home *** CD-ROM | disk | FTP | other *** search
/ Powerdrive 1997 February / POWERDRIVE0297.ISO / share / win / anwend / ortho / verwan1.tx_ / verwan1.tx
Text File  |  1996-10-04  |  28KB  |  66 lines

  1. DIE VERWANDLUNG - Franz Kafka
  2.  
  3. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen TrΣumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rⁿcken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gew÷lbten, braunen, von bogenf÷rmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen H÷he sich die Bettdecke, zum gΣnzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang klΣglich dⁿnnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen. 
  4.  
  5. ╗Was ist mit mir geschehen?½, dachte er. Es war kein Traum. Sein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten WΣnden. ▄ber dem Tisch, auf dem eine auseinandergepackte Musterkollektion von Tuchwaren ausgebreitet war - Samsa war Reisender - hing das Bild, das er vor kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hⁿbschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar, die mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasa▀ und einen schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem Beschauer entgegenhob. 
  6.  
  7. Gregors Blick richtete sich dann zum Fenster, und das trⁿbe Wetter - man h÷rte Regentropfen auf das Fensterblech aufschlagen - machte ihn ganz melancholisch. ╗Wie wΣre es, wenn ich noch ein wenig weiterschliefe und alle Narrheiten vergΣ▀e½, dachte er, aber das war gΣnzlich undurchfⁿhrbar, denn er war gew÷hnt, auf der rechten Seite zu schlafen, konnte sich aber in seinem gegenwΣrtigen Zustand nicht in diese Lage bringen. Mit welcher Kraft er sich auch auf die rechte Seite warf, immer wieder schaukelte er in die Rⁿckenlage zurⁿck. Er versuchte es wohl hundertmal, schlo▀ die Augen, um die zappelnden Beine nicht sehen zu mⁿssen, und lie▀ erst ab, als er in der Seite einen noch nie gefⁿhlten, leichten, dumpfen Schmerz zu fⁿhlen begann. 
  8.  
  9. ╗Ach Gott½, dachte er, ╗was fⁿr einen anstrengenden Beruf habe ich gewΣhlt! Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die geschΣftlichen Aufregungen sind viel gr÷▀er, als im eigentlichen GeschΣft zu Hause, und au▀erdem ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, die Sorgen um die Zuganschlⁿsse, das unregelmΣ▀ige, schlechte Essen, ein immer wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher Verkehr. Der Teufel soll das alles holen!½ Er fⁿhlte ein leichtes Jucken oben auf dem Bauch; schob sich auf dem Rⁿcken langsam nΣher zum  Bettpfosten, um den Kopf besser heben zu k÷nnen; fand die juckende Stelle, die mit lauter kleinen wei▀en Pⁿnktchen besetzt war, die er nicht zu beurteilen verstand; und wollte mit einem Bein die Stelle betasten, zog es aber gleich zurⁿck, denn bei der Berⁿhrung umwehten ihn KΣlteschauer. 
  10.  
  11. Er glitt wieder in seine frⁿhere Lage zurⁿck. ╗Dies frⁿhzeitige Aufstehen½, dachte er, ╗macht einen ganz bl÷dsinnig. Der Mensch mu▀ seinen Schlaf haben. Andere Reisende leben wie Haremsfrauen. Wenn ich zum Beispiel im Laufe des Vormittags ins Gasthaus zurⁿckgehe, um die erlangten AuftrΣge zu ⁿberschreiben, sitzen diese Herren erst beim Frⁿhstⁿck. Das sollte ich bei meinem Chef versuchen; ich wⁿrde auf der Stelle hinausfliegen. Wer wei▀ ⁿbrigens, ob das nicht sehr gut fⁿr mich wΣre. Wenn ich mich nicht wegen meiner Eltern zurⁿckhielte, ich hΣtte lΣngst gekⁿndigt, ich wΣre vor den Chef hin getreten und hΣtte ihm meine Meinung von Grund des Herzens aus gesagt. Vom Pult hΣtte er fallen mⁿssen! Es ist auch eine sonderbare Art, sich auf das Pult zu setzen und von der H÷he herab mit dem Angestellten zu reden, der ⁿberdies wegen der Schwerh÷rigkeit des Chefs ganz nahe herantreten mu▀. Nun, die Hoffnung ist noch nicht gΣnzlich aufgegeben; habe ich einmal das Geld beisammen, um die Schuld der Eltern an ihn abzuzahlen - es dⁿrfte noch fⁿnf bis sechs Jahre dauern - , mache ich die Sache unbedingt. Dann wird der gro▀e Schnitt gemacht. VorlΣufig allerdings mu▀ ich aufstehen, denn mein Zug fΣhrt um fⁿnf.½ 
  12.  
