"Deutschland mag uns einfach nicht"
Fast wie Kriegsberichterstattung: Boris Schneider kämpft sich durch den Quake-Messestand, um die Wahrheit über den Doom-Nachfolger zu erfahren.
Es ist nicht einfach, id-Geschäftsführer Jay Wilbur zu interviewen. Er hat sich auf der ECTS in einem lebensgroßen Quake-Level verschanzt: Der Messestand von Distributor GTI sieht von außen und innen genauso aus wie das Geschehen auf dem Bildschirm. Lediglich die Monster werden durch besonders knapp bekleidete Damen ersetzt. Als Boris schließlich seinen Rekorder auspackt, ist Jay auch nicht der gesprächigste. Zum einen hat er den Atlantik-Flug noch nicht verkraftet, zum anderen schaut er lieber seinem Marketing-Leiter Mike Wilson beim Spielen zu, als Fragen eines deutschen Reporters zu beantworten. Denn schließlich hat unser Land ja gewagt, sein schönes Spiel zu indizieren.
PC Player: Das auf dem Monitor sieht ja ziemlich fertig aus. Wie weit seid Ihr denn jetzt?
Jay:
Wir sind gerade dabei, die individuellen Levels zu testen. Wir haben sie noch nicht miteinander verbunden, um ein komplettes Spiel zu bekommen. So etwa zwölf Level sind jetzt ziemlich endgültig.
PC Player: Und wieviele Levels sollen es werden?
Jay: Für das ganze Spiel? 25, vielleicht bis zu 30. Es wird langsam, wir sind fast am Ziel.
PC Player : Aber die Technik ist fertiggestellt?
Jay: Die Technik ist nahezu komplett. Natürlich fummeln wir immer noch an Details. Wir sind damit eigentlich nie ganz fertig, weil immer noch eine Idee da ist.
Mike: (der gerade ein Monster zerlegt hat) Cool! Ganz schön tricky, wenn die Kerle da zurückkommen...
Jay: Ja, die verfolgen Dich solange, bis Du sie total auseinandernimmst. Übrigens da drüben ist eine Stelle mit einem Schlüssel. Wenn Du zu nahe ran kommst, öffnet sich der Boden, der Schlüssel fällt herunter. Ist aber noch nicht implementiert, also kannst du den Schlüssel nehmen.
Mike: Der Level muß von American (McGee) sein. Lauter Jesus-Köpfe...
Jay: Ich glaube Trent (Reznor) überredet ihn, die Köpfe da einzubauen.
PC Player: Wird Quake denn eine Hintergrundstory haben?
Jay: Irgendjemand wird schon eine erfinden.
Mike: Aus Doom konnten wir ja auch vier Taschenbücher rausziehen...
Jay: ...und einen Filmdeal! Frag uns nicht nach der Story, Mann.
PC Player: Haben sich die Bücher denn verkauft?
Jay: Ja. Schon ein paar Hunderttausend. Wenn man sie als der Pulp-Science-fiction-Müll nimmt, der sie ja sind, macht es schon Spaß, sie zu lesen. Wenn man hingegen nach der moralischen Doom-Nachricht sucht...
PC Player: Filmdeal mit Universal, Taschenbücher, setzt Euch das nicht ein wenig unter Erfolgsdruck, bei Quake auch solche Deals abzuschließen?
Jay: Nun, wenn ein Produkt die Qualität hat, wie Doom und wie Quake sein wird, bringt das automatisch diese Lizenzen ein. Doom wird immer bei uns bleiben. Doom ist wie Pac-Man. In zehn Jahren werden die Leute sagen: "Eh, Mann, Doom, erinnerst Du Dich?" - "Ja, das war cool". Quake wird das auch schaffen. Es ist die nächste Generation.
PC Player: Quake setzt ja noch mehr auf Multiplayer als Doom. Aber spielen die meisten nicht immer noch alleine?
Jay: Das ändert sich rapide. Wie kommt das Internet in Europa voran?
PC Player: OK in England, Deutschland ist ein Problem wegen der teuren Ortsgespräche. In Deutschland kosten drei Minuten nachts 12 Pfennige.
Jay: Wow! Das ist TEUER! In den Staaten sehen wir Multiplayer als absolut wichtig an. Es ist für uns privat wichtig. Daher bieten unsere Spiele diesen Fokus, eben weil wir selbst so viel Spaß damit haben.
PC Player: Guckt Ihr Euch eigentlich die ganzen Doom-Clones an?
Jay: Wir sind uns schon bewußt, was um uns herum vorgeht, welche Firmen was tun.
Mike: (gurgeln aus dem Monitor, als seine Spielfigur auftaucht): Hey, stark!
Jay: Weißt Du, was wir machen müssen? Der Typ muß nicht nur gurgeln, sondern auch Wasser spucken! - Wir konzentrieren uns auf unsere Spiele in den vier Wänden unseres Büros. Wir schauen uns die anderen Sachen nicht so genau an. Da draußen sind schon ein paar spaßige Clones, aber selbst Dinge wie Duke Nukem 3D machen nur Doom nach. Quake ist dem um Lichtjahre voraus.
Mike: Wo ist denn hier der Health-Cheat?
Jay: God-Mode? Tipp einfach God...
PC Player: Ich nehme an, Ihr packt da noch ein richtiges Menü hinein.
Jay: Ja, da kommt noch ein Menü rein, aber das Kommandozeilen-Interface bleibt drin. Es ist so viel schneller für Profi-Spieler. - Hey, der Kerl hängt ja in der Luft fest! - Die Profis... - Jesus, drück sofort die Escape-Taste!
PC Player: Ein bißchen brutal ist das ja schon. Werdet Ihr das für Deutschland ein wenig entschärfen?
"Wenn die Regierung entscheidet, daß die Leute es nicht sehen sollen, na gut."
Jay: Nein, wir machen keine Änderungen für den deutschen Markt. Wenn die Regierung entscheidet, daß die Leute es nicht sehen sollen, na gut.
Mike: (unter Kettensägen-Geräuschen) Da ist ja ein Hund!
Jay: Ja, die Todesanimation ist noch nicht drin. - Wir haben gerade die Indizierung von Doom 2 für den Mac und die Playstation auf den Tisch gekriegt. Deutschland mag uns einfach nicht. - Mike, hier geradeaus, dann rechts.
PC Player: Also irgendwie sehen diese Levels alle wie Doom aus; in Duke gibt es wesentlich mehr Abwechslung.
Jay: All diesen Schnickschnack betrachten wir als "Fluff". Bringt dem Spielspaß nichts. Und alles, was nicht den Spielspaß fördert, wird von uns einfach ignoriert. "Gameplay is everything". Wir haben die beste Technologie der Welt. Aber wenn das Spiel keinen Spaß macht, wird's niemand kaufen.
PC Player: Gibt es wieder eine Shareware-Version?
Jay: Genau auf die gleiche Art und Weise wie Doom. Ein Drittel kannst Du downloaden. In Europa mußt Du den Rest im Laden kaufen. In USA machen wir es anders. Du kannst uns anrufen, mit einer Kreditkarte einen Code kaufen, der die restlichen Level "aufschließt". Im Laden gibt es nur eine preiswerte Shareware-Version zu kaufen. Wir umgehen damit den Händler. Das Geld für die Vollversion landet zu hundert Prozent bei uns. In Europa geht das nicht, so etwa sechzig Tage nach dem USA-Launch gibt es die verpackte Vollversionen ohne Code im Laden.
PC Player: Irgendein Cracker hat doch den Code innerhalb von Tagen geknackt. Habt Ihr da keine Angst?
Jay: Genausoviel Angst wie vor jemandem, der eine Raubkopie von Doom macht und über's Internet schickt. Alles schon x-mal passiert. Was soll's. Software-Piraterie stoppen zu wollen ist, wie einen Waldbrand zu löschen, indem man darauf pinkelt.
PC Player: Wie sieht es mit 3D-Grafikkarten aus?
Jay: Wir schauen uns alle an. Direkt nach der DOS-Version kommt eine Windows-95-Version. Die wird mit Direct 3D arbeiten und damit sowieso alle Boards unterstützen, die einen entsprechenden Treiber haben. Für die DOS-Version gibt es die Möglichkeit, externe Treiber einzubinden. Die können die Hardwarefirmen dann selber schreiben. Und ihre eigene Telefonnumer einbauen, damit die Leute nicht bei uns anrufen, wenn Quake auf deren Grafikkarten abstürzt.
PC Player: Die Testversion vom Februar hat doch Eurem Ruf geschadet. Einige haben danach gesagt, Quake wäre nicht so toll, id hätte den Zenit überschritten. Insbesondere im Vergleich mit Duke.
Jay: Ich glaube nicht, daß uns das geschadet hat. Wir haben sehr wertvolle Informationen über Internet-Spiele-Programmierung erhalten. Am Ende wird das Spiel durch die Testversion besser.
Mike: Vom Marketing-Standpunkt her war es trotzdem eine schlechte Idee.
Jay: Aber vom Test-Standpunkt her eine sehr wertvolle Idee.
PC Player: Also kein Vergleich zu Duke?
Jay: Wenn Leute ernsthaft ein Urteil über Quake fällen, nachdem sie diese Testversion gesehen haben, dann könnten die auch versuchen, einen Ferrari anhand einer Zündkerze zu beurteilen. Eins hat uns wirklich geärgert: Magazine, die "Quake ist da!" schreiben. Es war kein Quake, es war ein Netzwerk-Test.
PC Player: Die wichtigste Frage zum Schluß: Wann erscheint Quake wirklich?
Jay: Sobald die Entwickler fertig sind. Aber der Tag kommt immer näher. Kein Datum. Basta. Ich lege mich bestenfalls auf das Jahr fest. Irgendwann 1996.
Mit Jay Wilbur sprach Boris Schneider.
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