Vom Ernter zum Goldgräber
Die C&C-Designer geben offen zu, daß die Intelligenz der Ernter im ersten Teil nicht gerade zu Begeisterungsanfällen gut war. Die Tiberium-Sammler fuhren die abstrusesten Wege, blieben einfach stehen und schauten mit Vorliebe bei der gegnerischen Basis vorbei. In Alarmstufe Rot soll sich dieser wichtigste Truppentyp merklich klüger verhalten. Dazu zählt, daß nun das am einfachsten zu erreichende Abbaugebiet angesteuert wird, anstatt allein aufgrund der Luftlinie zu entscheiden. Nach Tiberium wird freilich nicht mehr geschürft, statt dessen dient Gold als Kapitalquelle. Wieder läßt sich direkt auf der Karte erkennen, wo wieviele Vorräte auf den nächsten Sammler warten. Neben dem Gold liegen manchmal Edelsteine herum. Diese bringen zwar beim Umwandeln in harte Währung dreimal soviel Credits ein, befinden sich aber grundsätzlich nur an besonders gefährlichen Stellen. Es bleibt daher zu hoffen, daß die Intelligenz der Ernter auch zum Edelsteinsammeln ausreichen wird. Ebenfalls die Spielbarkeit erhöhen sollen die neuen "Wegpunkte": Manchen Kampfeinheiten kann nicht nur ein Ziel vorgegeben werden, sondern bestimmte Streckenabschnitte dorthin. Auf diese Weise sollten sich auch Patroulliengänge verwirklichen lassen.
Landschaften und Aufklärung
Wie schon beim Vorgänger wird es drei Terrainformen geben. Passend zur russischen Seite ziehen die Truppen durch verschneite Winterlandschaften; die in Europa spielenden Missionen sind größtenteils in Wald- und Wiesenregionen angesiedelt. Der Clou ist jedoch die dritte Umgebung: Einige Szenarios finden komplett im Inneren riesiger Gebäudekomplexe statt. Natürlich baut man keine Basis, um etwa ein Atomkraftwerk zu erobern. Statt dessen kommen in diesen Spezialeinsätzen überwiegend Infanteristen zum Zug, die sich mühsam Raum für Raum vorkämpfen müssen. Da an dieser Umgebung zur Stunde noch gefeilt wird, können wir Ihnen leider keine Bilder davon zeigen.
Bei Command & Conquer wurde die anfänglich schwarze Karte Stück für Stück durch Kampfeinheiten aufgedeckt. War ein Bereich erstmal sichtbar, blieb er es auch - im späteren Verlauf einer Mission war man so vor Überraschungen (Helikopter-Angriffe ausgenommen) sicher. Zum Vergleich: Bei Blizzards "Warcraft 2" wird zwischen entdecktem Terrain und sichtbaren Truppen unterschieden; wenn eine Stelle nicht im Sichtbereich der eigenen Kampfeinheiten liegt, können sich dort unbemerkt ganze Armeen sammeln. Red Alert hat in Sachen Aufklärung zugelegt, ohne den Konkurrenten zu kopieren. Vielmehr wird ein bereits aufgedeckter Kartenbereich nach einiger Zeit wieder dunkel, wenn sich dort keine eigenen Truppen aufhalten. In der Nähe der Heimatbasis, wo ja ständiger Verkehr herrscht, braucht man sich um die Aufklärung keine Sorgen zu machen. Die gegnerischen Stellungen jedoch, wohin sich nur einzelne Aufklärer und starke Truppenverbände wagen, werden immer wieder im Dunkeln verschwinden. Nach Aussage von Westwood wird eine gute Taktik darin bestehen, im Hinterland verwundete Einheiten auf und ab patrouillieren zu lassen.
Viele neue Einheiten und Gebäude
Bei der Aufklärung helfen auch einige der neuen Einheiten. So kann man ein Spähflugzeug herbeirufen, das einige Zeit über einer gewünschten Position kreist und einen kreisrunden Bereich aufdeckt. Natürlich gibt es auch Gegenmaßnahmen, und zwar in Form der sogenannten "Gap Generatoren". Diese färben nach Fertigstellung in einem bestimmten Radius die vom Gegner bereits aufgedeckten Gebiete wieder schwarz. Um dagegen anzukommen, muß der Generator zerstört werden. Eine kleinere Version dieses Radar-Störers ist zwar weniger effektiv, kann dafür aber auf Lastwagen verladen werden und somit Vorstöße verschleiern. Der Gegner sieht dann, daß sich ein schwarzer Fleck auf ihn zubewegt, aber die genaue Zusammensetzung des Trupps kann er nicht erkennen.
