Klingt meine Linde (excerpt)

(Übersetzing von Anne-Liese Kornitzky)

Vor langer Zeit, in den Tagen der Armut, da gab es noch Armenhäuser im ganzen Land, in jedem Kirchspiel eins. Dort wohnten die Ärmsten der Armen, die Alten und Gebrechlichen, die nicht mehr arbeiten konnten, die Hungerleider und Kranken und Bresthaften, die närrischen Tröpfe und die Waisenkinder, die niemand in Pflege nehmen wollte. Sie alle brachte man zur Stätte der Seufzer, die das Spittel war.

Auch im Kirchspiel Norka gab es eins, und dorthin kam Malin, als sie acht Jahre alt war.

Vater und Mutter waren and Schwindsucht gestorben, und da die Norkabauern fürchteten, Malin könne ihnen die Krankheit ins Haus bringen, wollte sie keiner für Geld in Pflege nehmen, wie es sonst Brauch war, und deshalb kam sie ins Spittel.

Es war noch zeitig im Frühjahr and einem Samstagabend, und alle Armenhäsler hockten am Fenster und gafften auf die Dorfstraße hinaus. Es war dies das einzige Vergnügen der Allerärmsten am Samstagabend. Nicht, daß es so viel zu sehen gegeben hätte. Dort kam ein verspätetes Bauernfuhrwerk von einer Reise in die Stadt heim, dort kamen ein paar Häslerbuben auf dem Weg zum Angeln, und dort kam auch Malin mit ihrem Kleiderbündel unter dem Arm, und ihr starrten sie alle entgegen.

Ich Ärmste, ich muß ins Spittel, dachte Malin, als sie auf der Vortreppe stand. Ich Ärmste!

Sie klinkte die Tür auf, und vor ihr stand Pompadulla, die im Spittel von Norka schaltete und waltete und die Erste unter den Spittlern war.

"Willkommen im Hause der Armut", sagte Pompadulla. "Eng haben wir's schon, und besser wird es jetzt auch nicht. Aber viel Platz brauchst du ja nicht, so klein und mager wie du bist."

Malin schwieg und sah zu Boden.

"Und kein Hopsen und Hüpfen, kein Toben und Tollen, das wollen wir hier nicht haben", sagte Pompadulla. "Damit du es von vornherein weißt."

Und rings an den Wänden hockten die Armenhäsler und starrten Malin trübsinnig an, und sie dachte:

Wer möchte hier wohl toben und tollen, ich nicht und auch niemand sonst.


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