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Spieletest Privateer 2: The Darkening


PRIVATEER 2: THE DARKENING

Schwingen Sie sich ins Cockpit - endlich ist es soweit: Der "Privateer"- Nachfolger mit schwer aufgebohrter Story nimmt Sie wieder zum Handeln und Piratenjagen mit ins All.

Abteilung Programme, die dann doch noch erscheinen: Vor über einem Jahr waren die Filmaufnahmen zu "Privateer 2: The Darkening" bereits abgeschlossen. Weil aber die Grafik-Engine mehrfach neu programmiert werden mußte, hat es weitere zwölf Monate gedauert, bis das Spiel in die Regale gepackt werden konnte. Hält die vollständig überarbeitete Fassung des Weltraumspektakels auch spielerisch mit "Privateer" mit?

Anders als im ersten Teil sind Sie nicht mehr nur irgendein namenloser Pilot, der ohne Vorgeschichte zwischen den Planeten hin- und hergondelt. Na gut, mehr als einen Namen kennen Sie beim Spielbeginn auch noch nicht - den persönlichen Hintergrund müssen Sie Stück für Stück herausbekommen. Das Intro von The Darkening läßt Sie diesbezüglich in bester Kinomanier im Dunkeln. Ein Transportschiff ist im Landeanflug auf den Planeten Crius, wird jedoch urplötzlich von einigen Jägern unbekannter Herkunft angegriffen. Die Crew gibt ihr Bestes, um den Raumhafen von Mendra noch zu erreichen, doch vergebens - das Schiff stürzt ab. Nur eine einzige Person wird lebend geborgen und in die Spezialklinik auf Crius gebracht: Sie. Ihre Ärztin Dr. Frevel erzählt Ihnen, daß Sie den verheerenden Absturz nur überlebt haben, weil Ihr Körper im Kälteschlaf gehalten wurde und die Kühlkapsel die enorme Wucht des Aufpralls aufgefangen hat. Die schwere Krankheit, wegen der Sie auf Eis lagen, konnte erfolgreich kuriert werden. Nur eins liegt im Dunkeln: Ihre Vergangenheit. Bis auf Ihren Namen, Lev Arris, und ein auf geheimnisvolle Weise gefülltes Konto, weiß niemand etwas über Sie. Noch während des Gesprächs überschlagen sich die Ereignisse: Zwei finstere Gestalten dringen in die Klinik ein, zeitgleich erscheint vor dem Krankenhaus ein Raumschiff, das dessen Fensterfront in einen Scherbenhaufen verwandelt. Sie sind dem Chaos gerade entgangen, da schießen sich die beiden Männer den Weg zu Ihnen frei und zerren Sie in Richtung des Schiffes. Unterdessen stürmen zwei schwerbewaffnete Frauen in die Klinik, doch zu spät: Zwar können sie die Entführer niederstrecken, diese haben Sie aber schon an Bord des Schiffes verfrachtet, das, vom Autopiloten gesteuert, den Planeten verläßt.

The Darkening spielt im Tri-System, einem abgelegenen Teil des Universums. Hier gibt es weder Retros noch Kilrathi, und die Konföderierten sind weit, weit entfernt. Das macht aber nichts, denn die machtpolitischen Verhältnisse in den drei Sonnensystemen Irrulan, Issac und Hom sind nicht minder explosiv. Neben den allgegenwärtigen Militärs operiert die geheimnisvolle Polizeiorganisation CIS im Verborgenen gegen Spione und Schmuggler. Ihr gegenüber steht das kriminelle Imperium der Clans. Diese Piratenorganisationen fürchten sich vor nichts und niemandem und schmücken ihre Schiffe stolz mit den Clansfarben. Das Hauptquartier eines jeden der vier Piratenclans ist eine fliegende Festung, die auf keiner Sternenkarte verzeichnet sind, und von denen sich ein unschuldiger Händler möglichst weit fernhalten sollte. Im Vergleich mit den vier Quadranten in Privateer, die man erst bei fortgeschrittener Spieldauer komplett bereisen konnte, ist The Darkening übersichtlicher: Insgesamt 18 Planeten und Monde sowie zahlreiche Raumstationen warten auf einen Besuch. Letztere können Handels- oder Ausrüstungsbasen sein, sogenannte Superstationen verfügen fast über die gleichen Annehmlichkeiten wie ein Planet. Extrem große Distanzen quer durch die drei Systeme überbrücken Sie mit Hilfe von Sprungtoren, die künstlicheWurmlöcher erzeugen.

