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2023-02-26
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14KB
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440 lines
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ROCKFORD-MAGAZIN 09 TEXTFILE 10.03.1995
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WISSEN IST MACHT: NAZISOFT AN SCHULEN
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"Braune" Software
=================
Ueber den Tausch von Disketten mit
rassistischem und rechtsradikalem
Inhalt in Schulen.
Stadtschuelerrat - Schulen der Stadt
Fulda Informationsdienst
Sehr geehrte Damen und Herren, wir le-
gen Ihnen heute das Umfrageergebnis
unter Schuelerinnen und Schuelern einer
Stadt mit rund 60000 Einwohnern vor,
das unseres Wissens in der Bundesre-
publik erstmals den rechtsradikalen
Softwaremarkt in Schulen beleuchtet.
Ende vergangenen Jahres hatte der
Kultusminister von Hessen die
Schulleiter gefragt, ob auf Schulhoefen
rechtsradikale und rassistische
Computerspiele als Raubkopien getauscht
und gehandelt werden. Nach Auskunft der
Schulleiter an den rund 2000 Schulen
unseres Landes sollen solche Disketten
nur an vier Schulen aufgetaucht sein.
Wir wollten es genauer wissen und haben
mittels eines Fragebogens in den
angehoerigen Schulen des
Stadtschuelerrates Fulda (SSR)
nachgefragt. Das Ergebnis: An jeder
Schule werden rechtsradikale,
rassistische und menschen-verachtende
Computerspiele getauscht und gehandelt.
77% der Schueler/innen, die einen
Computer besitzen, kennen diese Spiele.
Hauptumschlagplatz fuer den Tausch und
den Handel mit Computerspielen ist die
Schule. Nach unserer Umfrage stellen
die Computerspiele wirklich ein schul-
isches Problem dar. Mit dem Ergebnis
liegen wir im krassen Gegensatz zu den
Erkenntnissen des Kultusministeriums.
Darin wird deutlich, dass der Dienstweg
zur Erhellung von Schueler/
innenproblemen an Schulen nicht
geeignet ist. Aus unserer Sicht
empfiehlt es sich, die Schuelerver-
tretungen in aehnliche Angelegenheiten
zukuenftig mit einzuschalten.
Auf den Stadtschuelersitzungen wurde
aus den Beitraegen der Mitglieder deut-
lich, dass die Schulleiter/innen die
Existenz der Computerspiele nicht wahr-
haben wollen, obwohl ihnen Schueler/
innen zu dem Zeitpunkt schon offiziell
diese Probleme eroertert haben. Bei den
Schueler/innen fuehrte dies zu dem
Eindruck, dass es den Schulleiter/innen
wichtiger sei, eine heile Schulwelt zu
demonstrieren, als auf unliebsame
Entwicklungen zu reagieren.
Der Wunsch nach einer heilen Schulwelt
scheint auch den Ablauf der Umfrage des
Kultusministeriums beeinflusst zu ha-
ben. Bereits im vergangenen Herbst
hatte der Pressesprecher der AG Unab-
haengige Lehrer (UL) im Lande Hessen,
F. Maywald, das Kultusministerium ein-
dringlich und ausfuehrlich ueber dieses
Problem informiert. Die daraufhin ini-
tiierte Umfrage verkuemmerte zu einer
Nachfrage bei den Schulleiter/innen,
die innerhalb einer Tagesfrist erledigt
werden sollte.
Unser Anliegen ist es, mit dem
Umfrageergebnis auf die sich daraus
ergebenden Probleme aufmerksam zu
machen.
Der allergroesste Teil der
Schueler/innen, die mit Computern
umgehen, kommt auch mit den
gefaehrlichen Spielen in Beruehrung.
Besonders bei den 9- bis 12-Jaehrigen
tragen die Spiele ganz erheblich zur
Bildung von Vorurteilen bei.
Diese Gefahr sollte unter keinen
Umstaenden unterstuetzt werden.
Auffallend ist, dass die Haltung zu
diesen Spielen offenbar auch sehr
geschlechtsabhaengig ist. Die Spiele
sind interessant, weil sie nicht den
Deutschen, sondern den Auslaendern die
Schuld fuer Probleme geben (Suenden-
bockmentalitaet). Obwohl die Mehrheit
der Befragten der Ansicht ist, die
Spiele stellen keine Gefahr dar, zeigt
sich bei den aelteren Schuelern schon
eher ein Problembewusstsein. Die
ueberwiegende Zahl der Schueler/innen
sieht eine Loesung der Probleme
zwischen Deutschen und Auslaendern nur
im gemeinsamen Handeln.
