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2023-02-26
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369 lines
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ROCKFORD-MAGAZIN 08 TEXTFILE 11.10.1994
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WISSEN IST MACHT: TREIBHAUSEFFEKT
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berichte und meldungen aus der
max-planck-gesellschaft ....
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Der zusaetzliche Treibhauseffekt
und das Weltklima:
Verbrennen wir unsere Zukunft?
Oeffentlicher Vortrag in Luebeck
Anlaesslich der diesjaehrigen
Hauptversammlung der MPG hielt Prof.
Hartmut Grassl, Direktor am Max-Plank-
Institut fuer Meteorologie, am 20. Mai
in Luebeck den oeffentlichen Vortrag zu
einem schwerwiegenden oekologischen
Problem mit dem Titel: "Der zusaetzliche
Treibhauseffekt und das Weltklima:
Verbrennen wir unsere Zukunft?"
(Nachfolgend lesen Sie eine
Zusammenfassung seienes Vortrags.)
Der Planet Erde ist durch einige
Besonderheiten gekennzeichnet. Mehr als
zwei Drittel seiner Oberflaeche sind mit
Wasser, sogar drei Viertel mit Wasser
oder Eis bedeckt; die Hauptbestandteile
der Atmosphaere sind fuer die
Energieumwandlungen kaum von Bedeutung;
die Zusammensetzung der Atmosphaere wird
von den Lebewesen dominiert. Daraus
folgt:
- Wasserdampf ist das Haupttreibhausgas,
er traegt etwa 3/4 des natuerlichen
Treibhauseffektes der Atmosphaere von
etwa 30 Grad Celsius;
- starke Klimaveraenderungen sind das
Resultat nur kleiner Stoerungen der
Zusammensetzung der Atmosphaere;
- die Lebewesen sind Anlass fuer oder
Verstaerker beziehungswei-se Daempfer
von Klimaaenderungen.
Ohne Zweifel bestimmen die Treibhausgase
Kohlendioxid (CO2), Ozon (O3),
Distickstoffoxid (N2O) und Methan (CH4)
mit zusammen etwa 0,3 Promille
Volumenanteil in einer Warmzeit und nur
0,2 Promille waehrend der beiden letzten
starken Vereisungen wesent-lich das
globale Klima; denn der Effekt jeder
Konzentrationsaen-derung eines dieser
Gase wird durch die starke
Temperaturab-haengigkeit der maximal
moeglichen Wasserdampfmenge in Luft
(etwa plus minus 10 % bei plus minus 1
Grad Celsius) verstaerkt. Addiert man
Wasser in Form des Wasserdampfes, des
Wolkenwassers und des Wolkeneises zu den
Spurengasen, so sind noch immer weni-
ger als drei Promille der Masse der
Erdatmosphaere die wesent-lichsten
klimawirksamen Substanzen. Die
gegenwaertige Empfind-lichkeit des
Klimasystems, abgeschaetzt als mittlere
globale Temperaturaenderung in
Oberflaechennaehe bei einer in CO2-
Aequi-valente umgerechneten
Spurengasaenderung, lautet: + 2,5 Grad
Celsius bei Verdoppelung des
aequivalenten CO2-Gehaltes vom vor-
industriellen Wert von 280millionstel
Volumenanteilen auf 560.
Aendert der Mensch den Anteil
irgendeines der wesentlichen
Treibhausgase (H2O, CO2, O3, N2O, CH4,
falls nach Bedeutung fuer den heutigen
Treibhauseffekt gereiht), so ist auch er
Klima-macher.
Dass der Mensch die Zusammensetzung der
Atmosphaere stoert, ist ebenso
zweifelsfrei belegt wie die Bedeutung
der Treibhausgase fuer das Klima. CO2
ist weltweit seit dem Jahre 1750 von 280
auf jetzt 353, CH4 von 0,65 auf 1,7 und
N2O von 0,28 auf 0,31 millionstel
Volumenanteile angestiegen. Alle
Anstiege sind ueberwiegend vom Menschen
verursacht. Gegenwaertig nehmen die
Gehalte der Spurengase jedes Jahr um 1%
(CH4), 0,5% (CO2) bzw. 0,3% (N2O) zu.
Seit 160.000 Jahren waren der CH4 und
CO2-Anteile nie auch nur annaehernd so
hoch wie heute. Das fuer den natuer-
lichen Treibhauseffekt drittwichtigste
Gas, naemlich das Ozon (O3), nimmt
ebenfalls, aber nur in der unteren
Atmosphaere, wo es besonders
treibhauswirksam ist, ueber Industrie-
und Brand-rodungsgebieten zu. Von
besonderer Bedeutung ist auch die Ver-
weildauer eines Gasmolekuels in der
Atmosphaere. Sie steigt fuer die
Treibhausgase von einigen Tagen bis
Monaten fuer Wasserdampf (H2O) und fuer
troposhaerisches Ozon (O3) auf 10 Jahre
fuer Methan (CH4), erreicht mindestens
100 Jahre fuer das vom Men-schen
zusaetzlich eingebrachte Kohlendioxid
(CO2) oder gar 150 Jahre fuer
Distickstoffoxid (N2O).