Nach Ihrer Entführung kommen Sie fünf Sprungpunkte von Crius entfernt im Raumhafen von Hermes wieder zu sich. Glücklicherweise haben die Kidnapper Ihnen Ihr PAD gelassen. Dieser kleine Taschencomputer hat den inzwischen leicht betagten "Quine 4000" abgelöst und enthält neben Ihrem Kontostand, einem elektronischen Tagebuch sowie einer Planetenkarte noch einige andere Funktionen wie E-Mail oder den Schiffsstatus. Ohne Schiff kein Status - einen fliegenden Untersatz kaufen Sie sich in einer Kommunikationskabine. Diese sind an das systemweite Kommerz- und Kommunikationsnetzwerk angeschlossen und ersetzen Gilden, Warenbörsen, Schiffshändler und Missionscomputer aus dem ersten Teil. In jeder Kabine befindet sich außerdem ein Monitor mit den neuesten Nachrichten sowie ein Bibliothekscomputer. In den Nachrichten erfahren Sie alles über aktuelle Entwicklungen wie planetare Hungersnöte, die Höchstpreise für Nahrungsmittel verheißen, oder Neuentwicklungen wie ein neues Geschütz, das Sie nur wenig später im Laden kaufen können. Die digitale Bibliothek, die Informationen über Personen, Schiffe, Firmen und Planeten des ganzen Tri-Systems gespeichert hat, wird bei der Suche nach Ihrer Vergangenheit eine entscheidende Rolle spielen.

Über nur vier Schiffstypen aus Privateer, die teil- weise so teuer waren, daß sie von Normalsterb- lichen erst sehr spät gekauft werden konnten, kann The Darkening nur lächeln. Insgesamt 18 Modelle stehen Ihnen hier zur Auswahl, von einer 10.000 Credits teuren Mühle namens Straith bis hin zum schweren Jäger Danrik für satte 250.000 Credits. Die einzelnen Schiffe unterscheiden sich nicht nur in Panzerung oder Geschwindigkeit. Fast noch wichtiger ist die Anzahl der möglichen Geschütze und Raketen. Sieben verschiedene Kanonen und neun unterschiedliche Raketensysteme stehen Ihnen zur Auswahl. Ebenfalls schiffsspezifisch sind Haltevorrichtungen für sogenannte Module wie Raumminen und leistungsstärkere Schutzschildgeneratoren, aber auch Spezialgeräte. Dazu gehören Kühlaggregate für das Waffensystem genauso wie der Reparaturroboter, ein besserer Nachbrenner oder ein leistungsfähigerer Schutzschild. Neu sind der "Warp Shield", der Sie für kurze Zeit unverwundbar macht, eine BSE-Einheit (keine Kuh, sondern ein Binary Sickness Emitter), die per Computervirus gegnerische Schiffe lahmlegt, und eine Atombombe. Diese macht kurzen Prozeß mit allen Schiffen in der näheren Umgebung. Sie entkommen dem elektromagnetischen Impuls dadurch, daß die Bombe Sie kurz vor der Detonation ein paar Sekunden in die Zukunft katapultiert. Andere Spezialgeräte winken bei erfolgreich absolvierten Missionen, und auch die Waffen werden erst nach und nach entwickelt. Das Cockpit Ihres Schiffs wird nicht angezeigt. Wie schon in "Wing Commander 4" blicken Sie immer im Vollbildmodus ins All, bei Bedarf werden Funksprüche oder andere Daten eingeblendet.