  13. Und er sah zur Weckuhr hinⁿber, die auf dem Kasten tickte. ╗Himmlischer Vater!½, dachte er. Es war halb sieben Uhr, und die Zeiger gingen ruhig vorwΣrts, es war sogar halb vorⁿber, es nΣherte sich schon dreiviertel. Sollte der Wecker nicht gelΣutet haben? Man sah vom Bett aus, da▀ er auf vier Uhr richtig eingestellt war; gewi▀ hatte er auch gelΣutet. Ja, aber war es m÷glich, dieses m÷belerschⁿtternde LΣuten ruhig zu verschlafen? Nun, ruhig hatte er ja nicht geschlafen, aber wahrscheinlich desto fester. Was aber sollte er jetzt tun? Der nΣchste Zug ging um sieben Uhr; um den einzuholen, hΣtte er sich unsinnig beeilen mⁿssen, und die Kollektion  war noch nicht eingepackt, und er selbst fⁿhlte sich durchaus nicht besonders frisch und beweglich. Und selbst wenn er den Zug einholte, ein Donnerwetter des Chefs war nicht zu vermeiden, denn der GeschΣftsdiener hatte beim Fⁿnfuhrzug gewartet und die Meldung von seiner VersΣumnis lΣngst erstattet. Es war eine Kreatur des Chefs, ohne Rⁿckgrat und Verstand. Wie nun, wenn er sich krank meldete? Das wΣre aber Σu▀erst peinlich und  verdΣchtig, denn Gregor war wΣhrend seines fⁿnfjΣhrigen Dienstes noch nicht einmal krank gewesen. Gewi▀ wⁿrde der Chef mit dem Krankenkassenarzt kommen, wⁿrde den Eltern wegen des faulen Sohnes Vorwⁿrfe machen und alle EinwΣnde durch den Hinweis auf den Krankenkassenarzt abschneiden, fⁿr den es ja ⁿberhaupt nur ganz gesunde, aber arbeitsscheue Menschen gibt. Und hΣtte er ⁿbrigens in diesem Falle so ganz unrecht? Gregor fⁿhlte sich tatsΣchlich, abgesehen von einer nach dem langen Schlaf wirklich ⁿberflⁿssigen SchlΣfrigkeit, ganz wohl und hatte sogar einen besonders krΣftigen Hunger. 
  14.  
  15. Als er dies alles in gr÷▀ter Eile ⁿberlegte, ohne sich entschlie▀en zu k÷nnen, das Bett zu verlassen - gerade schlug der Wecker dreiviertel sieben - klopfte es vorsichtig an die Tⁿr am Kopfende seines Bettes. 
  16.  
  17. ╗Gregor½, rief es - es war die Mutter - , ╗es ist dreiviertel sieben. Wolltest du nicht wegfahren?½ Die sanfte Stimme! Gregor erschrak, als er seine antwortende Stimme h÷rte, die wohl unverkennbar seine frⁿhere war, in die sich aber, wie von unten her, ein nicht zu unterdrⁿckendes, schmerzliches Piepsen mischte, das die Worte f÷rmlich nur im ersten Augenblick in ihrer Deutlichkeit belie▀, um sie im Nachklang derart zu zerst÷ren, da▀ man nicht wu▀te, ob man recht geh÷rt hatte. Gregor hatte ausfⁿhrlich antworten und alles erklΣren wollen, beschrΣnkte sich aber bei diesen UmstΣnden darauf, zu sagen: ╗Ja, ja, danke Mutter, ich stehe schon auf.½ Infolge der Holztⁿr war die VerΣnderung in Gregors Stimme drau▀en wohl nicht zu merken, denn die Mutter beruhigte sich mit dieser ErklΣrung und schlⁿrfte davon. Aber durch das kleine GesprΣch waren die anderen Familienmitglieder darauf aufmerksam geworden, da▀ Gregor wider Erwarten noch zu Hause war, und schon klopfte an der einen Seitentⁿr der Vater, schwach, aber mit der Faust. ╗Gregor, Gregor½, rief er, ╗was ist denn?½ Und nach einer kleinen Weile mahnte er nochmals mit tieferer Stimme: ╗Gregor! Gregor!½ An der anderen Seitentⁿr aber klagte leise die Schwester: ╗Gregor? Ist dir nicht wohl? Brauchst du etwas?½ Nach beiden Seiten hin antwortete Gregor: ╗Bin schon fertig½, und bemⁿhte sich, durch die sorgfΣltigste Aussprache und durch Einschaltung von langen Pausen zwischen den einzelnen Worten seiner Stimme alles Auffallende zu nehmen. Der Vater kehrte auch zu seinem Frⁿhstⁿck zurⁿck, die Schwester aber flⁿsterte: ╗Gregor, mach auf, ich beschw÷re dich.½ Gregor aber dachte gar nicht daran aufzumachen, sondern lobte die vom Reisen her ⁿbernommene Vorsicht, auch zu Hause alle Tⁿren wΣhrend der Nacht zu versperren. 
