Der Cyber-Filz - freies Internet Utopie

cid München - Die Idee von einem freien, weltweiten und unbürokratischen Datennetz ist nur noch eine Illusion. Denn das Internet gehört längst nicht mehr allen und auch die Zeiten der Basisdemokratie sind vorbei. Firmen und Verbände setzen verstärkt ihre Interessen durch, das Big Business bestimmt, wo es im Internet in Zukunft lang gehen wird.

Über allen Vereinigungen thront die Internet-Dachorganisation "Internet Society (ISOC)", deren Aufgabe es ist, die Standards für den Ausbau und die Gestaltung des Netzes festzulegen sowie die prestigeträchtige Namensvergabe bei Web-Adressen zu regeln. Sowohl Standards als auch die "richtige" Web-Adresse können über Marktanteile, Gewinne und Macht im Netz und in der jeweiligen Wirtschafts-Branche entscheiden. Und so ist es auch kaum verwunderlich, daß allen voran die US-Konzerne der Hard- und Softwareindustrie versuchen, den Kuchen unter sich aufzuteilen. Sie sind in allen Ausschüssen und Gremien in der Überzahl und sitzen in deren Vorständen. Ganze Kontinente wie Afrika oder Australien sind dagegen laut dem Computermagazin "Chip" in diesen Gremien gar nicht vertreten, die Europäer oder Japaner machen nur einen kleinen Prozentsatz aus.

Wie wichtig die Namensvergabe im Internet ist, zeigt sich ganz deutlich am derzeitigen Streit, wie die Zuteilung der Internet-"Domain-Namen" zukünftig international geregelt werden soll. Denn schon die Frage, wer zum Beispiel die Adresse "chip.com" für sich beanspruchen darf, führt in das Labyrinth des Internationalen Handelsrechts. Wer soll hier den Zuschlag bekommen, die Zeitschrift gleichen Namens oder Unternehmen der Hardware-Industrie?

Auch in Deutschland wird bei der Namensvergabe der ".de"-Adressen kräftig abkassiert. Und das, obwohl die zuständige Verwaltungsorganisation selbstlos und uneigennützig agiert und ihre Finanzen offen legen müßte. Doch die deutsche Interessenvereinigung (IV) Denic tut nichts dergleichen. Was genau mit den 25 DM Einnahmen pro registriertem Domain-Namen passiert - 1996 immerhin fast 750.000 DM - ist ein gut gehütetes Geheimnis.

Während also öffentlich noch über die möglichen Folgen des kommerziellen Übergriffs auf das Internet diskutiert wird, sieht die Realität im Cyberspace schon ganz anders aus: Geld regiert und hat sich schon längst die besten Online-Plätze für die Zukunft gesichert.
cid/co