home
***
CD-ROM
|
disk
|
FTP
|
other
***
search
/
Chaos Computer Club 1997 February
/
cccd_beta_feb_97.iso
/
chaos
/
ds54
/
ds54_11.txt
< prev
next >
Wrap
Text File
|
1997-02-28
|
7KB
|
199 lines
Seite 10
Ausgabe 54
Verachlüsselungsverbot:
der Stand der Debatte
Briefumschläge werden seit altersher verwen-
det, Postspionage gibt es auch schon eine
geraume Weile Ziemlich früh kamen die Kom-
munikationsabhängigen auf den Trick mit dem
Siegelwachs, die etwas Schlaueren benutzten
primitive Verschlüsselungsverfahren, die heut-
zutage unter dem Begriff Verschleierung laufen.
Die Briefumschlage für das e-mall-Zeitalter
heißen RSA, IDEA oder PGP und haben eins
gemeinsam: bei genügender Schlüssellange
wird das heimliche Mitlesen extrem schwer bis
unmöglich. Was tun ?
Organisiert bombenlegende
Drogenhandelsnazikriminelle müssen
schließlich überwacht werden. Das Beste ist,
Briefumschläge einfach für alle zu verbieten.
So dachten jedenfalls die verantwortlichen
Sicherheitsbeauftragten in Geheimdiensten und
Beratergremien. Um die Öffentlichkeit nicht all-
zusehr zu beunruhigen, erfand man in den USA
den bedingt durchsichtigen Briefumschlag und
nannte ihn Clipper-Chip. In mehr diktatorisch
verfassten Staaten wie Rußland und Frankreich
machten sich die Großen Führer nicht allzuviele
schlaflose Nächte und verboten das ganze Teu-
felszeug einfach. Wer dort verschlüsseln will,
braucht einen regierungsamtliche Lizenz und
muß, weil der Staat ja dortzulande bekanntlich
absolut vertrauenswürdig und korruptionsfrei
ist, seine Schlüssel bei einer entsprechenden
Behörde hinterlegen.
In Deutschland ist der Umgang mit
Verschlüsselung in den letzten Jahren eher
uneinheitlich. Einerseits wurde mit dem BSI
eine Behörde geschaffen, die als zentrale Zerti-
fizierungs- und SchlüsselLortungsstelle fungie-
ren könnte, wenn alles außer staatlicherseits
zertifizierte Verschlüsselung verboten wäre.
Andererseits ist Verschlüsselungstechnik späte-
stends seit der Enigma ein deutscher
Exportschlager.
Die wichtigste deutsche Firma für derartiges
Gerät, die Crypto AG, sitzt in der Schweiz; der
Eigentümer ist die Bundesrepublik. Der Bereich
Yerschlüsselungstechnik nimmt bei
Unternehmen wie Siemens, Bosch oder Alcatel
einen immer größeren Stellenwert ein,
insbesondere im Exportgeschäft. Insofern hat
die Industrie nur ein sehr begrenztes Interesse
an einer restriktiven Handhabung des Problems,
Volkswirtschaftlich betrachtet ist das Risiko,
durch unzureichende Verschlüsselung bevorzug-
tes Opfer von Industriespionage durch gut aus-
gerüstete Konkurrenten oder ausländische Dien-
ste zu werden, nicht vertretbar.
Wie Beispiele in der jüngsten Vergangenheit
(z.B. der Verlust eines großen Bahnprojekts in
Südkorea durch ein offenbar abgebörtes
internes Fax) zeigten, können die Schaden
durch Nachlässigkeit in diesem Bereich erheb-
lich sein.
Das sehen die Bürokraten in der EG nicht
ganz so und auch in diversen deutschen Sicher-
heitsbehörden ist man sich noch nicht ganz
sicher, ob denn nun jeder die wirklich guten
Briefumschläge benutzen dürfen sollte. Daß
Verschlüsselung bereits inkriminiert wird, zeigt
sich meist nur in kleinen Detalls. So wurden
etwa bei Hausdurchsuchungen gegen das
angebliche Umfeld der in Deutschland verbote-
nen Autonomen-Postille "radikal" vor allem
Rechner mitgenommen, auf denen Verschlüsse-
lungssoftware installiert war.