  18.  
  19. ZunΣchst wollte er ruhig und ungest÷rt aufstehen, sich anziehen und vor allem frⁿhstⁿcken, und dann erst das Weitere ⁿberlegen, denn, das merkte er wohl, im Bett wⁿrde er mit dem Nachdenken zu keinem vernⁿnftigen Ende kommen. Er erinnerte sich, schon ÷fters im Bett irgendeinen vielleicht durch ungeschicktes Liegen erzeugten, leichten Schmerz empfunden zu haben, der sich dann beim Aufstehen als reine Einbildung herausstellte, und er war gespannt, wie sich seine heutigen Vorstellungen allmΣhlich aufl÷sen wⁿrden. Da▀ die VerΣnderung der Stimme nichts anderes war, als der Vorbote einer tⁿchtigen Verkⁿhlung, einer Berufskrankheit der Reisenden, daran zweifelte er nicht im geringsten. 
  20.  
  21. Die Decke abzuwerfen war ganz einfach; er brauchte sich nur ein wenig aufzublasen und sie fiel von selbst. Aber weiterhin wurde es schwierig, besonders weil er so ungemein breit war. Er hΣtte Arme und HΣnde gebraucht, um sich aufzurichten; statt dessen aber hatte er nur die vielen Beinchen, die ununterbrochen in der verschiedensten Bewegung waren und die er ⁿberdies nicht beherrschen konnte. Wollte er eines einmal einknicken, so war es das erste, da▀ es sich streckte; und gelang es ihm endlich, mit diesem Bein das auszufⁿhren, was er wollte, so arbeiteten inzwischen alle anderen, wie freigelassen, in h÷chster, schmerzlicher Aufregung. ╗Nur sich nicht im Bett unnⁿtz aufhalten½, sagte sich Gregor. 
  22.  
  23. Zuerst wollte er mit dem unteren Teil seines K÷rpers aus dem Bett hinauskommen, aber dieser untere Teil, den er ⁿbrigens noch nicht gesehen hatte und von dem er sich auch keine rechte Vorstellung machen konnte, erwies sich als zu schwer beweglich; es ging so langsam; und als er schlie▀lich, fast wild geworden, mit gesammelter Kraft, ohne Rⁿcksicht sich vorwΣrtsstie▀, hatte er die Richtung falsch gewΣhlt, schlug an den unteren Bettpfosten heftig an, und der brennende Schmerz, den er empfand, belehrte ihn, da▀ gerade der untere Teil seines K÷rpers augenblicklich vielleicht der empfindlichste war. 
  24.  
  25. Er versuchte es daher, zuerst den Oberk÷rper aus dem Bett zu bekommen, und drehte vorsichtig den Kopf dem Bettrand zu. Dies gelang auch leicht, und trotz ihrer Breite und Schwere folgte schlie▀lich die K÷rpermasse langsam der Wendung des Kopfes. Aber als er den Kopf endlich au▀erhalb des Bettes in der freien Luft hielt, bekam er Angst, weiter auf diese Weise vorzurⁿcken, denn wenn er sich schlie▀lich so fallen lie▀, mu▀te geradezu ein Wunder geschehen, wenn der Kopf nicht verletzt werden sollte. Und die Besinnung durfte er gerade jetzt um keinen Preis verlieren; lieber wollte er im Bett bleiben. 
  26.  
  27. Aber als er wieder nach gleicher Mⁿhe aufseufzend so dalag wie frⁿher, und wieder seine Beinchen wom÷glich noch Σrger gegeneinander kΣmpfen sah und keine M÷glichkeit fand, in diese Willkⁿr Ruhe und Ordnung zu bringen, sagte er sich wieder, da▀ er unm÷glich im Bett bleiben k÷nne und da▀ es das Vernⁿnftigste sei, alles zu opfern, wenn auch nur die kleinste Hoffnung bestⁿnde, sich dadurch vom Bett zu befreien. Gleichzeitig aber verga▀ er nicht, sich zwischendurch daran zu erinnern, da▀ viel besser als verzweifelte Entschlⁿsse ruhige und  ruhigste ▄berlegung sei. In solchen Augenblicken richtete er die Augen m÷glichst scharf auf das Fenster, aber leider war aus dem Anblick des Morgennebels, der sogar die andere Seite der engen Stra▀e verhⁿllte, wenig Zuversicht und Munterkeit zu holen. ╗Schon sieben Uhr½, sagte er sich beim neuerlichen Schlagen des Weckers, ╗schon sieben Uhr und noch immer ein solcher Nebel.½ Und ein Weilchen lang lag er ruhig mit schwachem Atem, als erwarte er vielleicht von der v÷lligen Stille die Wiederkehr der wirklichen und selbstverstΣndlichen VerhΣltnisse. 