Besonders gemein sind die Spione, welche der Gegner kaum von eigenen Truppen unterscheiden kann. Wenn sie die gegnerische Basis erreichen und erfolgreich infiltrieren, geben sie Ihnen Auskunft über die Geld- und Energievorräte der anderen Seite. Um sich vor diesen lästigen Besuchern zu schützen, setzt man am besten Wachhunde ein. Diesen wird ein bestimmtes Gebiet zugewiesen, das sie bis zum Letzten verteidigen. Im Baumenü sind auch wieder verschiedene Befestigungswälle zu finden. Während Panzer Sandsäcke einfach überrollen können, müssen sie Betonmauern zeitraubend mit ihren Kanonen zerstören. Eine der stärksten Defensivwaffen ist die Tesla-Spule, welche bei Herannahen eines Gegners - egal, ob zu Lande, zu Wasser oder in der Luft - eine mächtige elektrische Entladung erzeugt. Um Spulen aus dem Weg zu räumen, benutzen gewiefte Strategen weitreichende Waffensystemen wie Artillerie oder Schlachtschiffe. Die vielleicht witzigste neue Einheit trägt den Namen Tanya - die mit zwei Pistolen bewaffnete Einzelkämpferin löst nach den Regeln der Gleichberechtigung den Rambo-Verschnitt des Vorgängers ab.
Kämpfe nicht nur auf dem Land
Gab es bei C&C nur computergesteuerte Kanonenboote, gebietet man bei Alarmstufe Rot über richtige Flotten. Schlachtschiffe sind extrem langsam, dafür aber schwer gepanzert und im Besitz der größten Schußreichweite. Kreuzer erweisen sich zwar als weniger schnell als Panzer, stellen aber eine gute Mischung aus Feuerkraft und Geschwindigkeit dar. Die kleinen Zerstörer übernehmen die Rolle von Seeaufklärern und U-Boot-Jägern. Der wesentliche Vorteil der Unterwasserschiffe ist natürlich ihre Unsichtbarkeit. Wenn sie einmal einen Angriffsbefehl erhalten haben, tauchen sie erst in unmittelbarer Nähe vom Ziel wieder aus den Fluten auf. Besonders gefährlich sind sie für die Transportschiffe, die Infanteristen und Panzer befördern können. Anlanden dürfen die Invasionstransporter ihre Fracht aber nur an flachen Strandabschnitten; Steilküsten können nicht überwunden werden.
Unter dem sinnigen Namen "Eiserner Vorhang" verfügt die sowjetische Einheit über eine spezielle Vorrichtung, die zeitlich begrenzt eigenen Einheiten die Flucht erleichtert. So kann man angeschlagene Verbände vom Gegner lösen und in der Nähe der eigenen Basis wieder aufpäppeln - zum Beispiel durch den neuen Truppentyp der Sanitäter. Die "Chronosphere" besitzt die Fähigkeit, in Reichweite befindliche Truppen zu teleportieren. Damit können nicht nur unvorsichtige Gegner verstreut, sondern auch eigene Schiffe in eigentlich unzugängliche Meeresgebiete versetzt werden. Eine Sonarvorrichtung (über die nur die Westmächte verfügen) deckt sämtliche U-Boote auf, womit sich Hafenanlagen und Transporter besser abschirmen lassen.
Auch in der Luft haben Echtzeit-Generäle nun einiges zu tun. Die beliebten Helikopter wurden beibehalten und feuern wiederum mit einem begrenzten Vorrat an Raketen. Doch während C&C Jets nur als seltene Spezialaktion kannte, darf man bei Red Alert mehrere Flugzeuge bauen. Neben den schon erwähnten Aufklärern wurden verschiedene Bomber und Jäger, etwa die russische MIG, integriert. Jedes Flugzeug benötigt eine eigene Landebahn, ähnlich den Heli-Pads. Wird diese zerstört, stürzt der zugehörige Flieger nach einiger Zeit unweigerlich ab, wenngleich er noch einen letzten Angriff durchführen kann.