Wir fordern keine haerteren Gesetze
oder gar Strafen. Vielmehr ist unser
Anliegen, dass Eltern mit ihren Kindern
die Computerspiele diskutieren und
Lehrer im Unterricht die Gefahren
solcher Spiele problematisieren. Nicht
restruktive Massnahmen, sondern nur
selbstgewonnene Einsichten bewirken bei
Jungen und Alten eine
Verhaltensaenderung. Wir rufen nicht
nach der starken Hand des Staates,
sondern appellieren an das
Verantwortungsbewusstsein eines jeden,
paedagogisch taetig zu werden.
Mit freundlichen Gruessen.
gez. Matthias Heitzer,
Stadtschulsprecher
Ergebnis der Umfrage
1. Die Umfrage wurde an den
Mitgliedsschulen des SSR durchgefuehrt,
ausser an den beiden Sonderschulen und
der Atanasius - Kircher - Schule, die
z.Z keine Schuelervertreter/innen in
die Sitzungen des SSR entsenden.
Die Umfrage war fuer jeden freiwillig
und anonym. Auf Stadtebene beteilig-ten
sich insgesamt 903 Schueler/innen,
maennlich 588, weiblich 304, Alter ab 9
Jahren. 11 machten ueber ihre
Geschlechtszugehoerigkeit keine
Angaben. Im Folgenden wird erst die
Frage an die Schueler/innen und danach
das Ergebnis aufgefuehrt.
2. Kennst Du Computerspiele mit
rassistischem, rechtsradikalem, gewalt-
verherrlichendem Inhalt ? Ergebnis: 357
kennen Computerspiele mit
rassistischem, rechtsradikalem und
gewaltverherrlichendem Inhalt. Zu den
"Sachkundigen" gehoeren somit 357
Schueler/innen, die auf die Fragen 4.
bis 12. eingehen koennten.
3. Besitzt Du einen Computer ? Ergebnis:
462 besitzen einen Computer, 267 haben
einen C64/128, 95 einen Amiga, 42 einen
Atari und 58 einen PC. Fuer den C64/128
gibt es die meisten unter 2. genannten
Spiele.
4. Nenne einige Titel auf der Rueck-
seite und gib in wenigen Saetzen den
Inhalt eines Spiels wieder. Ergebnis:
264 nennen Titel der unter 2. benannten
Spiele und geben eine sehr detaillierte
Beschreibung auf der Rueckseite des
Fragebogens. Aus der genauen Wiedergabe
der Spiele ist zu schliessen, dass sich
die Schueler/innen sehr intensiv mit
den Spielen beschaeftigt haben muessen.
Die von Schueler/innen genannten Spiele
auf Diskette enthalten alle Aspekte der
Menschenverachtung, wie wir sie von
Videokassetten her kennen. In einigen
Punkten sind sie erweitert:
Verherrlichung der Nazi - Zeit, Ver-
folgung von Juden und Tuerken, die
Diskriminierung anderer Rassen und
Voelker, eine Neuauflage des 2.
Weltkrieges, der mit der Brutalitaet
der SS gewonnen werden kann usw.
Disketten mit solchem Inhalt, zumal als
Raubkopien, sind ueber Geschaefte nicht
so einfach abzusetzen und haben wohl
auch deshalb auf Schulhoefen und in
Klassen einen dankbaren Markt gefunden.
Hier einige Auszuege der Spiele, die am
haeufigsten genannt wurden: "Hitler -
Dictator". Zunaechst erscheint Adolf
Hitler, dann Hakenkreuze. Auf die erste
Frage: "Es klingelt an der Tuer und
Adolf Hitler steht draussen. Was machst
Du?", koennen vier Antworten gegeben
werden:
a) Mein Adolf !
b) Heil Dir mein Fuehrer !
c) Hau ab Du Jude !
d) Wir geben nichts !
Wird die Antwort b) gewaehlt, so folgt
die Feststellung: "Du bist ein an-
staendiger Deutscher !" Frage 2: "Stell
Dir vor, Du steigst in ein Taxi und der
Fahrer ist ein Tuerke! Was machst Du ?"
a) Ich steige ein und fahre mit.