  28.  
  29. Dann aber sagte er sich: ╗Ehe es einviertel acht schlΣgt, mu▀ ich unbedingt das Bett vollstΣndig verlassen haben. Im ⁿbrigen wird auch bis dahin jemand aus dem GeschΣft kommen, um nach mir zu fragen, denn das GeschΣft wird vor sieben Uhr ge÷ffnet.½ Und er machte sich nun daran, den K÷rper in seiner ganzen LΣnge vollstΣndig gleichmΣ▀ig aus dem Bett hinauszuschaukeln. Wenn er sich auf diese Weise aus dem Bett fallen lie▀, blieb der Kopf, den er beim Fall scharf heben wollte, voraussichtlich unverletzt. Der Rⁿcken schien hart zu sein; dem wⁿrde wohl bei dem Fall auf den Teppich nichts geschehen. Das gr÷▀te Bedenken machte ihm die Rⁿcksicht auf den lauten Krach, den es geben mⁿ▀te und der wahrscheinlich hinter allen Tⁿren wenn nicht Schrecken, so doch Besorgnisse erregen wⁿrde. Das mu▀te aber gewagt werden. 
  30.  
  31. Als Gregor schon zur HΣlfte aus dem Bette ragte - die neue Methode war mehr ein Spiel als eine Anstrengung, er brauchte immer nur ruckweise zu schaukeln - , fiel ihm ein, wie einfach alles wΣre, wenn man ihm zu Hilfe kΣme. Zwei starke Leute - er dachte an seinen Vater und das DienstmΣdchen - hΣtten vollstΣndig genⁿgt; sie hΣtten ihre Arme nur unter seinen gew÷lbten Rⁿcken schieben, ihn so aus dem Bett schΣlen, sich mit der Last niederbeugen und dann blo▀ vorsichtig dulden mⁿssen, da▀ er den ▄berschwung auf dem Fu▀boden vollzog, wo dann die Beinchen hoffentlich einen Sinn bekommen wⁿrden. Nun, ganz abgesehen davon, da▀ die Tⁿren versperrt waren, hΣtte er wirklich um Hilfe rufen sollen? Trotz aller Not konnte er bei diesem Gedanken ein LΣcheln nicht unterdrⁿcken. 
  32.  
  33. Schon war er so weit, da▀ er bei stΣrkerem Schaukeln kaum das Gleichgewicht noch erhielt, und sehr bald mu▀te er sich nun endgⁿltig entscheiden, denn es war in fⁿnf Minuten einviertel acht, - als es an der Wohnungstⁿr lΣutete. ╗Das ist jemand aus dem GeschΣft½, sagte er sich und erstarrte fast, wΣhrend seine Beinchen nur desto eiliger tanzten. Einen Augenblick blieb alles still. ╗Sie ÷ffnen nicht½, sagte sich Gregor, befangen in irgendeiner unsinnigen Hoffnung. Aber dann ging natⁿrlich wie immer das DienstmΣdchen festen Schrittes zur Tⁿr und ÷ffnete. Gregor brauchte nur das erste Gru▀wort des Besuchers zu h÷ren und wu▀te schon, wer es war - der Prokurist selbst. Warum war nur Gregor dazu verurteilt, bei einer Firma zu dienen, wo  man bei der kleinsten VersΣumnis gleich den gr÷▀ten Verdacht fa▀te? Waren denn alle Angestellten samt und sonders Lumpen, gab es denn unter ihnen keinen treuen ergebenen Menschen, der, wenn er auch nur ein paar Morgenstunden fⁿr das GeschΣft nicht ausgenutzt hatte, vor Gewissensbissen nΣrrisch wurde und geradezu nicht imstande war, das Bett zu verlassen? Genⁿgte es wirklich nicht, einen Lehrjungen nachfragen zu lassen - wenn ⁿberhaupt diese Fragerei n÷tig war - , mu▀te da der Prokurist selbst kommen, und mu▀te dadurch der ganzen unschuldigen Familie gezeigt werden, da▀ die Untersuchung dieser verdΣchtigen Angelegenheit nur dem Verstand des Prokuristen anvertraut werden konnte? Und mehr infolge der Erregung, in welche Gregor durch diese ▄berlegungen versetzt wurde, als infolge eines richtigen Entschlusses, schwang er sich mit aller Macht aus dem Bett. Es gab einen lauten Schlag, aber ein eigentlicher Krach war es nicht. Ein wenig wurde der Fall durch den Teppich abgeschwΣcht, auch war der Rⁿcken elastischer, als Gregor gedacht hatte, daher kam der nicht gar so auffallende dumpfe Klang. Nur den Kopf hatte er nicht vorsichtig genug gehalten und ihn angeschlagen; er drehte ihn und rieb ihn an dem Teppich vor ─rger und Schmerz. 
