Das Jahr-2000-Problem


Unsicherheiten über die Zukunft schlagen sich in vielfältigen Hoffnungen und Ängsten nieder. Die Geschichte zeigt, daß insbesondere „runde“ Jahreszahlen immer wieder kühne Spekulationen auslösen. In weniger als drei Jahren wird mit dem 01. Januar 2000 ein besonders markanter Zeitpunkt erreicht: Für die mit Informationsverarbeitung befaßten Personen ist mit diesem Zeitpunkt das „Jahr-2000-Problem“ verbunden.

In vielen Informationssystemen wird das Jahr nur durch die beiden letzten Ziffern YY der vierstelligen Jahreszahl CCYY repräsentiert. Dies ist auf mehrere Gründe zurückzuführen: Zum einen erfordert eine zweistellige Jahresrepräsentation gegenüber vierstelligen Angaben weniger Platz und daher kurz- und mittelfristig weniger Kosten. Dies war in den frühen Jahren der Informationsverarbeitung wichtig. Zum anderen ahnten viele Systementwickler nicht, daß die von ihnen entwickelten Programme noch im Jahr 2000 im Einsatz sein würden. Sie haben die Komplexität der gewachsenen Anwendungssysteme und die mit ihnen verbundenen Konversionsprobleme unterschätzt.

Zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Systeme waren Methoden und Werkzeuge des Information Engineerings noch nicht ausgereift formuliert bzw. verfügbar; in manchen Projekten wurde zudem aufgrund von Zeit- und Kostenvorgaben auf unproduktiv erscheinende Arbeiten zur Verbesserung der Software-Qualität verzichtet. Darüber hinaus ziehen Benutzer kürzere Dateneingaben längeren vor.

Sind bei Erfassung großer Datenvolumina zahlreiche Jahreszahlen einzugeben, so ist die Eingabe zweistelliger Jahresangaben wesentlich bequemer. und es wird deutlich weniger Platz benötigt. Auf Berichten und Bildschirmanzeigen wurde ebenfalls auf die Angabe von CC=19 oft verzichtet, um Platz zu sparen und die Ausgaben übersichtlicher zu machen. Die unzureichende Entkoppelung von Benutzerschnittstelle und Datenspeicherung führte dazu, daß die Jahreszahlen auch zweistellig gespeichert wurden. Aus diesem Grund ist das Jahr-2000-Problem nicht auf Mainframes beschränkt, sondern auch in PC- und Client/Server-Umgebungen vorzufinden.

Die Speicherung zweistelliger Jahreszahlen YY und die darauf basierenden Verarbeitungen unterstellen implizit CC=19. Diese Annahme wird verletzt, sobald Daten zu verarbeiten sind, die sich auf das Jahr 2000 oder spätere Jahre beziehen. Das Jahr-2000-Problem also tritt nicht erst am 01. Januar 2000 auf, sondern kann in Informationssystemen mit längerem zeitlichen Vorgriffshorizont bereits erheblich früher relevant werden; so ist es z.B. bei der Abbildung 30-jähriger Versicherungsverträge oder 10-jähriger Darlehen bereits aufgetreten.

Änderungsbedarf besteht jedoch nicht nur in Anwendungen, sondern auch in der individuellen Informationsverarbeitung. Endbenutzer-Tools müssen auf aktuelle Versionen gebracht werden, um Jahr-2000-fähig zu sein; Microsoft empfiehlt, vor dem Jahr 2000 auf 1997 oder später freigegebene Versionen zu wechseln. Aber auch derartige Releases schließen nicht aus, daß ungeschulte Endbenutzer Anwendungen erstellen, die am Jahr-2000-Problem scheitern.

Zudem ist das Jahr 2000 ein Schaltjahr. Dieser Sachverhalt wird auch heute noch oft vergessen. Anders als andere volle Jahrhunderte, handelt es sich bei Jahren, die durch 400 teilbar sind auch um Schaltjahre mit 366 Tagen. Um so wahrscheinlicher ist, daß viele Systementwickler in der Vergangenheit nicht intensiv recherchiert haben, ob das Jahr 2000 ein Schaltjahr ist oder nicht. Ein Indiz dafür ist, daß die Tabellenkalkulationsprogramme Lotus 1-2-3 und MS Excel im Hinblick auf Schaltjahre in verschiedenen Releases unterschiedliche Fehler bei Handhabung der Jahre 1990 und 2000 aufweisen. (an)


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