UAAAARG! Elfmeter

"Nur diejenigen, die schon einmal antraten, einen Elfmeter auszuführen inmitten eines riesigen Stadions, umrahmt von Zehntausenden von Zuschauern, haben eine Ahnung von der Last, die auf den Schultern des Schützen liegt. Die Verantwortung über Sieg oder Niederlage, über den Gewinn großer Titel oder enttäuschende Niederlagen liegt bei einem einzigen Spieler."

So zumindest meint es Guido Tognoni zu wissen, seines Zeichens FIFA-Pressesprecher. Ob der Mann überhaupt schon einmal Fußball gespielt hat oder nicht, das ist in diesem Fall auch egal, so einleuchtend erscheint seine Erklärung. Warum dann allerdings unser Abwehrrecke, ja, der mit den schmalsten Schultern aller elf Freund, sich anschickte den Elfmeter gegen Schalke zu verwandeln, ist mir rätselhaft. Und es ist ja auch nur gerade so gut gegangen. Angelaufen, geschossen, gehalten und nachgeschossen, und dann war der Ball endlich da, wo wir ihn alle sehen wollten. Die Frage, ob es überhaupt ein Elfmeter gewesen ist oder nicht, die hat eh keinen interessiert. Das ist auch unser gutes Recht, um nicht zu sagen, unsere Pflicht als Fan. Doch die Entscheidung, wer wann und wie einen Strafstoß zu geben bzw. auszuführen hat, die sorgte um die Jahrhundertwende in den höchsten Europäischen Fußballgremien für heiße Diskussionen.

Die Historie

Im Jahre 1890 hatte William McCrum die Schnauze voll. McCrum war Torwart von Milfort Everton und war es leid, ständig mitanzusehen, wie Verteidiger ein sich nicht für einen "gentleman" gehörendes Verhalten an den Tag legten, um somit das Toreschießen der gegnerischen Stürmer zu verhindern. Also sprach er beim Irischen Fußballverband vor und stellte den Antrag, solch ein Verhalten in Zukunft mit einem Strafstoß zu ahnden. Jack Reid, General Secretary der IFA war auch begeistert und reichte den Antrag an den internationalen Fußballbund weiter. Doch was mußte der arme Willie da erleben. Hirnrissig wurde seine Idee genannt (nun, vielleicht nicht in genau diesem Wortlaut), denn kein Verteidiger auf der Insel würde sich so schäbig verhalten und andere Stürmer durch absichtliches Foulen am Toreschießen hindern. Die Presse nannte den Strafstoß einen "Todesstoß" und orakelte, bei seiner Einführung würden diejenigen, die "gentlemanlike" spielen geradezu dazu genötigt, sich eine unfaire Spielweise zuzulegen. (Ganz schlüssig ist das nicht, aber zumindest die Argumentation der Presse hat sich in einem Jahrhundert nicht sehr geändert.)

Nun war es aber so, daß sich der Fußball zu einem immer populärer werdenden Sport entwickelte und somit auch die Anzahl der aus heutiger Sicht elfmeterwürdigen Verstöße. Die für solche Vergehen vorgesehenen Freistöße waren schon lange kein adäquates Maß der Bestrafung mehr, war es den Spielern doch unmöglich, aus dieser Situation direkt ein Tor zu erzielen.

1891

Beim Viertelfinalspiel des FA-Cups zwischen Stoke City und Notts County (0:1, 89 min.) nahm ein gewisser Henry, County's Verteidiger, den Ball mit der Hand auf. Stoke City wurde ein Freistoß Zentimeter vor der Torauslinie zugesprochen , doch County's Torwart stellte sich direkt und unmittelbar vor den Ball, so daß auch diese Chance nicht genutzt werden konnte. Stoke City verlor und erstmals ging ein (medialer) Aufschrei durch das Land mit der Forderung, diesem Treiben doch ein Ende zu setzten.

Am 2. Juni 1891 war es dann soweit und der Elfmeter wurde als Regel Nummer 13 in der Liste der Fußballregeln geführt.

Die erste Fassung (1891)

Änderungen:

1902 Der Strafraum und der Elfmeterpunkt wurden in der bis heute gültigen Form eingeführt
1905 Da viele Torhüter in dem Strafstoß einen Affront gegen die Sportlichkeit sahen und sich, sobald ein Elfmeter auszuführen war, neben das Tor stellen, werden sie gezwungen, sich jeweils auf der Linie zu bewegen
1929 Torhüter müssen stationär stehen bleiben

Und um nochmals auf die Bürde, die da auf verschiedenen Schultern lasten, zu sprechen zu kommen:
Hoffen wir einfach, daß keiner der gegnerischen Spieler aus den letzten beiden Punktspielen sie auf sich nehmen muß. Und sollte dem doch so sein, so appelliere ich an seinen Sportsgeist, auf daß er ihn weit über unser Tor hinweg schießt. Daß das nicht für uns gilt, das brauche ich wohl nicht extra betonen. Wir kommen schließlich aus St.Pauli.

GB


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