  34.  
  35. ╗Da drin ist etwas gefallen½, sagte der Prokurist im Nebenzimmer links. Gregor suchte sich  vorzustellen, ob nicht auch einmal dem Prokuristen etwas ─hnliches passieren k÷nnte, wie  heute ihm; die M÷glichkeit dessen mu▀te man doch eigentlich zugeben. Aber wie zur rohen  Antwort auf diese Frage machte jetzt der Prokurist im Nebenzimmer ein paar bestimmte  Schritte und lie▀ seine Lackstiefel knarren. Aus dem Nebenzimmer rechts flⁿsterte die  Schwester, um Gregor zu verstΣndigen: ╗Gregor, der Prokurist ist da.½ ╗Ich wei▀½, sagte  Gregor vor sich hin; aber so laut, da▀ es die Schwester hΣtte h÷ren k÷nnen, wagte er die  Stimme nicht zu erheben. 
  36.  
  37. ╗Gregor½, sagte nun der Vater aus dem Nebenzimmer links, ╗der Herr Prokurist ist gekommen  und erkundigt sich, warum du nicht mit dem Frⁿhzug weggefahren bist. Wir wissen nicht, was  wir ihm sagen sollen. ▄brigens will er auch mit dir pers÷nlich sprechen. Also bitte mach die  Tⁿr auf. Er wird die Unordnung im Zimmer zu entschuldigen schon die Gⁿte haben.½ 
  38.  
  39. ╗Guten Morgen, Herr Samsa½, rief der Prokurist freundlich dazwischen. ╗Ihm ist nicht wohl½,  sagte die Mutter zum Prokuristen, wΣhrend der Vater noch an der Tⁿr redete, ╗ihm ist nicht  wohl, glauben Sie mir, Herr Prokurist. Wie wⁿrde denn Gregor sonst einen Zug versΣumen!  Der Junge hat ja nichts im Kopf als das GeschΣft. Ich Σrgere mich schon fast, da▀ er abends  niemals ausgeht; jetzt war er doch acht Tage in der Stadt, aber jeden Abend war er zu Hause.  Da sitzt er bei uns am Tisch und liest still die Zeitung oder studiert FahrplΣne. Es ist schon eine  Zerstreuung fⁿr ihn, wenn er sich mit LaubsΣgearbeiten beschΣftigt. Da hat er zum Beispiel im  Laufe von zwei, drei Abenden einen kleinen Rahmen geschnitzt; Sie werden staunen, wie  hⁿbsch er ist; er hΣngt drin im Zimmer; Sie werden ihn gleich sehen, bis Gregor aufmacht. Ich  bin ⁿbrigens glⁿcklich, da▀ Sie da sind, Herr Prokurist; wir allein hΣtten Gregor nicht dazu  gebracht, die Tⁿr zu ÷ffnen; er ist so hartnΣckig; und bestimmt ist ihm nicht wohl, trotzdem er  es am Morgen geleugnet hat.½ 
  40.  
  41. ╗Ich komme gleich½, sagte Gregor langsam und bedΣchtig und rⁿhrte sich nicht, um kein Wort  der GesprΣche zu verlieren. ╗Anders, gnΣdige Frau, kann ich es mir auch nicht erklΣren½, sagte  der Prokurist, ╗hoffentlich ist es nichts Ernstes. Wenn ich auch andererseits sagen mu▀, da▀  wir GeschΣftsleute - wie man will, leider oder glⁿcklicherweise - ein leichtes Unwohlsein sehr  oft aus geschΣftlichen Rⁿcksichten einfach ⁿberwinden mⁿssen.½ ╗Also kann der Herr  Prokurist schon zu dir hinein?½ fragte der ungeduldige Vater und klopfte wiederum an die Tⁿr.  ╗Nein½, sagte Gregor. Im Nebenzimmer links trat eine peinliche Stille ein, im Nebenzimmer  rechts begann die Schwester zu schluchzen. 
