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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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7KB
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188 lines
Seite 20 Ausgabe 51 Ausgabe SlSeite 21
Und so ließ Dr. Christian Schwarz:Schilling,
bleischwere Altlast bei aktiver Einschränkung
von Menschenrechten, die "zu kleinen Sat-An-
lagen" ungeschoren.
In der Februar-Ausgabe des UNESCO-Ku-
rier mit dem Titel "Wohin führt die Medien-
Explosion6' schrieb nicht nur der Leiter der
UNESCO-Verrechnungskasse für Dokomenta-
tion, EDV und Telekommunikation einen all-
gemeinverständlichen Beitrag über das
INTERNET, sondern Sadok Hammami im Bei-
trag "Monopole, Minarette und Videos" über
"li)ie Kochtopfstrategie":
>~>In diesem Zusammenhang können drei
Strategien unterschieden werden. Die erste be-
steht darin, heimlich andere Netze anzuzapfen,
was im Mahgreb wegen der Nähe zu Europa
gängige Praxis ist. In Tunesien wurden bei-
spielsweise in den 80er Jahren recht eigentüm-
liche Empfangstechniken entwickelt. Indem
man ein Metallteil, im allgemeinen einen Koch-
topf, an einer Fernsehantenne befestigt, kann
man normalerweise die italienischen Program-
me empfangen. In Algerien empfangen sechs
bis acht Millionen Menschen dank selbst-
gebastelter "Kabelnetze" europäische Fernseh-
kanäle. Das Staatsmonopol wird aber haupt-
sächlich durch den Videorecorder (die "alter-
native Kommunikation") umgangen, der für die
arabischen Zuschauer das bevorzugte Zugangs-
mittel zu Programmen ist, die, weil verboten,
umso begehrter sind....<c (aus: UNESCO-
Kurier 2/95, Seite 23; Bezug: Colmantstr. 15,
D-53115 Bonnz, Einzelexemplar OM 5,20)
Mal abgesehen vom Süden, wo zumindest
die Mittelschicht bereits damals Zugriff auf Vi-
deorecorder hatte, war die Medienzensur im
Osten irgendwie strenger als im Süden und jetzt
ist sie "weg".
Doch statt der erhofften Meinungsfreiheit hat
die Gewerbefreiheit gesiegt. Die Kauflcraft ist
jedoch im Osten noch eher gering und u.a. pol-
nische Mediengesetze stehen dem Markt-
penetrationsdrang gewisser Medien-Fürsten im
Wege. Doch es gibt Umwege. Eine
Umgehungs-Trasse im Weltall für den polni-
schen TV-Markt beginnt in Italien.
Im Lande Berlusconi ist Sender POLONIA I
lizensiert. Der Satellit steht über dem Äquator
und ist auch in Polen empfangdar. Da unver-
schlüsselt gesendet wird, ist der Empfang "frei".
Wer mal "vergleichende Reklame", die in
Deutschland (noch) verboten ist, sehen will, kann
das auf POLONIA l nur tun, sofern er Sat-Direkt-
empfang betreibt - denn in Deutschland ist die
Einspeisung solcher Sender in Kabelnetze "ver-
boten" - zumindest behaupten das BRD-Zensur-
behörden namens Landesmedienanstalten noch
immer. Am Rande des CC~ gibt es allerdings
schon Überlegungen, wie sich Landesmedien-
anstalten freiwillig selbst auflösen können, be-
vor sie an Schadenersatzforderungen bankrott
gehen - das ist ein anderes Thema...
Es gibt jedoch viel mehr "Pay-TV" für den
Osten als "Reklame-TV" wie POLONIA 1. Denn
es mindert die Konflikte zwischen den "Neuen
Reichen" im Osten und den "AltenArmen", wenn
der Reklameplunder derTV-Stationen für "Home
Order" verschlüsselt ausgestrahlt wird. Materi-
ell minder bemittelte "Ossis" wären höchstens
empört, wenn sie Reklame sehen, wo "Neue
Reiche" HOML-TRAINER kaufen sollen, um ihr
überflüssiges Fett in einer Heim-Tretrnühle mit
Wirkungsgrad Null abzugtrampeln, während die
"Alten Armen" sich in der Trennühle des All-
tags müde strampeln (die Nennung von "Murks-
namen" dieser Enkopie-Maschinen unterbleibt
hier, um keine Milliarden-Prozesse gegen diese
Zeitschrift zu riskieren).
Derzeitiges Pay-TV verschleiert oder ver-
schlüsselt das analoge TV-Bildsignal. Das Ton-
signal wird "selten" verschlüsselt, aber oft, wenn
gestöhnt wird: bei den Tele-Peepshows.
