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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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217 lines
Seite 12
Ausgabe 51
Behörde und Hoflieferanten: die Hoflieferan-
ten hielten sich ihre Entwickler und führten dann
Seiner Herrschaft die neuen Spielzeuge vor und
wenn sie Gefallen fanden, durfte ein Post-
höruchen draufgeklebt werden.
Aus dieserTraditionfolgt, daß dieTELEKOM
kein Markenartikel-Fabrikant war und keiner ist'
sondern höchstens eine Handelsmarke, die auf
fremde Entwicklungen früher Posthörnchen
aufklebte und heute ihr neues Logo. Zoll-
rechtlich begründet unter Umständen bei einem
importierten Handtuch das Annähen des Auf-
hängers im Zielland eine "Endfertigung". Und
weil die Lohn-Stück-Kosten in der BRD so hoch
sind, kann der "deutsche"Anteil (der Handtuch-
aufhänger) eine Wertschöpfung darstellen, die
mehr als 50% des Endpreises ausmacht. Bei
Faxgeräten der Handelsmarke TELEKOM ist es
auch nicht viel anders.
Zu einer eigenen Produktion hat es noch nicht
gereicht. Die FTZ-Umtaufe ist nicht mit dem
Handeln eines Unternehmens vergleichbar, das
für die Produkte der Zukunft Millionen in wis-
senschaftliche Forschung und Entwicklung
steckt.
Bei Forschung und Entwicklung war die
"Deutsche Post4' in den 30er Jahren weiter als
die BRD-Post in den letzten dreißig Jahren: in
den 30er Jahren wurde die Fernsehentwicklung
voran getrieben; es gab sogar ein "öffentliches
Bildtelefon". In den letzten dreißig Jahren hat
die D;ßP die technische Entwicklung eher be-
hindert und bestraft als gefördert. So im Rück-
blick betrachtet mancher Hacker, der vor zehn
Jahren bestraft wurde, weil sein Selbstbaum-
odem nachweislich amTelefon funktionierte, die
Prozeß- und Strafgelder als "surreale Prüfungs-
und Lizenzgebühren"; das ist besser als sich zu
ärgern.
Die Herstellung von Neuheiten, die Bedürf-
nisse wecken sollen, ist eine vorwiegend onter-
nehmerische Leistung, die viel Kapital erfordert
und die Übernahme eines beträchtlichen Risi-
kos verlangt. Genau dies kann die TELEKOM
A.G. bislang nicht aufweisen, sondern höchsten
ihre Kinderschühchen vorzeigen und ihren
Knüppel in den Sack packen (Knüppel verbren-
nen wäre sinnvoller).
MischkonzernTELEKOM
Seifen, Delikatessen und Klosettpapier unter
dem Leichenwarenzeichen anzubieten ist nicht
immer sinnvoll. Die TELEKOM A.G. muß ih-
ren Weg zwischen Dienstleister und Geräte-
händler noch finden.
Von der Reklame zur Werbung
Me Reklamebranche hat in der Regel eine
Gedächtnislücke, wenn es um den Begriff "We'
bung" geht. 1933 wurde das Wort "Reklame"
offiziell durch das Wort "Wirtschaftswerbung"
ersetzt und jede Wirtschaftswerbung wurde
staatlicher Aufsicht unterstellt.
Eine bis dahin führende Fachzeitschrift "Die
Reklame" bekam den Titel "Die deutsche Wer-
bung" und aus "Seidels Reklame" wurde "Wer-
ben und Verkaufen`'. Werner Suhr schreibt dazu:
"Besser wurden die Zeitschriften dadurch nicht"
(in. Markenartikel, Trumpf auf allen Märkten.
Verlag Moderne Industrie, München 1961).
Die TELEKOM A.G. erinnert an einen Sitten-
wächter der 60er Jahre, der sich von jeder
Wäscheanzeige herausgefordert zeigt. Sie
meint, mit einer Unterlassungsaufforderung dem
CCC e.V. einen juristischen Pflock ins Herz zu
stoßen im Sinne eines Schildes "Durchgang
verboten". Und was macht ein Hacker? Er baut
eine mehrspurige Umgehungsstraße.
(*I) wer sich über die nur kommagetrennte Zusam-
menstellung von BRD und DDR ärgert, sei daran erinnert,
daß noch l984 die Oberpostdirektion Köln einen Brief
von Harnburg nach Köln ohne Benachrichtigung von Ab-
sender oder Empfänger einbehieb, weil auf dem Umschlag
stand "enthält staatsfeindliche Hetze im Sinne des Straf-
geserzbuches der DDR"; der Empfänger erhielt den Brief
erst, als er den Beamten der Kölner OPD begreiflich ma-
chen konnte, daß es nicht Aufgabe der Bundespost der
BRD sei, das Strafgesetzbuch der DDR zu schützen.