  42.  
  43. Warum ging denn die Schwester nicht zu den anderen? Sie war wohl erst jetzt aus dem Bett  aufgestanden und hatte noch gar nicht angefangen sich anzuziehen. Und warum weinte sie  denn? Weil er nicht aufstand und den Prokuristen nicht hereinlie▀, weil er in Gefahr war, den  Posten zu verlieren und weil dann der Chef die Eltern mit den alten Forderungen wieder  verfolgen wⁿrde? Das waren doch vorlΣufig wohl unn÷tige Sorgen. Noch war Gregor hier und  dachte nicht im geringsten daran, seine Familie zu verlassen. Augenblicklich lag er wohl da auf  dem Teppich, und niemand, der seinen Zustand gekannt hΣtte, hΣtte im Ernst von ihm verlangt,  da▀ er den Prokuristen hereinlasse. Aber wegen dieser kleinen Unh÷flichkeit, fⁿr die sich ja  spΣter leicht eine passende Ausrede finden wⁿrde, konnte Gregor doch nicht gut sofort  weggeschickt werden. Und Gregor schien es, da▀ es viel vernⁿnftiger wΣre, ihn jetzt in Ruhe  zu lassen, statt ihn mit Weinen und Zureden zu st÷ren. Aber es war eben die Ungewi▀heit,  welche die anderen bedrΣngte und ihr Benehmen entschuldigte. 
  44.  
  45. ╗Herr Samsa½, rief nun der Prokurist mit erhobener Stimme, ╗was ist denn los? Sie  verbarrikadieren sich da in Ihrem Zimmer, antworten blo▀ mit ja und nein, machen Ihren Eltern  schwere, unn÷tige Sorgen und versΣumen - dies nur nebenbei erwΣhnt - Ihre geschΣftliche  Pflichten in einer eigentlich unerh÷rten Weise. Ich spreche hier im Namen Ihrer Eltern und  Ihres Chefs und bitte Sie ganz ernsthaft um eine augenblickliche, deutliche ErklΣrung. Ich  staune, ich staune. Ich glaubte Sie als einen ruhigen, vernⁿnftigen Menschen zu kennen, und  nun scheinen Sie pl÷tzlich anfangen zu wollen, mit sonderbaren Launen zu paradieren. De Chef  deutete mir zwar heute frⁿh eine m÷glich ErklΣrung fⁿr Ihre VersΣumnisse an - sie betraf das  Ihnen seit kurzem anvertraute Inkasso - , aber ich legte wahrhaftig fast mein Ehrenwort dafⁿr  ein, da▀ diese ErklΣrung nicht zutreffen k÷nne. Nun aber sehe ich hier Ihren unbegreiflichen  Starrsinn und verliere ganz und gar jede Lust, mich auch nur im geringsten fⁿr Sie einzusetzen.  Und Ihre Stellung ist durchaus nicht die festeste. Ich hatte ursprⁿnglich die Absicht, Ihnen das  alles unter vier Augen zu sagen, aber da Sie mich hier nutzlos meine Zeit versΣumen lassen,  wei▀ ich nicht, warum es nicht auch Ihr Herren Eltern erfahren sollen. Ihre Leistungen in der  letzten Zeit waren also sehr unbefriedigend; es ist zwar nicht die Jahreszeit, um besondere  GeschΣfte zu machen, das erkennen wir an; aber eine Jahreszeit, um keine GeschΣfte zu  machen, gibt es ⁿberhaupt nicht, Herr Samsa, darf es nicht geben.½ 
  46.  
  47. ╗Aber Herr Prokurist½, rief Gregor au▀er sich und verga▀ in der Aufregung alles andere, ╗ich  mache ja sofort, augenblicklich auf. Ein leichtes Unwohlsein, ein Schwindelanfall, haben mich  verhindert aufzustehen. Ich liege noch jetzt im Bett. Jetzt bin ich aber schon wieder ganz frisch.  Eben steige ich aus dem Bett. Nur einen kleinen Augenblick Geduld! Es geht noch nicht so  gut; wie ich dachte. Es ist mir aber schon wohl. Wie das nur einen Menschen so ⁿberfallen  kann! Noch gestern abend war mir ganz gut, meine Eltern wissen es ja, oder besser, schon  gestern abend hatte ich eine kleine Vorahnung. Man hΣtte es mir ansehen mⁿssen. Warum habe  ich es nur im GeschΣfte nicht gemeldet! Aber man denkt eben immer, da▀ man die Krankheit  ohne Zuhausebleiben ⁿberstehen wird. Herr Prokurist! Schonen Sie meine Eltern! Fⁿr alle die  Vorwⁿrfe, die Sie mir jetzt machen, ist ja kein Grund; man hat mir ja davon auch kein Wort  gesagt. Sie haben vielleicht die letzten AuftrΣge, die ich geschickt habe, nicht gelesen.  ▄brigens, noch mit dem Achtuhrzug fahre ich auf die Reise, die paar Stunden Ruhe haben mich  gekrΣftigt. Halten Sie sich nur nicht auf, Herr Prokurist; ich bin gleich selbst im GeschΣft, und  haben Sie die Gⁿte, das zu sagen und mich dem Herrn Chef zu empfehlen!½ 
  48.  