Wegen der stark unterschiedlichen
Absorption von Waermestrahlung pro
Einheit der Konzentration verringert
sich fuer besonders gering konzentrierte
Spurengase die Klimarelevanz nicht
immer. Bekanntestes Beispiel sind die
ausschliesslich vom Menschen
hergestellten
Flourchlorkohlenwasserstoffe (FCKW).
Trotz eines Volumenanteils von nur etwa
einem Milliardstel und bei Zuwachs-
raten von ungefaehr fuenf Prozent pro
Jahr tragen sie zur Zeit schon mit fast
einem Viertel zum Zusatztreibhauseffekt
bei, sie sind damit bereits bedeutender
als Methan. Auf die Bundesrepu-blik
Deutschland bezogen gilt: die Produktion
von 0,1 Millionen Tonnen FCKW ist
aehnlich klimawirksam wie die von 700
Millionen Tonnen CO2, von ihrer Rolle
beim Abbau stratosphaerische Ozons sogar
noch abgesehen.
Die wesentlichen Gruende fuer die
Zunahme aller wichtigen natuerlichen
Treibhausgase ausser dem Wasserdampf
sind bekannt. Hauptgrund fuer die
gegenwaertige Zunahme ist die
Verbrennung von Erdoel, Kohle und
Erdgas. Weitere wichtige Gruende sind
Abholzung (CO2, O3, CH4, N2O),
Rinderzucht (CH4), Reisanbau (CH4),
Muelldeponien (CH4), Stickstoffduengung
(N2O).
Die Eigenschaft der Treibhausgase,
Sonnenstrahlung fast ungehin-dert zur
Oberflaeche der Erde vordringen zu
lassen und die Ab-strahlung von Waerme
von der Oberflaeche zu behindern,
erzwingt bei Spurengaszunahme eine
Erhoehung der Temperatur an der Erd-
oberflaeche; denn im Langzeit muss
gleichviel Strahlungsleistung in den
Weltraum zurueck, wie von der Sonne
hereinkommt. Bei geringerer
Durchlaessigkeit fuer Waermestrahlung
und der Temera-turstruktur der
Atmosphaere gelingt der Ausgleich
jedoch nur bei hoeherer
Oberflaechentempeatur. Die pro Einheit
des Spurengasge-haltes im Mittel
eintretende Temperauraenderung ist sehr
schwierig zu bestimmen, weil alle
Rueckkopplungen im Klimasystem beachtet
werden muessten: Abschmelzen von Meereis
und Glet-schern, erhoehter
Wasserdampfgehalt, mehr oder weniger
Wolken in veraenderter Hoehe bei
veraendertem Fluessigwassergehalt, ver-
schobene Niederschlagsguertel,
veraenderte Stroemung im Ozean. In
anderen Worten: Mindestens der globale
Wasserkreislauf in einem gekoppelten
Modell des Ozeans und der Atmosphaere
sowie erste gekoppelte Ozean-
Atmosphaere-Modelle lassen folgende Aus-
sagen zu:
* Die volle Reaktion auf eine
Verdoppelung des aequivalenten CO2-
Gehaltes fuehrt zu einer mittleren
globalen Erwaermung von 2,5 Grad
Celsius, wobei jedoch noch immer ein
Unsicherheits-bereich von 1,5 bis 4,5
Grad Celsius existiert.
* Der Niederschlag nimmt im Mittel (+3%
pro Grad Celsius) zu, wobei jedoch die
schon jetzt trockenen Gebiete zum Teil
noch trockener werden.
* Hoehere noerdliche Breiten im Inneren
der Kontinente werden besonders stark
erwaermt.
* Die hohe Waermekapazitaet des Ozeans
und seine gebietsweise kraeftige
vertikale Durchmischung fuehren zu einer
Verzoege-rung des Temperaturanstieges
um Jahrzehnte.
* Landoberflaechen in der Naehe der
Gebiete starker vertikaler Durchmischung
des Ozeans erleben einen besonders stark
ver-zoegerten Temperaturanstieg.
* Die Bodenfeuchte im Inneren der
Kontinente nimmt auch bei Kopplung der
Modelle im Sommer ab, sofern diese
Abnahme im Zirkulationsmodell der
Atmosphaere bereits enthalten war.
Wenn der Temperaturanstieg bei
Verdoppelung des aequivalenten CO2-
Gehaltes 2,5 Grad Celsius im globalen
Mittel betragen soll und gemessen am
vorindustriellen Wert schon Halbzeit bis
zur Verdoppelung ist, dann sollte
eigentlich die mittlere globale
Erwaermung von etwas ueber 1 Grad
Celsius laengst zu beobachten sein. Die
beobachtete Zunahme von nur etwa 0,5
Grad Celsius in den vergangenen 100
Jahren ist trotzdem im Einklang mit den
Modellrechnungen, weil bei einer
Verzoegerung durch den Ozean von nur
wenigen Jahrzehnten und etwa 2,5 %
Emissionsratensteige-rung pro Jahr nur
die Haelfte der Wirkung der Stoerung
beobacht-bar ist. Ein Beweis ist das
jedoch nicht. Der Anstieg koennte auch
noch immer von interner Wechselwirkung
im Klimasystem ver-ursacht sein.