Der Kauf und die Ausrüstung Ihres Schiffs hat Ihr Konto fast völlig geleert. Um es wieder aufzufüllen, stehen Ihnen mehrere Möglichkeiten offen. Da wäre zuallererst der Handel mit legalen und nicht ganz so legalen Waren, die es auf jedem Planeten, Mond oder jeder Handelsstation gibt. Aus sieben Warengruppen wie Luxusgütern oder Erzen dürfen bis zu fünf verschiedene Materialtypen eingeladen werden. Logisch betrachtet, gab es bei "Elite" und Privateer immer ein kleines Problem: Wie konnte der wackere Freihändler Tonnen um Tonnen an wertvollen Gütern in sein kleines Raumschiff quetschen, ohne daß dieses auch nur im Geringsten an Manövriereinbußen oder erhöhtem Energiebedarf zu leiden hatte? Diese Frage löst The Darkening elegant: Mieten Sie einfach einen Frachter. Sechs verschiedene Typen stehen Ihnen parat, die sich in Ladekapazität, Geschwindigkeit und Bewaffnung unterscheiden. Gerade der letzte Faktor ist nicht zu unterschätzen: Nehmen wir an, Sie sind mit einer Ladung Blutkonserven zu einem Planeten unterwegs, auf dem sich vor kurzer Zeit eine riesige Katastrophe mit zahllosen Verletzten ereignet hat. Dann ist die Wahrscheinlichkeit nicht gerade gering, daß sich Ihnen auf dem Weg ein paar Piraten in den Weg stellen werden - da ist ein bewaffneter Transporter Gold wert. Leider sind die Frachter beim Abwehren von Angreifern nicht die Wendigsten. Hier hilft ein Wingman aus. Diese Begleiter können Sie im Raumhafen anheuern und im All in einer Art "Wing Commander Light" auf Ihr Ziel hetzen oder zum Flügel zurückbeordern. Sparen Sie nicht am falschen Ende: Geleitschutz, der für einen geringen Sold arbeitet, verliert in der Hitze des Gefechts öfter als ein alter Recke den Überblick und rammt am Ende noch verse- hentlich Ihr Schiff. Ist das Leben eines ehrbaren Händlers nichts für Sie, beginnen Sie einfach eine Karriere als Pirat und machen Jagd auf harmlose Frachter. Praktischerweise ist ein Traktorstrahl zur Bergung von heimatlos herumtreibender Ladung, den Sie auch in zahlreichen Missionen benötigen, serienmäßig in Ihrem Raumschiff eingebaut.

Aufträge sind das Salz in der Weltraumsuppe. Wenn Sie während eines langweiligen Transportfluges die Notfallfrequenzen abhören, flattert Ihnen öfters eine E-Mail ins Cockpit. Darin geht es meistens um die Wiederbeschaffung von Mensch und Material, die durch Unfälle oder Angriffe das Raumschiff unfreiwillig verlassen haben und in einer Notfallkapsel ihrer Rettung harren. Über die Kommunikationssysteme stehen Ihnen auf jedem Planeten eine Reihe von verschiedenen Aufträgen zur Auswahl. Von Patrouillenflügen, Begleitschutzmissionen, einem Angriff auf Piraten oder der Verteidigung eines manövrierunfähigen Schiffes über die Wiederbeschaffung gestohlener Waren bis hin zu Geheimaufträgen der CIS geht das Spektrum. Lassen Sie sich mit der Erfüllung zu lange Zeit, entzieht Ihnen Ihr Auftraggeber in einer bösen Nachricht die Mission, oder teilt mit, daß die zu rettende Person inzwischen tot geborgen wurde. Ab und zu erreichen Sie auch Spezialaufträge. Beispielsweise fordert die "Liga der vereinigten Jäger des Tri-Systems e.V." Sie zum sportlichen (und tödlichen) Wettstreit heraus. Wenn Sie gegen insgesamt zehn Ligamitglieder erfolgreich bestehen können, sind Sie um 12.000 Credits reicher. Ein anderes Mal werden Sie von einem Senator um Hilfe gebeten, dessen Tochter von einem Verrückten entführt wurde. Um sie wiederzufinden, müssen Sie eine Reihe von Denksportaufgaben lösen. Die Lösungszahlen führen Sie zu einer Reihe von Navigationsbojen, an denen schon die nächsten Aufgaben auf Sie warten.

Besonders schick sind natürlich Aufgaben, die per Video an Sie herangetragen werden. So meldet sich Xavier Shoudi alias Jürgen Prochnow per E-Mail bei Ihnen und bittet um ein Treffen in der Surgeons-Blunder-Bar auf Crius. Dort eröffnet er Ihnen, daß er eine Eskorte für einen Waffentransporter nach Karatikus benötigt, und dafür auch kräftig ins Portemonnaie greifen will. Ein anderes Mal treffen Sie in der Blessed-Brew-Bar auf Bex die bekannte "Tante" Maria. Diese möchte von Ihnen gegen Bares vom Planeten geschmuggelt werden.