  49. Und wΣhrend Gregor dies alles hastig ausstie▀ und kaum wu▀te, was er sprach, hatte er sich  leicht, wohl infolge der im Bett bereits erlangten ▄bung, dem Kasten genΣhert und versuchte  nun, an ihm sich aufzurichten. Er wollte tatsΣchlich die Tⁿr aufmachen, tatsΣchlich sich sehen  lassen und mit dem Prokuristen sprechen; er war begierig zu erfahren, was die anderen, die  jetzt so nach ihm verlangten, bei seinem Anblick sagen wⁿrden. Wⁿrden sie erschrecken, dann  hatte Gregor keine Verantwortung mehr und konnte ruhig sein. Wⁿrden sie aber alles ruhig  hinnehmen, dann hatte auch er keinen Grund sich aufzuregen, und konnte, wenn er sich beeilte,  um acht Uhr tatsΣchlich auf dem Bahnhof sein. 
  50.  
  51. Zuerst glitt er nun einige Male von dem glatten Kasten ab, aber endlich gab er sich einen  letzten Schwung und stand aufrecht da; auf die Schmerzen im Unterleib achtete er gar nicht  mehr, so sehr sie auch brannten. Nun lie▀ er sich gegen die Rⁿckenlehne eines nahen Stuhles  fallen, an deren RΣndern er sich mit seinen Beinchen festhielt. Damit hatte er aber auch die  Herrschaft ⁿber sich erlangt und verstummte, denn nun konnte er den Prokuristen anh÷ren. 
  52.  
  53. ╗Haben Sie auch nur ein Wort verstanden?½, fragte der Prokurist die Eltern, ╗er macht sich  doch wohl nicht einen Narren aus uns?½ ╗Um Gottes willen½, rief die Mutter schon unter  Weinen, ╗er ist vielleicht schwer krank, und wir quΣlen ihn. Grete! Grete!½ schrie sie dann.  ╗Mutter?½ rief die Schwester von der anderen Seite. Sie verstΣndigten sich durch Gregors  Zimmer. ╗Du mu▀t augenblicklich zum Arzt. Gregor ist krank. Rasch um den Arzt. Hast du  Gregor jetzt reden h÷ren?½ ╗Das war eine Tierstimme½, sagte der Prokurist, auffallend leise  gegenⁿber dem Schreien der Mutter. 
  54.  
  55. ╗Anna! Anna!½ rief der Vater durch das Vorzimmer in die Kⁿche und klatschte in die HΣnde,  ╗sofort einen Schlosser holen!½ Und schon liefen die zwei MΣdchen mit rauschenden R÷cken  durch das Vorzimmer - wie hatte sich die Schwester denn so schnell angezogen? - und rissen  die Wohnungstⁿre auf. Man h÷rte gar nicht die Tⁿre zuschlagen; sie hatten sie wohl offen  gelassen, wie es in Wohnungen zu sein pflegt, in denen ein gro▀es Unglⁿck geschehen ist. 
  56.  
  57. Gregor war aber viel ruhiger geworden. Man verstand zwar also seine Worte nicht mehr,  trotzdem sie ihm genug klar, klarer als frⁿher, vorgekommen waren, vielleicht infolge der  Gew÷hnung des Ohres. Aber immerhin glaubte man nun schon daran, da▀ es mit ihm nicht  ganz in Ordnung war, und war bereit, ihm zu helfen. Die Zuversicht und Sicherheit, mit  welchen die ersten Anordnungen getroffen worden waren, taten ihm wohl. Er fⁿhlte sich  wieder einbezogen in den menschlichen Kreis und erhoffte von beiden, vom Arzt und vom  Schlosser, ohne sie eigentlich genau zu scheiden, gro▀artige und ⁿberraschende Leistungen.  Um fⁿr die sich nΣhernden entscheidenden Besprechungen eine m÷glichst klare Stimme zu  bekommen, hustete er ein wenig ab, allerdings bemⁿht, dies ganz gedΣmpft zu tun, da  m÷glicherweise auch schon dieses GerΣusch anders als menschlicher Husten klang, was er  selbst zu entscheiden sich nicht mehr getraute. Im Nebenzimmer war es inzwischen ganz still  geworden. Vielleicht sa▀en die Eltern mit dem Prokuristen beim Tisch und tuschelten,  vielleicht lehnten alle an der Tⁿre und horchten. 
