Drei gewaltlose politische Gefangene wurden im Zusammenhang mit
Menschenrechtsaktivitäten vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen.
Drei möglicherweise gewaltlose politische Gefangene waren unter dem
Vorwurf der Verleumdung des Präsidenten zwei Monate lang inhaftiert. Sechs
weitere möglicherweise gewaltlose politische Gefangene, die 1994 in
Gewahrsam genommen worden waren, kamen aus der Haft frei. Ein Oppositioneller
soll in der Haft gefoltert worden sein, und ein internationaler
Menschenrechtsbeobachter sah sich Mißhandlungen ausgesetzt, nachdem die
Polizei ihn willkürlich festgenommen hatte. Der Sohn eines
Oppositionsführers wurde von mutmaßlichen Regierungsbeamten
tätlich angegriffen. Über das Schicksal dreier
»verschwundener« islamischer Aktivisten bestand nach wie vor
Ungewißheit. Gerichte verhängten mindestens zwölf Todesurteile.
Wie viele Gefangene hingerichtet wurden, entzog sich der Kenntnis von amnesty
international.
In einer Rede vor dem Parlament (Olij Madzlis) forderte Präsident Islam Karimow im August die Bildung aktiver Oppositionsparteien, Pressefreiheit sowie Garantien für die Wahrung der Bürgerrechte. Im September wurde ein Gesetzesentwurf über politische Parteien veröffentlicht, der bis Jahresende jedoch nicht in Kraft getreten war. Im Berichtszeitraum erteilten die Behörden zwei Menschenrechtsorganisationen die offizielle Zulassung - dem Komitee für den Schutz der Rechte des Individuums und der Usbekischen Menschenrechtsvereinigung. Letztere war seit ihrer Gründung 1992 im Untergrund und im Exil tätig gewesen. Der Vorsitzende der Menschenrechtsvereinigung, der ehemalige gewaltlose politische Gefangene Abdumannob Pulatow, folgte einer persönlichen Einladung von Präsident Karimow und kehrte aus dem amerikanischen Exil zurück, um die Zulassung seiner Organisation in die Wege zu leiten. Die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Polina Braunerg wurde im März in der Stadt Almalyk, nahe der Hauptstadt Taschkent, im Zeitraum von drei Tagen dreimal von Beamten des Nationalen Sicherheitsdienstes (SNB) verhaftet und wegen angeblicher krimineller Vergehen verhört. Ihren Sohn Nikita, einen Jungen im Teenageralter, nahm der SNB im gleichen Zeitraum zweimal fest. Bei beiden handelte es sich um gewaltlose politische Gefangene. Im September nahmen die Behörden Achmatschan Abdulajew für mehrere Stunden in Gewahrsam, nachdem er den prominenten Menschenrechtler Michail Ardsinow bei einem internationalen Menschenrechtsseminar in Taschkent zu einem Treffen mit einem Vertreter von amnesty international begleitet hatte. Auch bei Achmatschan Abdulajew handelte es sich um einen gewaltlosen politischen Gefangenen.
Die im Februar in Samarkand festgenommenen Dozenten Choliknasar Ganijew und Bachtijor Burchanow sowie der Finanzbeamte Nosim Bobojew waren vermutlich ebenfalls als gewaltlose politische Gefangene inhaftiert. Sie wurden angeklagt, »den Präsidenten... unter anderem mit Hilfe der Presse oder anderer Medien öffentlich in Verruf gebracht und verleumdet zu haben«. Die Anklage stützte sich offenbar darauf, daß die drei verbotene oppositionelle Publikationen in ihrem Besitz hatten und an deren Verbreitung beteiligt gewesen waren. Im April wurde die Klage fallengelassen, und die drei Männer kamen frei.
Die möglicherweise gewaltlosen politischen Gefangenen Abdulla Abdurasakow und Raschid Bekschanow (siehe Jahresbericht 1996) wurden im Mai im Zuge einer Präsidialamnestie freigelassen. Der möglicherweise gewaltlose politische Gefangene Gaipnasar Koschtschanow (siehe Jahresbericht 1996), der ebenfalls im Mai auf freien Fuß gesetzt wurde, fiel offiziell unter die Amnestie, hatte zu diesem Zeitpunkt seine Freiheitsstrafe aber offenbar bereits verbüßt. Durch eine weitere Amnestie kamen im August die gleichfalls möglicherweise gewaltlosen politischen Gefangenen Mamadali Machmudow (siehe Jahresbericht 1996), Choschim Suwanow sowie Schawkat Mamatow frei. Die beiden letzteren waren zwei von sieben Personen gewesen, die 1995 wegen schwerer Verbrechen gegen den Staat festgenommen worden waren (siehe Jahresbericht 1996). Die möglicherweise gewaltlosen politischen Gefangenen Murad Dschurajew, Erkin Aschurow, Nemat Achmedow und Schawkat Cholbajew verbüßten weiterhin ihre Haftstrafen, wobei unklar blieb, ob ihr Strafmaß im Zuge der Amnestie reduziert worden war.