Antwort: "Du elender Tuerkenfreund" b)
Ich nehme ein anderes Taxi. c) Ich
werfe eine Granate ins Taxi. Antwort:
"Das ist die wahre deutsche Loesung"
usw.
Eingestreute Juden- und Tuerkenwitze
lassen sich, nach Aussage von
Schuelern, darueber hinaus auf dem
Schulhof gut erzaehlen. Beispiel: "Auf
dem Marktplatz hat sich ein Tuerke mit
Benzin uebergossen und verbrannt. Die
Angehoerigen sammeln jetzt fuer die
Witwe. Fuenf Liter Benzin haben sie
schon zusammen."
"Der KZ - Manager" beginnt: "An das
deutsche Jungvolk! Wissenschaftliche
Studien haben festgestellt, dass das
miese Tuerkenpack die deutsche
Wirtschaft ruiniert und viele wichtige
Arbeitsplaetze besetzt. Wenn die
Parasiten dieses Landes vergast werden,
foerdert dies die deutsche Wirtschaft,
da dadurch die Arbeitslosigkeit sinkt.
Ausserdem sind diese Bakterien ekel-
erregend unsauber und muessen daher
radikal und systematisch vernichtet
werden." Das Programm simuliert den
freudigen Vorgang der Vernichtung.
Beim KZ - Manager muss man ueberlegen.
Nachdem der brave Hitlerjunge den
Tuerken erkannt hat, muss er rechnen.
Er hat ein festes Budget, mit dem er
moeglichst viele Menschen umbringen
muss. Da laufen Zahlen ueber den
Bildschirm. Ein KZ mit Gaskammern
kostet 250.000 Mark. In ein KZ gehen
300 Tuerken. Ein Tuerke kostet 700
Mark. Wer am zynischsten in diesem
Spiel kalkuliert, also am wirtschaft-
lichsten, kann sich vom Lagerarbeiter
bis zum KZ
- Manager hocharbeiten. Das Spiel endet
mit der Aufforderung, das Spiel in der
ganzen Welt zu verbreiten.
Beim "Ariertest" handelt es sich um ein
Frage- und Antwortspiel, das alles
juedische nach der bekannten dumpfen
Nazipropaganda verunglimpft und die
Antworten mit positiven und negativen
Arierpunkten bewertet.
Im "Tuerkentest" wird der Spieler unter
anderem gefragt: "Wo findet man Tuerken
?" Fuenf Antworten sind moeglich: "Auf
weggeworfenen Parkbaenken, in
Muellcontainern, ganz unten im Puff, im
Sozialamt und im KZ. Waehle
Hitlerjunge!"
5. Besitzt Du selbst die unter 2.
genannten Computerspiele? Ergebnis: 180
besitzen rassistische, rechtsradikale
und gewaltverherrlichende Computer-
spiele.
6. Aus welchen Gruenden beschaeftigst
Du Dich mit den Spielen? Die Antworten
waren vorgegeben und konnten angekreuzt
werden. Ergebnis: 180 mal - es macht
mir Spass, 132 mal - nur so zufaellig,
57 mal - es bringt mich zum Lachen, 11
mal - es staerkt mein Selbstwertge-
fuehl, 33 mal - die Aussagen der Spiele
entsprechen meiner Meinung, 53 - weiss
nicht.
7. Wurden Dir die Spiele auf dem
Schulhof, in der Klasse, im Verein
kosten-los oder gegen Bezahlung
angeboten? Ergebnis: 83 mal - auf dem
Schulhof, 104 mal - in der Klasse 39
mal - im Verein, 11 mal - privat.
Die Schule ist damit der Hauptum-
schlagplatz fuer die unter 2. gennanten
Raubkopien 186 erhielten die Disketten
kostenlos, 16 bezahlten dafuer. Aus der
Meinungsaeusserung geht hervor, dass
ein kleiner Teil von Schueler/innen
durch die Herstellung von Raubkopien
betraechtliche Gewinne erziehlt.
8. Werden die unter 2. genannten Spiele
auf einer Diskette oder auf einer
Diskette mit anderen Spielen verbrei-
tet? Ergebnis: 208 gaben an, die unter
2. genannten Spiele auf einer Diskette
mit anderen Spielen erhalten zu haben.