  58.  
  59. Gregor schob sich langsam mit dem Sessel zur Tⁿr hin, lie▀ ihn dort los, warf sich gegen die  Tⁿr, hielt sich an ihr aufrecht - die Ballen seiner Beinchen hatten ein wenig Klebstoff - und  ruhte sich dort einen Augenblick lang von der Anstrengung aus. Dann aber machte er sich  daran, mit dem Mund den Schlⁿssel im Schlo▀ umzudrehen. Es schien leider, da▀ er keine  eigentlichen ZΣhne hatte, - womit sollte er gleich den Schlⁿssel fassen? - aber dafⁿr waren die  Kiefer freilich sehr stark; mit ihrer Hilfe brachte er auch wirklich den Schlⁿssel in Bewegung  und achtete nicht darauf, da▀ er sich zweifellos irgendeinen Schaden zufⁿgte, denn eine braune  Flⁿssigkeit kam ihm aus dem Mund, flo▀ ⁿber den Schlⁿssel und tropfte auf den Boden. 
  60.  
  61. ╗H÷ren Sie nur½, sagte der Prokurist im Nebenzimmer, ╗er dreht den Schlⁿssel um.½ Das war  fⁿr Gregor eine gro▀e Aufmunterung; aber alle hΣtten ihm zurufen sollen, auch der Vater und  die Mutter: ╗Frisch, Gregor½, hΣtten sie rufen sollen, ╗immer nur heran, fest an das Schlo▀  heran!½ Und in der Vorstellung, da▀ alle seine Bemⁿhungen mit Spannung verfolgten, verbi▀ er  sich mit allem, was er an Kraft aufbringen konnte, besinnungslos in den Schlⁿssel. Je nach dem  Fortschreiten der Drehung des Schlⁿssels umtanzte er das Schlo▀; hielt sich jetzt nur noch mit  dem Munde aufrecht, und je nach Bedarf hing er sich an den Schlⁿssel oder drⁿckte ihn dann  wieder nieder mit der ganzen Last seines K÷rpers. Der hellere Klang des endlich  zurⁿckschnappenden Schlosses erweckte Gregor f÷rmlich. Aufatmend sagte er sich: ╗Ich habe  also den Schlosser nicht gebraucht½, und legte den Kopf auf die Klinke, um die Tⁿre gΣnzlich  zu ÷ffnen. 
  62.  
  63. Da er die Tⁿre auf diese Weise ÷ffnen mu▀te, war sie eigentlich schon recht weit ge÷ffnet, und  er selbst noch nicht zu sehen. Er mu▀te sich erst langsam um den einen Tⁿrflⁿgel herumdrehen,  und zwar sehr vorsichtig, wenn er nicht gerade vor dem Eintritt ins Zimmer plump auf den  Rⁿcken fallen wollte. Er war noch mit jener schwierigen Bewegung beschΣftigt und hatte nicht  Zeit, auf anderes zu achten, da h÷rte er schon den Prokuristen ein lautes ╗Oh!½ aussto▀en - es  klang, wie wenn der Wind saust und nun sah er ihn auch, wie er, der der NΣchste an der Tⁿre  war, die Hand gegen den offenen Mund drⁿckte und langsam zurⁿckwich, als vertreibe ihn eine  unsichtbare, gleichmΣ▀ig fortwirkende Kraft. Die Mutter - sie stand hier trotz der Anwesenheit  des Prokuristen mit von der Nacht her noch aufgel÷sten, hoch sich strΣubenden Haaren - sah  zuerst mit gefalteten HΣnden den Vater an, ging dann zwei Schritte zu Gregor hin und fiel  inmitten ihrer rings um sie herum sich ausbreitenden R÷cke nieder, das Gesicht ganz  unauffindbar zu ihrer Brust gesenkt. Der Vater ballte mit feindseligem Ausdruck die Faust, als  wolle er Gregor in sein Zimmer zurⁿcksto▀en, sah sich dann unsicher im Wohnzimmer um,  beschattete dann mit den HΣnden die Augen und weinte, da▀ sich seine mΣchtige Brust  schⁿttelte.
  64.  
  65.  
  66.