere interessante Stellen hin. Manchmal darf man - ebenfalls stufenlos - nach oben und unten schauen, allerdings nicht gleichzeitig mit dem 360-Grad-Rundum-Schwenk. Außer dem Mauszeiger gibt es keine Symbole, Menüs oder Statusanzeigen. Texte sieht man nur, wenn sie in einem Buch stehen. Tragen Sie mehrere Gegenstände bei sich, schalten Sie per Rechtsklick zwischen ihnen um; der Mauszeiger deutet an, was Sie in der Hand haben. So stöbert man ohne lästige Benutzeroberfläche durch die rund 90 Räume, müssen aber auf ein Inventar nicht verzichten.

Die große Stärke von Zork Nemesis sind seine Puzzles, die weit über plumpe Denkspiel-Plagiate á la "11th Hour" hinausgehen. Obwohl einige Aufgaben durch geduldiges Ausprobieren zu lösen sind, kommt man mit Nachdenken, genauer Beobachtung oder Hinhören schneller zum Ziel. Die Rätsel reichen vom Kombinieren zweier Gegenstände über Eingabe von Codes bis hin zum Mischen von Gasen, Aufstellen eines Orchesters oder Läuten von Glocken. Sie klicken nicht nur mit Ihrer Maus herum, sondern schwingen Objekte, schieben Scheiben, rotieren Hebel oder malen mit einem Pinsel. Auch die 360-Grad-Rotation wird in einem Rätsel aktiv verwendet. Viele Informationen erhält man durch das Lesen von Zetteln und Schriftrollen, an anderen Stellen geben Symbole oder Töne Hinweise.

Ganz wie bei Myst ist man größtenteils allein unterwegs, allerdings wurden 14 Schauspieler in die Handlung integriert. So trifft man auf die vier Alchemisten und einige Nebencharaktere, die sich per Sprachausgabe oder Videosequenz einmischen. Diese Parts sind nicht nur gut gespielt, sondern auch geschickt eingeflochten: Kein plötzliches, hartes Umschalten zwischen Spielgrafik und Filmschnipsel zerstört die Atmosphäre. Meist löst das Untersuchen bestimmter Objekte eine Rückblende aus, die ein weiteres Fragment der Rahmenhandlung verrät. Zusätzlich sind sehr viele Animationen zu sehen, etwa beim Abfeuern einer Kanone, Benutzen eines Fahrstuhls oder Auslösen einer Geheimtür.

Ohne Notizzettel verliert man sich allerdings schnell in der Detailfülle des Spiels, moderne Rätselknacker drucken sich hin und wieder (per Windows 95) den Bildschirminhalt aus. 20 Spielstände können gespeichert werden, unfaire Stellen ("Sie sind tot!") gibt es aber sowieso keine. Im Tempel hilft ein Orakel weiter, indem es zu den meisten Problemen drei verschiedene, immer konkretere Tips parat hat. Profis deaktivieren diese Funktion vorsorglich schon bei der Installation - die Versuchung könnte sonst manches Mal zu groß sein...

Zork Nemesis belegt drei CDs und ist darauf gleich in zwei Versionen enthalten: Eine ist für Windows 95 gedacht, die andere für MS-DOS. Ohne Windows muß man auf einige Animationen sowie die "dreidimensionalen" Geräuscheffekte verzichten. Dafür läuft das grafisch aufwendige Programm auch auf kleineren Rechnern. Als besonderen Gag kann man sich vom Startmenü aus (in Verbindung mit einem Internet-Browser) direkt auf der offiziellen Zork-Nemesis-Webseite einwählen. Eine komplett eingedeutschte Version soll in Kürze erscheinen.

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