Die Konferenz der Justizminister registrierte
bereits Handlungsbedarf (siehe Dokumentation
Seite 6).
In Brüssel werden gerade, vorerst noch halb-
herzig, europäisch~inheitliche Regelgungen
zur Verschlüsselung debattiert. Wegen der allge-
mein bekannten Unfähigkeit der deutschen Ver-
treter altdort und der ebenfalls bekannten hart-
näckigen Neigung insbesondere der Franzosen,
ihre nationalen Sicherheitshobereien europaweit
auszudehnen, könnte sich auch dort problemati-
sches Zusammenbrauen.
- ' Ecken - Das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende
Cup
Aus abe 54
g ... -
Seite 11
Wenn man bedenkt, daß die EU-Kommision
zur Zeit ernsthaft darüber verhandelt, eine
europäische Quotenregelung im Intemet einzu-
führen, ahnt man da möglichen Damokles-
schwerter. (Da das Intemet ein Broadcastmedi-
um ist, muß es ja schließlich unter die EU -
Regelungen für Fernsehsender fallen, und die
müssen offziell ihr Programm mit 51% europäi-
schen Produktionen bestücken. In der DDR
mußten die Radiosender auch 6095 Ostmusik
spielen...) An entsprechender Aufklärungs- und
Lobbyarbeit in Brüssel besteht offenbar massi-
ver Bedarf.
Die letzten Nachrichten aus den USA
besagen, daß der Clipperchip dank des
anhaltenden Widerstands der Bürger- und
Cyberrechtsgruppen kaum Akzeptanz findet.
In Senat und Repräsentantenhaus wurde gera-
de eine parteiübergreifende Gesetzesinitiative
eingebracht, die ein deutliche Entschärfung der
Restriktionen gegen den Export halbwegs siche-
rer Cryptoprodukte vorsieht. Die Chancen die-
ser Initiative sind bei Redaktionsschluß noch
nicht beurteilbar, da sie von relativ wenigen
Parlamentariern eingebracht wurde.
Im Lichte der Einstellung des Verfahrens
gegen den PGP-Autor Phill Zimmermann
scheint sich aber einiges zu bewegen.
Bestimmendes Diskussionthema in den USA ist
aber z.Z der Communications Decency Act
(CDA), kurz auch Internetzensurgesetz genannt.
frank~ccc.de
Hagen-Hultzsch = PIC 16C84 - 10 Mhz
Tenzer = 74HC158
Dr Sommer = 74HC125
Generaldirektion Telekom
Tel. 022B-181-0, Fahr 022~181-8872
Guotenregelung für'e Internet?
BRUSSELS, BELGIUM, 1996 MAR 1 (NB)
─The European Coramission (EC) is wortring
on a series of proposals that will impose
controls on the Internet, Newsbytes has learned.
Ihe pan-European controls being designed aim
to limit new Multimedia Services on the
Internet, forcing the "broadcasters" to ensure
that the material they are handfing is legal and
decent. Perhaps more importantly, the proposals
seek to impose the same controls on Internet
Services as with general broadcast senices,
such es TV transmissions. These controls man-
date that 51 percent of the "transmissions" ori-
ginate from wirhin the EC. The extension of
existing broadcast and transmission proposals
to embrace the Internet neatly Eidesteps the pro-
blem of Starring a complete new Set of lsws
relating to the Internet. It could also Speed up
He time talken to push such legislation through
the European Parliament. The proposals have
upset the European broadcasting community, as
wen as some Internet senice providers. A coeli-
tion of some 40 organizations is now lobbying
the EC to try and Persuade MEP (Members of
the European Parliament) from legislating on
broadcast and multimedia Services. Although
the aim of the proposals is to lessen the number
of times that nen-EC TV Programmine, such as
Prisoner Cell Block H, Neighbors and Beverley
Hills- 90210, is shown on European TV
channels, the effect on Intemet Service
providers (lSPs) could he to limit the US output
on the Internet, including Usenet messages, to
European users of the Internet, unlese the ISPs
can Show that at least 51 percent of the
"programs" on the Internet originale from wit-
hin the EC itself.
[Press Contach
Europaan Commission +32-2-299-1111
Suk Untat─Ienitr - Das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende.