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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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8KB
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215 lines
Seite 42 Ausgabe 54 Ausgabe 54 Seite 43
An dieser Stelle hielt Brunnsteinein kleines
Co-Referat über seine Erfahrungen mit dem
Monopolunternehmen: Es existiert ein Fehlerer-
fassungssystem, ZVS 90, das ortginellerweise
ein internes und ein offizielles Protokoll
ausdrückt. Die internen Protokolle werden nicht
herausgegeben. Brunasteins Verärgerung war
ihm deutlich anzumerken, als er auch noch
erzählte, daß über die Telekom ein Gutachten
erstellt wurde, das offensichtlich aufgrund der
negativen Aussagen, die dort über die
Sicherheit des Telekornnetzes gastroffen
werden, von der Telekom nur für den internen
Dienstgebrauch freigegeben ist. Die Herausgabe
dieses Gutachtens wird recht merkwürdig
gehandhabt. So hat ein SPD-Politiker dieses
Gutachten in die Hände bekommen. Brunostein
meint, für diese Telekompolitik sind nicht die
Techniker verantwortlich, sondern die
Rechtsanwälte der Telekom.
Der Datenschutzbeautragte Königshofen ent-
gegnete, wenn Informationen zurückgehalten
würden, dann könnten dahinter nur einzelne
Mitarbeiter stecken. Dieses Verhalten sei nicht
die Firmenpolitik der Telekom.
An der Entwicklung des ZVS 90 war Ingeni-
eur Haag ebenfalls beteiligt.Die Protokolle, die
dieses System ausdrückt, sind extrem
intepretierbar und daher von nur geringem Wert
als Beweisstucke; unter anderem hängen die
Ergebnisse von der Temperatur ab.
Wau unterbrach an dieser Stelle die festgefah-
rene Diskussion und bedankte sich bei den Tele-
kommitarbeitern, dafür daß sie überhaupt zum
CCC erschienen sind. Er sagte, die Telekom sei
ihren Mitbewerbern in diesem Punkt um einige
Jahre voraus. Mit Aufhebung desTelekommono-
pols, werden neue Probleme mit noch unsiche-
rern Telekommunikationsnetzen auf uns zu
kommen.
Nun sprach Andy von Telefonkarten . Es ist
mittlerweile gelungen,Geräte zu bauen, die der-
Telefonzelle eine volle Telefonkarte vorspielen.
Er warf den Telekommitarbeitern vor,
undankbarerweise auf den Hinweis, daß dieses
möglich ist, mit der strafrechtlichenVerfolgung
der Hacker aus dem CCC-Umfeld zu reagieren.
Laut Haag war die Telefonkartentechnik bei
ihrer Einführung sehr fortschrittlich, und man
dachte, damit für mindestens zehn Jahre Ruhe
zu haben. Es werde bereits an der Nachfolger-
karte gearbeitet, die dann nicht mehr zu
knacken sein soll. Außerdem ist Haag der Mei-
nung, daß keine Hacker verfolgt werden,
sondern nur professionelle Betrüger. Diese
rufen bei ihren Kumpanen in Obersee an, die
dort als Information-Provider gemeinsam mit
den Ausländischen Telekommunikationsgesell-
schaften Geld von der Telekom für die geführ-
ten (und nicht bezahlten) Gespräche kassieren
In den folgenden Fragerunden wurden mehre-
re konkrete Probleme angesprochen, Zuhörer
hatten festgestellt, daß es Telefonzellen gibt, die
bereits jetzt nach den neuen Gebühren, die 1996
eingeführt werden, abrechnen. Dafür haben
andere Teilnehmer von ihren Vermittlungsstel-
len mitgeteilt bekommen, daß die neuen
Gebühren bei ihnen erst Mitte 1996 eingeführt
werden. Zunächst stritt Haag dies ab, aber als
ihm dasTelekomschreiben präsentiert wurde,
griff er zum Kuli und versprach, eine Liste der
betroffenen Vermittlungsstellen herauszugeben.
Nachdem jetzt bereits das Zeitlimit für die
Diskussion überschritten war, kam auch der T-
Online Vertreter zum 2:ug. Stolz berichtete er,
daß sein Dienst seit einer Woche
flächendeckend Zugänge mit 14.400 bps hat; es
ist außerdem geplant, die Onlinegebühren für
das Internet um die Hälfte zu reduzieren. Prof.
Brunastein riet ihm, sich warm anzuziehen,
denn er rechne damit, daß die unsicheren Tele-
banking-Dienste überfallen werden. Besonders
ärgert Bruunstein, (der auf dem CCCongress
bereits einen Vortrag über Computerpannen
gehalten hat), daß weder die Telekom noch die
Banken ihre Kunden vor den Gefahren des
Telebankings warnen.
tc ~teade41cu~c' - Das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende
2tc ~elßc~leuber - Das wissenschaftliche Fachblatt für lötratenreisende.
