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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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5KB
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111 lines
Recht
· ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
/emp MR 10.11.96 - Die Einführung von Geldkarten führt schlei-
chend zur Einschränkung des Rechts auf Bargeld. Dabei wird
gefährlicher sozialer Zwang ausgeübt. Der Verkehrsverbund in
Hessen zeigt jetzt in Marburg, wie das gemacht wird. Rentner
sind die ersten Opfer.
Mit der Macht der "Tarifhoheit" wurde die ermäßigte
Sammelkarte für Rentner abgeschafft (25 Fahrten für 30 DM).
Wenn Rentner zukünftig eine Ermäßigung von DM 2,00 auf den
"Normalpreis" haben wollen, müssen sie Busfahrten mit einer
neuen maschinenlesbaren Karte bezahlen.
Dann zahlen sie "nur" DM 1,70 statt bisher DM 1,20. Auch die
anderen Sammelkarten werden in Marburg abgeschafft und
Ermäßigungen gibt es nur noch für die Maschinenkarten-benut-
zer. Das erinnert an die Einführungsstrategie für Girokonten in
den SOer Jahren. Mit dem Argument, Girokonten seien viel
rationeller als die Lohnzahlung in bar gab es damals Gratis-
Kontoführung. Aus Sicht der Unternehmer wurde das Uberfall-
risiko auf Geldtransporte vermindert und aus Sicht der
Ehefrauen das Heimtransportrisiko am Freitag mit
Kneipenumweg.
Später hieß es dann von den Banken, die Kontoführung sei so
kompliziert, daß sie Geld kosten müsse. Eine cihnliche
Entwicklung ist beim Plastikgeld zu erwarten.
Bei den Geldersatzkarten wird in Marburg ein finnisches
Modell verwendet. Die Karten sind kontaktlos. Rechts und links
der Türen ist in den Bussen ein "Entwerter" angebracht. Er hat
zwei Tasten, eine für "Einstieg" und eine für "Ausstieg". Oben
drauf ist eine rote, gelbe und grüne Lampe, innendrin eine
Bimmel. Die Karte muß beim Einsteigen mehrere Sekunden
lang flach an den Automaten gehalten werden und die Taste
"Einstieg" gedrückt werden; vor dem Aussteigen entsprechend.
Gerade für ältere Menschen, denen das Gehen schwerfällt, sind-
zeitliche Koordinationsprob]eme beim Aussteigen absehbar:
entweder wird der Ausstieg zu früh angegeben oder zu spät:
"zisch" schließen die Türen und der Bus fährt weiter. Da der
maschinelle Dialog einige Sekunden dauert, ist zudem
Gedränge bei vollen Bussen zu erwarten.
Der Versuchsbetrieb verzögerte sich aufgrund der deutschen
Gründlichkeit. Der finnische Hersteller hat sich vermutlich
gedacht "eine Software, die für ganz Finnland gilt, wird vom
Tarifschema auf einen Teil von Hessen Alpaßbar sein". Der
Hersteller irrte gründlich und grausam.
Eric ~ntendefJleuber
Nummer 57, Dezember 1996
Im historischen Rückblick auf deutsche Kleinstaaterei sind die
Gebührenmodelle der regionalen Verkehrsverbünde mit
Ausnahmebestimmungen an den Grenzen der Tarifgebiete
jedoch erheblich komplizierter als alle Zollsysteme des
Mittelalters. Im Oktober 1996 war es geschafft und die pilzför-
mig gewachsene Software in den Automaten war in der Lage)
den Fahrpreis zu ermitteln - zumindest für Marburg.
Örtliche höhere Versuchstiere fuhren Probe mit den Karten, dar-
unter Redakteure der Lokalpresse. Ende Oktober war es dann
soweit und die Umschaltung vom Versuchsbetrieb zum
Regelbetrieb erfolgte. Doch weil die Umstellungsphase über
Wochenende lief, gab es lustige Szenen.
Versuchstiere mit der Karte hielten sie wie bisher gegen den
Automaten, aber da ging die rote Lampe an und es bimmelte
fürchterlich. Alle Fahrgäste schauten auf den Mann am
Automaten, der wieein Chamäleon sich mit der Lampenfarbe
zu tarnen versuchte. In Richtung zum Busfahrer stammelte er
"gestern ging es noch". Der Busfahrer drehte sich um und sagte
"Sie dürfen mitfahren" und der Mann am Bimmelpranger such-
te sich, noch immer leicht verschüchtert, einen Sitzplatz.
Ab 04.11.96 konnten Karten für fünf DM "Pfand" in Besitz
genommen werden. Der Begriff "Pfand" legt nahe, daß sie
Eigentum des Verkehrsverbundes bleiben ebenso wie
Einkaufswagen bei ALDI.
"Aufladen" kann der Busfahrer die Karten bis 50 DM; Verkaufs-
stellen der Stadtwerke bis 400 DM. Das ist ausreichend für den
Fahrpreis beim Schwarzfahren. Die Kontrolleure haben Geräte,
mit denen sie prüfen können, ob die Karte beim Einsteigen an
den Automaten gehalten wurde. Die Frage, ob Kontrolleure
auch gleich das "erhöhte Beförderungsentgelt" von der Karte
abziehen, erübrigt sich. Denn sie könnten Karten einbehalten,
weil sie ja Eigentum des Verkehrsverbundes seien und als
"mißbräuchlich nicht benutztes Beweismittel" sicherstellen.
Die Geldkarte von Banken und Sparkassen
Das "Marburger Modell" ist nur eines der gegenwärtigen
Karten-Modelle, die das Recht auf Bargeld einschränken. Mehr
Erfolg am Markt, aber ähnliche Probleme bescheren die Karten
von Banken und Sparkassen.
Auf der "Zäbbit Home", Hannover wurde die "Geldkarte''
Ende August I 996 gut verkauft. Der erste Satz im
"Kleingedruckten" schaltet den Datenschutz ab: "Diese Karte ist
übertragbar". liladurch sind die Kartendaten Daten ohne
Ie 2ntendeß1euber
Nummer 57, Dezember 1996
auf