Neue Missionstypen
Eine der größten Stärken von C&C waren die Missionen, bei denen es nicht nur auf das übliche Vernichten aller Gegner ankam. So mußten Geiseln befreit, Attentate auf Wissenschaftler verübt oder Kisten gefunden werden. Zwischen den Einsätzen sah man aufwendige Zwischensequenzen, in denen die Rahmenhandlung weitergeführt wurde. Natürlich bietet auch Red Alert dieses Präsentations-Drumherum; wiederum agieren Schauspieler vor gezeichneten Hintergrundgrafiken. Dazu kommen neue Animationssequenzen mit gerendertem Kriegsmaterial. Man darf zwischen zwei Kampagnen wählen und entsprechend die sowjetische oder alliierte Seite spielen. Jede Partei verfügt über eigene Kampfeinheiten und Gebäude; die "Roten" haben die stärkeren Panzerkräfte, die Westmächte eine überlegene Luftwaffe. Es gibt wieder Parallelmissionen, so daß Sie beim ersten Durchspielen einer Kampagne nicht alle Szenarios sehen werden.
Der fiktive Charakter von Alarmstufe Rot zeigt sich nicht nur in der freien Interpretation des bekannten Hammer-und-Sichel-Symbols. Da Hitler und die Nationalsozialisten niemals an die Macht gekommen sind, steht Deutschland auf Seiten der Alliierten. Albert Einstein ist nicht nach Amerika emigriert, sondern wurde von den Sowjets gefangengenommen. Eine "Indoor"-Mission wird daraus bestehen, den Wissenschaftler aus einem Forschungstrakt zu befreien. Oberste Priorität für den kleinen Stoßtrupp, der das Areal durchsucht, ist natürlich das Überleben des Forschers. Für Ihre Hilfe bedankt sich Einstein mit einer waffentechnisch nutzbaren Erfindung. Wartete C&C mit drei Spezialattacken auf (Luftangriff, Ionenstrahl, Atomrakete), so soll es beim Nachfolger sieben geben.
In einem anderen Szenario bewegt sich ein russischer Konvoi auf eine schutzlose Alliiertenbasis zu. Nur eine kann die Lage noch retten - Tanya, die Einzelkämpferin. Sie verzögert den Anmarsch der Gegner, so daß dem Hauptquartier Zeit bleibt, eine Verteidigung aufzubauen. Dabei macht sich Tanya eine weitere Neuerung zunutze: Waren im ersten Teil Brücken unzerstörbare Bestandteile der Hintergrundgrafik, können sie nun gesprengt werden. Eine andere Mission spielt, gängigen Vorstellungen über die Sicherheit der russischen Atomindustrie folgend, auf einer weiteren Innenraumkarte: Ein Elitekommando versucht, in einem Riesenreaktor die drohende Kernschmelze zu verhindern. Natürlich finden auch Freunde handelsüblicher Massenschlachten genug Material - viele Missionen werden die vollständige Vernichtung der gegnerischen Basis zum Ziel haben. Dazu kommen kombinierte Aktionen wie etwa die Invasion einer Nachbarinsel.
Oberste Priorität: der Multiplayer-Modus
Command & Conquer wäre als reines Solospiel längst nicht so erfolgreich gewesen: Die vielen Zusammenhänge zwischen grundverschiedenen Truppentypen kamen erst beim Ringen mit menschlichen Kontrahenten richtig zur Geltung. Der Multiplayer-Modus von Red Alert erlaubt nun bis zu acht Mitspieler per Netzwerk. Ein Ärgernis im ersten Teil war das zufällige Verteilen der Parteien auf vorgegebene Startpositionen. Dadurch starteten oftmals zwei Spieler eng nebeneinander, während der andere eine ganze Kartenhälfte für sich allein hatte - Neustarts oder unfaire Partien waren die Folge. Red Alert verstreut die Teilnehmer gleichmäßig über die größer gewordenen Karten, so daß genug Zeit zum Ausbau einer Basis bleiben sollte. Was bei Warcraft 2 längst eine Selbstverständlichkeit ist, bietet nun auch Westwoods Echtzeit-Taktik: In den Mehrspieler-Levels darf man gegen basisbauende Computergegner antreten. Diese kommen in drei Schwierigkeitsstufen vor; je einfacher der Level, desto langsamer reagiert die KI, und desto teurer und weniger kampfkräftig ihre Truppen. Mindestens eine der Multiplayer-Karten wird eine reine Seeschlacht sein: Zwei kleine Inseln geben gerade genug Platz für einen großen Hafen her, alles andere entscheidet sich im offenen Meer.
Der Verkaufsversion von Alarmstufe Rot soll ein Editor beiliegen, mit dem man eigene Karten basteln kann, aber keine Truppen oder Gebäude plazieren. Virgin rechnet damit, daß Alarmstufe Rot bis Ende Oktober in die Regale kommen wird.
(la)
|