Auszuschliessen als Ursachen sind jedoch
Vulkanis-mus und Variabilitaet der
Abstrahlung der Sonne. Weitere Hinwei-
se im Einklang mit der Wirkung eines
verstaerkten Treibhausef-fektes sind:
Abschmelzen der Gebirgsgletscher,
Meeresspiegelan-stieg um etwa 15 cm
seit 100 Jahren, Umverteilung der
Nieder-schlaege fuer die noerdliche
Erdhaelfte. Auch die Beweisfuehrung mit
der Zunahme von Extremereignissen, z.B.
Stuermen und Duer-ren, ist zur Zeit
nicht moeglich.
Da in erster Linie Temperatur und
Niederschlag die Vegetations-zonen auf
der Erde festlegen, ist eine
Verschiebung der Klima-zonen sicherlich
von grosser Bedeutung fuer die
Ernaehrung der Menschheit. Die
vorhergesagten Temperaturaenderungen
werden bei ungebremster Emission von
Spurengasen durch den Menschen nicht nur
Klimazonen und damit Anbauzonen um
Hunderte von Kilometern verlagern,
sondern auch so schnell ablaufen, dass
naturnahe Oekosysteme, wie z.B. die
noerdlichen Waelder, nicht mit der
Verlagerung Schritt halten koennen. Ein
beschleunigtes Arten-sterben ist die
Folge. Dass auch bei einem moderaten
Meeresspie-gelanstieg von einem halben
Meter (Band- breite 25-100 cm), der bei
fehlenden Massnahmen bis zur Mitte des
naechsten Jahrhun-derts angelegt ist,
Millionen von Menschen ihre
Lebensgrundlage verlieren, muss immer
wieder erwaehnt werden; vor allem wenn
man in einem Lande wohnt, wo der
verstaerkte Kuestenschutz nur eine Frage
von wenigen umverteilten Promille des
Bruttosozialproduk-tes ist.
Leider ist die Forschung auf dem Gebiet
Wirkung von Klima-aenderungen so spaet
gestartet, aber auch so schwierig, dass
nur sehr ungenaue Angaben z.B. zur
Anfaelligkeit gegenueber neuen
Krankheitserregern, oder der Aenderung
der Hydrologie, exis-tieren. Ein kleines
Beispiel soll abschliessend die
Bedeutung solcher Untersuchungen
unterstreichen: Steigt die Temperatur um
1-2 Grad Celsius und sinkt die
Niederschlagsmenge um 10 %, so
vermindert sich in einem schwach humiden
Klima der Abfluss um 40-70 %.
Wegen der Verzoegerung einer Reaktion
auf Stoerungen durch die traegen
Komponenten des Klimasystems wie Ozean,
Meereis und Gletscher hilft trotz noch
immer vorhandener Unsicherheiten,
speziell ueber die regionale Auspraegung
einer Klimaaenderung, Abwarten nicht.
Die Gruende fuer die Stoerung sind
bekannt und sollten zum Handeln im Sinne
einer Vorsorge bei moeglichst grosser
Effektivitaet der Massnahmen anleiten:
* Verbot der Produktion von FCKW, d.h.
rasche Verschaerfung des Montrealer
Protokolls.
* Verminderung des weltweiten Austosses
an C02 durch vorgezoge-nen Einstieg der
"reichen Hauptverursacher" und Schaffung
eines CO2-Protokolles im Rahmen einer
globalen Konvention zum Schutz der
Erdatmosphaere; Teilschritte sind dabei:
- Effizenzsteigerung bei Nutzung
fossiler Brennstoffe, z.B. durch
ausgeweitete Waerme-Kraft-Kopplung,
Flottenverbrauchs-regeln, fuer
Automobile, schaerfere Waerme-
Daemmstandards,
- Foerderung erneuerbarer Energiequellen
von allem durch schrittweise Einfuehrung
des Echtpreises fuer fossile Ener-gie,
d.h. Einschluss der hohen, bisher von
der Allgemein-heitheit getragenen
Umweltkosten,
- Aufklaerung der NUTZER von
Energiedienstleistungen.
* Verminderung des CH4-Ausstosses durch
Nutzung aus Absaugan-lagen und Wettern
der der Kohlebergwerke sowie aus Muell-
deponien, Verminderung der Lecks bei
Erdgasverteilung, Ein-fuehrung
verbesserter Landwirtschaftlicher
Praktiken beim Reisanbau und Ruecknahme
des Fleischverbrauchs in den reichen
Laendern.
Die Devise der Politik und des einzelnen
muss werden: Weniger Rohstoff pro Kopf.
Hartmut Grassl
AMIcon
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