warenzl ,txt
chic ~ntcn~chleu~cr - Das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende ~
Ausgabe 51
Seite 13
Berliner Reizwäsche löste einen
Skandal aus[snD~
Umfrage: Reaktionen auf die T-Shirt-Affä-
re und zur aktuellen Situation des Chaos Com-
puter Clubs" (bei Mitgliedern und Sympathisan-
ten):
Hartmut (Hamburg): "Rein juristisch hat die
Telekom recht, man muß sich nur überlegen, wie
man die T-Shirts trotzdem weiter produzieren
und verteilen kann, denn sie sind einfach zu geil
und viel zu schade zum einstampfen. Ich gehe
davon aus, daß jeder geprellte Telekom-Kunde
ein Recht hat, sie zu Hagen. Man sollte sich diese
rechtliche Möglichkeit einfach offenhalten. Zur
Siuation des Clubs: Die Netze sollten uns zwar
Transparanz schaffen, aber die Personen, die die
Verantwortung tragen, haben dies wohl offen-
sichtlich nicht richtig genutzt; die Linke wußte
nicht mehr, was die Rechte macht. So ist keine
Netztransparenz mehr gegeben. Es muß in er-
ster Linie in den Köpfen gearbeitet werden, denn
die Technologie ist da, auch wenn sie teilweise
nervig ist, aber sie ist wichtig."
Andy (Berlin): "Ich finde die T-Shirts völlig
in Ordnung, sie haben im gewissen Sinne auch
erreicht, was sie sollten: Die Kritik an der
Telekom auf den Punkt zu bringen und nach
außen zu tragen. Die Situation des Clubs ist
desolat und die Strukruren dadurch daß viele
im Berufsleben stehen reformbedürftig. Aber es
gibt hoffnungsvolle Ansätze beim Nachwuchs,
denen man nachgehen muß."
Präsident Wau (Martinroda): "Dummheit
gehört bestraft. Wer die Telekom mit der For-
mulierung T-Shirts ... mit original magenta/
graut einlädt, braucht sich nicht zu wundern,
wenn der Partner die Einladung annimmt und
mit einem Jura-Knüppel teuer zuschlägt. Ein
Hacker hätte sowas formuliert wie'lila und grau
unterscheiden sich deutlich vom Original',
selbst wenn man darüber streiten könnte. Zur
Zukunft des CCC: Die Geheimdienste haben es
nicht geschafft, den CCC zu zerschlagen. Das
Vorgehen eines einzelnen Erfakreises war für
den ganzen eV bedrohlich. Die Telekom hat
praktisch vorgeführt, wie sich aus dem CCC e.V.
locker 6000 Mark abschöpfen lassen (halbe
Anwaltskosten der Telekom und ein knappes
Dutzend Leute ca. 4000 Marktelefon- und Fax-
kosten in der T-Shirt-Sache) - das geht bei ei-
nem ehrenamtlich arbeitenden Laden empfind-
lich an die Substanz des Vereinsvermögens und
an die Kraft und das Winzvermögen der einzel-
nen Helfer. Aber der Preis hat einen Gegenwert:
es gibt wieder einen Kreis, der weiß, auf wen
man sich verlassen kann, wenn es 'eng_ wird.
Und das hat den CCC gestärkt und den Unter-
schied zwischen gesellschaftlichen Perspekti-
ven und Kinderspielkram schärfer herausgear-
beitet- auch und gerade bei den Helfern, die
bei derT-Shirt-Sache konstruktiv mitarbeiteten,
aber Wert darauf legen, nicht im CCC e.V. zu
sein und nicht hinein zu wollen. Diese Zukunfts-
aussichten stimmen mich froh."
Frank (Berlin): "Ich finde, daß man zu
schnell nachgegeben hat, zu unkritisch mit der
Telekom umgegangen ist. Ansonsten sind die
T-Shirts ok. Solche Situation zeigen auch, daß
mit der Struktur irgendetwas nicht in Ordnung
ist, daß der Club nicht auf solch eine Situation
vorbereitet ist."
padeluun (Bielefeld): "Die T-Shirts sind toll
und ich halte sie für richtig und wichtig. Es ist
nicht einzusehen, daß die Telekom sich so weher,
ich glaube nicht, daß sie es nötig hat, denn die
T-Shirts regen ja eigentlich zur Diskussion an.
Gerade in der heutigen Zeit, wo wir uns fast nur
noch mit Pictos auseindersetzen, da ist es ein
verbürgtes Recht, daß ich solche Dinge als Kri-
tiker einsetzen kann. Wir haben inzwischen auch
gelernt, daß man Gravenreuth-(]utachten nicht
immer trauen kann. Direkte Konsequenzen aus
derAffäre' Nein. Ich kenne zwarnicht alle Hin-
tergründe' aber es sollte künftig mehr Abspra-
che erfolgen, die Zentrale sollte in Hamburg
bleiben - es fehlt nur dort ein Mensch, der die
Arbeit macht."
Cathrin (Leipzig): "Es ist eigentlich traurig,
daß die Deutsche Telekom sowenig Humor hat.
Auch vom Club war es blauäugig, sich bei der
schwachen Finanzlage und der schlechten
Rechtsberatung im Vorfelde mit der Telekom
einzulassen. Der Skandal hat gezeigt, dal3 der
Wie ~ntcn~rblcuDcr - Das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende In,