Neben all diesen Ereignissen geht die Rahmenhandlung, die Suche nach Ihrer Identität, weiter. Bei einem Besuch auf Crius zeigt sich ein gewisser Dr. Loomis nicht sehr auskunftsfreudig. Er war zusammen mit der bei Ihrer Entführung getöteten Dr. Frevel für Ihre Wiederherstellung verantwortlich. Später bekommen Sie dann doch eine E-Mail von ihm, in der er Ihnen den Namen des Schiffes verrät, in dem Ihre Kühlkapsel gefunden wurde. Mit diesem Wissen begeben Sie sich in eine Kommunikationskabine und finden über Bibliothek eine Bergungsfirma heraus, die das Schiff seinerzeit entsorgt hat. Sie müssen die Haupthandlung nicht unbedingt schnurstracks durchspielen, sondern können auch beliebig lange an der Verbesserung Ihres Schiffes arbeiten.

Rund 60 Schauspieler gaben sich für die Videoproduktionen von The Darkening ein Stelldichein, wohl mit ein Grund für die immensen Darkening-Produktionskosten von fünf Millionen Dollar. Neben Jürgen Prochnow sind das unter anderem John Hurt (Alien), Amanda Pays (Max Headroom), David McCallum (Solo für O.N.K.E.L) oder Christopher "Ripper" Walken. In der deutschen Version spricht Prochnow sich selbst, die anderen Stars werden durchweg von ihren deutschen Stimmen oder anderen bekannten Synchronsprechern übernommen.

Auch im Weltall sieht es sehr gut aus: Der Flug von Planet zu Planet wird in wunderschöner Super-VGA-Grafik in einer Auflösung von 640 mal 480 Bildpunkten dargestellt. Explodierende Schiffe zerbersten in mehrere Teile, die wiederum in einer gewaltigen Detonation verschwinden. Allerdings werden auch Großraumschiffe nur in einer einzigen Explosion, nicht, wie man annehmen könnte, einer ganzen Kaskade von Feuerbällen in ihre Einzelteile zerlegt. Schäden an Ihrem Schiff haben natürlich Auswirkungen, beispielsweise auf die Steuerung oder Zielgenauigkeit. Im Vergleich zum Vorgänger sind die Funksprüche in The Darkening statisch - zum gesprochenen Text gibt es lediglich ein Standbild. Selbst "nur" eine Animation des Gesprächspartners hätte zur Erhöhung der Atmosphäre beigetragen. Gleiches gilt für die Wingmen: Da die meisten immer mal wieder auftauchen, hätten individuelle Stimmen für jeden Flügelmann für einen gewissen Vertrautheitsbonus gesorgt. Allerdings wurden auch beim ersten Privateer immer die gleichen Stimmenschnipsel abgespielt. Ein kleines Manko: Die - zugegebenermaßen stark begrenzte -Interaktivität von Privateer, bei dem beispielsweise ein Militärpilot auf verschiedene Funksprüche unterschiedlich reagierte, fehlt beim Nachfolger. Generell können nur mit dem eigenen Frachter oder Flügelmann ein paar Worte gewechselt werden. Allen anderen Schiffen, oder auch den Stationen und Planeten, müssen Sie sich erst einen gewissen Abstand genähert haben. Merkwürdigerweise wird die Schadensanzeige eines anvisierten Ziels selbst dann noch akkurat angezeigt, wenn es sich schon weit über tausend Abstandseinheiten von Ihnen entfernt hat. Auch dessen Hilferufe dringen noch aus dem Lautsprecher. Haben Sie eine MIDI-Karte in Ihrem PC, wabern im Weltraum unheilsschwangere Klänge aus den Boxen, die sich je nach Situation ändern. Landen Sie auf Planeten oder anderen Himmelskörpern, werden Sie oft mit einer kleinen Anflugsequenz auf den Raumhafen belohnt. Im Hafen selbst ertönen stimmungsvolle Ambientegeräusche, auf der Klosterwelt Bex sind das zum Beispiel dumpfe Glockenklänge und verschwörerisches Gemurmel. Die Ortschaften auf den Planeten sind fast schon fotorealistisch zu nennen, kleine Animationen oder eingefügte Personen sorgen für Atmosphäre. Jedoch: Den immer gesprächsbereiten Barkeeper gibt es nicht mehr. Nur, wenn es für eine Mission erforderlich ist, treffen Sie auf redselige Personen. Die oft banalen Sprüche des Wirts haben dafür Einzug in die täglichen Nachrichten gefunden, auch wenn dadurch ein Tick von Atmosphäre verlorengeht. Dafür zeigen kurze, stimmungsvolle Videos den Transfer von Orbit zum jeweiligen Raumhafen oder auch das Umherwandern auf einem Planeten an. Einmal gelandet, darf auch einer von zehn Spielständen gesichert oder geladen werden.

(ra)

Den kompletten Test finden Sie in PC Player 12/96.


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