Im gesamten Berichtszeitraum erhielt amnesty international von Meldungen über Folterungen und Mißhandlungen Kenntnis. Safar Bekschanow, ein Parteiaktivist der verbotenen Partei Erk (Freiheit), der 1993 wegen Betruges inhaftiert worden war, wurde im Rahmen der Amnestie vom Mai freigelassen. Nach Angaben seiner Anhänger war die Anklage wegen Betrugs konstruiert gewesen und die Verurteilung aus politischen Gründen erfolgt. Safar Bekschanow hatte geltend gemacht, während der ganzen Zeit seiner Haft gefoltert worden zu sein. Im August wurde der britische Vertreter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Helsinki, John MacLeod, von der Polizei in Taschkent für mehrere Stunden in Haft genommen und mißhandelt.
Dmitri Fattachow, der 1995 in Polizeigewahrsam gefoltert worden sein soll (siehe Jahresbericht 1996), wurde im Februar aus der Haft in einer psychiatrischen Klinik entlassen. Ihm und seiner Mutter wurde gestattet, nach Israel zu reisen, wo er medizinische Behandlung erhielt.
Im November wurde Chasan Mirsaidow, der Sohn des prominenten Oppositionellen Schukrulla Mirsaidow, von unbekannten Männern entführt, die ihn verprügelten und zwölf Stunden lang festhielten. Bei den Männern handelte es sich vermutlich um Beamte der Regierung. 1995 waren Chasan Mirsaidows Vater und Bruder bereits Opfer ähnlicher Übergriffe geworden (siehe Jahresbericht 1996).
amnesty international erhielt keine Meldungen über den islamischen Vorbeter Abduwali Mirsojew und seinen Mitarbeiter Ramasan Matkarimow, die 1995 »verschwunden« waren. Die usbekischen Behörden leugneten weiterhin jegliche Beteiligung an dem »Verschwinden« der beiden Männer. Nach wie vor bestand Ungewißheit über das Schicksal des Vorsitzenden der verbotenen Partei der islamischen Wiedergeburt, Abdullo Utajew, der bereits 1992 dem »Verschwindenlassen« zum Opfer gefallen war (siehe Jahresbericht 1994). Die Staatsanwaltschaft von Taschkent gab an, in seinem Fall wegen Mordes zu ermitteln, gab jedoch keine Hinweise darauf, warum man ihn für tot hält.
Die Todesstrafe blieb weiterhin in Kraft. Obgleich keine offiziellen Statistiken über ihre Anwendung vorlagen, ließen inoffizielle Quellen verlauten, daß mindestens zwölf Todesurteile unter anderem wegen Mordes und Drogenhandels verhängt worden sind. Die tatsächlichen Zahlen dürften allerdings weit darüber liegen. Nach vorliegenden Meldungen wurden weiterhin Todesurteile vollstreckt, doch offizielle Zahlen waren nicht erhältlich. Ein Todesurteil, das 1995 verhängt worden war, wurde in der Berufung in eine Freiheitsstrafe umgewandelt. Bekannt wurde auch, daß Bachodir Scharipow und Suchrob Sobirow, gegen die 1994 die Todesstrafe verhängt worden war, im September 1995 hingerichtet wurden und man ihren Angehörigen dies erst sechs Monate später mitgeteilt hat. 1996 eingegangenen Informationen zufolge waren 1995 mindestens 20 Menschen zum Tode verurteilt worden.
amnesty international verurteilte die Inhaftierung von Polina und Nikita Braunerg sowie die von Achmatschan Abdulajew und drängte die usbekische Regierung weiterhin, der Praxis der Kurzzeitinhaftierungen als Strafsanktion für die Wahrnehmung fundamentaler Menschenrechte ein Ende zu bereiten. Die Organisation bat um Informationen über das Schicksal von Choliknasar Ganijew, Bachtijor Burchanow und Nosim Bobojew. Sie begrüßte die Freilassung von Abdulla Abdurasakow, Raschid Bekschanow, Gaipnasar Koschtschanow, Mamadali Machmudow, Choschim Suwanow und Schawkat Mamatow und forderte eine gerichtliche Untersuchung in den Fällen von Murad Dschurajew, Erkin Aschurow, Nemat Achmedow und Schawkat Cholbajew.
amnesty international drängte die usbekischen Behörden, die von Safar Bekschanow erhobenen Foltervorwürfe, die Mißhandlungen an John MacLeod sowie den Angriff auf Chasan Mirsaidow zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Die Organisation rief die Regierung zur Umwandlung aller anhängigen Todesurteile auf und drängte auf die vollständige Abschaffung der Todesstrafe.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 28. August 1997 |