"Verschleiert" wird das seriöse Elild der NL-
Sender RTL4 und RTL5 wegen der nur für NL
eingekauften Spielfilm-Verbreitungsrechte. Da
jedoch Spielfilme in "Originalfassung" mit den
"Originalstimmen" der Darsteller besser sind als
Synchronisationen, ist eine "Entschleierung" für
multikulturelle Fremdsprachenbeherrscher in
West und 0st angenehm. Für die "üblichen" NL-
Versionen wie "Goede tijden- siechte tijden`'
oder "Mijn dochter en ik" jedoch lohnt nicht ein-
mal der geringe Dekoder-Hardwareaufwand. In
Ne ~nten~chleuber - Das wissenschaftliche
Fachblatt für Datenreisende ~
r
Polen waren bereits in den 70ern Rockgruppen
so locker drauf wie heute die "Techno-Szene".
Deshalb werden in Polen hergestellte RTL4/5-
Dekoder in Deutschland teils schon für unter
l00 DM angeboten (eine Bauanleitung ist für
eine spätere Datenschleuder geplant; Einsen-
dungen/Anregungen sind inThüringen willkom-
men... ).
Das Öffnen eines Schlosses ist schwieliger
als das Lüften eines Schleiers und deshalb wird
bei "'ichtigem" Pay-TV verschlüsselt. Es gibt
jedoch nicht nur sogenannte ,~Sicherheitsschlös-
ser", sondern auch "Unsicherheitsschlösser"
und "Nachschlüsseldienste".
Wer betrachtet, wie "verschlüsselte" TV-Bil-
der aussehen, bemerkt zwei Elemente: der Zei-
lenende-Puls ist "gestört" und die Reihenfolge
der Zeilen ist ein "Dauerpuzzle", sie sind "ir-
gendwie" vertauscht.
Bei "PAL" wird nur eineTV-Zeile "gemerkt"
und mit der vorigen verglichen. Wenn man sich
den Farbverlauf eines Regenbogens als Kreis
vorstellt, kann die "aktuelle Farbe'` als Winkel
oder Uhrzeiger betrachtet werden. Bei PAL
"geht" die Farbuhr in einer Zeile linksrum und
in der nächsten Zeile rechtsrum. Das hat den
Vorteil, daß "systematische" Störungen im TV-
Signal sich von Zeile zu Zeile genau gegentei-
lig auswirken und wenn man darüber länger
brütet. leuchtet ein, daß dieses Verfahren Stö-
rungen vermindert (das USA-System NTSC
wird auch "NeverThe Same Color" genannt und
braucht einen Farbkorrekturdrehknopf). Wenn
man sich einen "Farbstörer" denkt, der sich an
die PAL-Farbuhr hängt, sodaß sie ~,vorgeht", hat
dieses Verhalten in der nächsten Zeile zur Fol-
ge, daß die Farbuhr ebensoviel "nachgeht'i, wie
sie in der Zeile vorher"vorging". Und wenn man
jetzt bunte PAL-Zeilen "irgendwie" vertauscht.
ohne auf gerade und ungerade Zeilen Rücksicht
zu nehmen, kommt "irgendwas`' in schwarz-
weiß heraus. Das erklärt, warum die verschlüs-
selten TV-Programme so "unbunt" aussehen.
Begonnen hat das ganze Krypto-Spiel zu Zei-
ten derAchtbitrechne~: "Damals" gehörte schon
eine "Verzögerungsleitung" für eine TV-Zeile,
wie sie für PAL gebraucht wurde, zu den mitge-
brachten "Schätzen", über die sich die Ver-
wandtschaft in derDöR beiwestbesuchen freu-
te - die meisten anderen Bauteile für "PAL-West-
bunt`4 gab es auch im Ostblock, der die franzö-
sische Norm SECAM benutzte l"wir brauchen
eine eigene Atombombe und eine eigene Fern-
sehnorm und sind auch sonst eigenartig", so die
Parallele zwischen Frankreich und dem Ost-
block).
Erst die "Rechentechnik" brachte die grund-
legende Veränderung beim Übergang von der
"Verschleierung" zur"Verschlüsselung". Ana-
loge Verfahren zur Sprachverschleierung wie
etwa Freqüenzinvertierung hatte zur Folge, daß
es Menschen gab, die lernten, "mit bloßem Ohr"
`~..~' ~
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~it ~nten~c~lcuber - Das wissenschaftliche Fachblatt für Date~eisende ~