V'el Neues wurde bei der Diskussion nicht
herausgearbeitet.Erfreulicherweise scheint sich
aber ein besserer und freundlichererKontakt
zwischen den ehemaligen Erzfeinden Telekom
und CCC anzubahnen.
Podium:
Jürgen Haag (jUrgen.haag@telecom.dbd~de)
Andy Müller-Maguhn (andy@ccc~de)
Matthias Lehnhardt
Krischan Jodies (l~rischan.jodies@9link-
goe.zerberus.de)
Emall-Emanzipation gegen
Digitale Diskriminierung
In einem einleitenden Vortrag sprach Doris
Kretzen mehrere aktuelle weltweite
Entwicklungen an: Zunächst zunehmen die
Bestrebungen von selten der Regierungen, die
Kommunikation auf den elektronischen Daten-
netzen zu kontrollieren: der Clipperchip, mit
dem dieUS-Regierung die Verschllisselungs-
codes für das gesamte Gebiet der USA
vorschreiben wollte, ein Versuch, der auch in
Europa Parallelen hat; der Communication
Decency Act, dessen Durchsetzung mit Hilfe
von Scanprogrammen heftig kritisiert wird. So
wurden bereits ernsthafte Diskussionen
unterbrochen, weil sie ein Wort enthielten, das
sich auf dem "Index" befindet (z.B. eine
Diskussion über Brustkrebs: "breast" ist
indiziert; ein Forum für Lesben wurde
gestrichen, weil das Wort"girl" auf Kinderpor-
negraphie-Hinweise...).
Dann kam die Referentin auf die Darstellung
der Datennetze in den Massenmedien zu
sprechen, wo ein die Realität verzerrendes Bild-
gezeichnet wird, indem der Anteil von
Pornographie am Datenverkehr und auch das
Interesse daran stark übertrieben wird. Artikel
wie im TimeMagazine, die aufgrund von reiße-
risch angekündigten (und methodischfragwürdi-
gen) Studien von einem Anteil von bis zu 83%
sprechen, sind ein Beispiel dafür.
Das aktuellste Problem in Deutschland ist
allerdings der Lotwurf für das neue
Telekommunikationsgesetz (TKG), nach dem
jeder Systembetreiber für den Inhalt der Datei-
en, die auf seinem Systemvorliegen, rechtlich
verantwortlich ist.
Die neugegründete AG EDV der bayrischen
Polizei fahrt seit diesem Frühjahr regelmäßig
Razzien beiMailboxen durch, weil Verdacht auf
Verbreitung von RaubLopien,pomographischen
Daten und Werbung ftir indizierte Spiele beste-
he*Trotz vieler solcher Aktionen ist jedoch noch
fast keine Anklage erhoben worden. Eine Raz-
zia bei CompuServe hat allerdings zur
Schließung einiger betroffener Newsgroups
geführt. Um nicht geschlossen zu werden, strei-
chen deshalb viele Mailboxen schon vorsorglich
entsprechende Bretter aus ihrem Programm.
Diese Haltungwurde von einigen Teilnehmerin-
nen des Workshops heftig kritisiert: Damit
werde eine grundsätzliche Stellungnahme zu
Pornographievermieden. Eine Sysopin dagegen:
Die Würde der Frau steht in diesem Fall oft
hinter der Angst vor Schließung zurück.
Die Teilnehmerinnen des Workshops standen
der Frauenfeindlichkeit in den Datennetzen sehr
ruhig gegenüber: Offener Sexismus und dumme
Anmache per Mall ist extrem selten, im öffent-
lichen Bereich könne frau sie leicht ignorieren,
Die angebotenen Bilder sind gelegentlich nur
harmlose Zeichnungen (einen erstaunten Lacher
wert war die Bemerkung, daß pornographische
Bilder offenbar oft auch einfach als internatio-
nales Zahlungsmittelfür die Weitergabe von
Programmen o.ä. dienten), Anmache ist oft nur
ein Austesten der Grenzen und wird von den
Frauen nicht ernst~genommen.Wo Frauen sich
von Männern ungestört unterhalten wollen, zie-
hen sie sich einfach in Frauenmattboxen Zureck
- auch ein Grund Für die vielbeklagte Abwesen-
heit der Frauen in der Netzöffentlichkeit. Das so
aufgebaute Selbstvertrauen zeigt sich dann in
der zunehmenden Zahl von Sysopinnen. Doch
auch die Männer scheinen durch das Auftreten
von Prauen in den Netzen langsam zu einer
Verhaltensänderung bewegt zuwerden.