73 erhielten Disketten nur mit unter 2.
genanntem Inhalt. Die unter 2.genannten
Spiele kommen in zwei Variationen auf
den Markt: sie befinden sich auf den
Disketten mit anderen Spielen oder
werden komplett angeboten. Der
Hersteller von Spielen kommt auf seine
Kosten durch den Verkauf und durch die
Finanzierung Dritter, die an der
Verbreitung der Disketten interessiert
sind. Werden neue Spiele angeboten, so
schliessen sich zu Beginn des Vertrie-
bes sechs oder acht Schueler zu-sammen,
um die Raritaeten zu erwerben. Nicht
selten verkauft dann jeder von ihnen
die Raubkopien mit einem kleinen Gewinn
weiter. Die Verbreitung erfolgt ueber
Mundpropaganda waehrend der Pausen oder
in der Klasse. Die Vernetzung innerhalb
der Schule laesst keine Computerbe-
sitzer ausser acht. Spiele gibt es fuer
alle Systeme. Die Vernetzung reicht in
andere Schulen ueber den Landkreis hi-
naus. An Nachmittagen und Abenden bil-
den die Vereine die Boersen, an denen
die gefaehrlichen Spiele gehandelt wer-
den.
9. Hast Du die Spiele zufaellig be-
kommen oder wurden sie Dir direkt ange-
boten?
Ergebnis: 191 bekamen die Spiele
zufaellig, 85 wurden sie direkt
angeboten.
10. Aus welchen Gruenden werden nach
Deiner Meinung die SPiele unter die
Leute gebracht? Die Antworten waren
vorgegeben und konnten angekreuzt
werden. Ergebnis: 100 mal - um die
Auslaender zu aergern, 79 mal - damit
die Auslaender Deutschland verlassen,
108 mal - um den Nationalstolz zu
heben, 39 mal - aus Angst vor
Ueberbevoelkerung, 126 mal - weiss
nicht.
11. Stellen nach Deiner Meinung die
Spiele eine Gefahr da? Ergebnis: Fuer
119 Schueler/innen stellen die Spiele
eine Gefahr dar. 163 verneinen das, 70
weiss nicht, 5 keine Angaben.
Aus den zahlreichen Anmerkungen der
Schueler geht zu dieser Frage hervor,
dass die besonders 9 bis 12 jaehrige
Schueler/innen fuer gefaehrdet halten.
Die in zwei bis drei Saetzen von
Schueler/innen geaeusserten Meinungen
lassen sich ein einem Schuelerbeitrag
zusammenfassen. "In dem Alter
interessiert man sich noch nicht fuer
Politik, und man hat noch keine eigene
politische Meinung. Die rassistischen
Spiele bieten in dieser Zeit die
einzige Information. Wenn dann noch die
Eltern des Heranwachsenden sich ab-
faellig ueber Auslaender aeussern, ist
fuer den jungen Spieler klar, was man
von Auslaendern zu halten hat und wie
man ihnen begegnen muss." Und noch eine
weitere Erkenntnis ist aus den Beitrae-
gen der Schueler/innen zu entnehmen: 9
bis 12 Jaehrige verlassen fuer mehrere
Stunden des Tages in ihrem Denken und
Handeln engagiert den Boden des Grund-
gesetzes und tauchen in eine Welt ein,
in der verschiedenen Volksgruppen auf
das aergste beleidigt und abgewertet
werden. In ihrem Denken und Handeln
verletzen die jungen Spieler die
Menschenwuerde anderer Rassen und
Nationen, sie bestreiten ihnne das
Lebensrecht in der Voelkergemeinschaft.
Tuerken, Juden, Tamilen, Neger und
Punks haben danach kein Lebensrecht.
Die angesprochenen Personengruppen sind
damit jeden Wertes und jeder Persoen-
lichkeit beraubt. Das Menschenbild des
Grundgesetztes wird in sein genaues
Gegenteil verkehrt. Die Schueler/innen
sehen in der Einuebung solcher Denk-
und Handlungsweisen durch die Spiele
eine ernstzunehmende Gefahr.
12. Wer muesste sich aendern, damit das
Interesse an den Spielen verloren geht?
Die Antworten waren vorgegeben und
konnten angekreuzt werden. Ergebnis: 10
mal - ich mu0 mich aendern, 92 mal -die
Auslaender muessen sich aendern, 204
mal - wir muessen uns gemeinsam aen-
dern.
Hans - Wolf Hallacker
Stadtverbindungslehrer
AMIcon
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