Während des Berichtsjahres wurden Kritiker und Gegner der Regierung, darunter auch möglicherweise gewaltlose politische Gefangene, ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert und viele von ihnen gefoltert oder mißhandelt. Mindestens vier Menschen starben offensichtlich an den Folgen erlittener Folterungen im Gewahrsam der Behörden. Regierungssoldaten verübten extralegale Hinrichtungen. Bewaffnete Oppositionsgruppen waren für Ver-stöße gegen die Menschenrechte wie etwa vorsätzliche und willkürliche Tötungen sowie Geiselnahmen verantwortlich.
Im Berichtsjahr sah sich die Regierung von Präsident Idriss Déby insbesondere im Süden und Osten des Landes weiterhin mit den Aktivitäten bewaffneter Oppositionsgruppen konfrontiert. Dabei handelte es sich insbesondere um die Bewaffneten Kräfte für eine Föderale Republik (Forces armées pour la république fédérale - FARF), die Nationale Front des Tschad (Front National du Tchad - FNT) sowie die Bewegung für Demokratie und Entwicklung (Mouvement pour la démocratie et le développement - MDD).
Die für 1995 geplante Volksabstimmung über eine neue Verfassung wie auch die angekündigten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen (siehe Jah-resbericht 1995) wurden wegen Auseinandersetzungen über den Wahlmodus erneut verschoben.
Die 1994 ins Leben gerufene Nationale Menschenrechtskommission (Commission nationale des droits de l'homme - CNDH), die sich aus Vertretern der Regierung und regierungsunabhängiger Organisationen zusammensetzt (siehe Jahresbericht 1995), nahm ihre Arbeit im März auf. Die Kommission forderte die Regierung auf, die Rolle der für zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Natio-nalen Sicherheitsagentur (Agence nationale de sécurité - ANS) neu festzulegen. Auch appellierte sie an Ministerpräsident Koïbla Djimasta, Verstöße gegen die Menschenrechte nicht ungestraft zu lassen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Im Juni trat Tschad dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und seinem ersten Fakultativprotokoll bei. Die Regierung hinterlegte ferner Beitrittsurkunden zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe.
Kritiker und mutmaßliche Gegner der Regierung wurden durch Angehörige der ANS und der Militärbehörden in Gewahrsam genommen. Zu den Opfern zählten sowohl in Konfliktregionen lebende Zivilisten als auch führende Oppositionelle, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und vermeintliche Mitglieder bewaffneter Oppositionsgruppen. Im April kam es in der Präfektur Ost-Logone im Süden des Landes zur Festnahme zahlreicher der Unterstützung der FARF verdächtigter Personen. Sie wurden in der Kaserne der Schnellen Eingreiftruppe der früheren Präsidentengarde in Moundou mißhandelt, bevor man sie in das Gefängnis Camp des Martyrs in die Hauptstadt N'Djaména verlegte, wo sie mehr als zwei Monate lang ohne Anklage oder Gerichtsverfahren einsaßen. Ende Juni kamen sie auf der Grundlage einer von Präsident Déby verkündeten Amnestie wieder frei.
Ebenfalls im April versuchten Angehörige der ANS Gatou Ley, ein führendes Mitglied der Menschenrechtsliga von Tschad (Fédération des Logones et Tandjilé de la ligue tchadienne des droits de l'homme des Logones), zu entführen. Der Versuch schlug jedoch fehl, da durch den Lärm alarmierte Nachbarn Gatou Ley zu Hilfe kamen. Der Menschenrechtler stellte gegen einen der an dem Entführungsversuch beteiligten ANS-Angehörigen Strafanzeige, der daraufhin im September zu einer auf Bewährung ausgesetzten Strafe und zur Zahlung einer Geldbuße verurteilt wurde.
Im Juni drangen ANS-Beamte in die Büros der Tageszeitung N'Djaména Hebdo ein und griffen Mitarbeiter tätlich an. Der Chefredakteur Yaldet Oulatar sowie der Journalist Nassar Baloa wurden in ihren Büros mit Elektrokabeln und Stöcken geschlagen, anschließend in das ANS-Hauptquartier gebracht und dort erneut mit Schlägen traktiert. Während ihrer Vernehmung wurden sie von ANS-Beamten bedroht, weil man sie zwingen wollte, die Namen von Informanten und Kontaktmännern zu nennen. Später kamen sie ohne Anklageerhebung wieder frei. Der Zwischenfall ereignete sich, nachdem der Minister für Kommunikation, Youssouf Mbodou Bami, sowie die ANS gegen einen im Mai veröffentlichten Artikel protestiert hatten, in dem das Verhalten der Armee kritisiert worden war. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren der Herausgeber und der Chefredakteur von N'Djaména Hebdo in das ANS-Hauptquartier zitiert und darauf hingewiesen worden, daß die Behörden die Veröffentlichung derartiger kritischer Beiträge nicht dulden werden.
Im Juli wurden in der Präfektur Logone mindestens 19 Zivilisten festgenommen und der Zusammenarbeit mit der FARF beschuldigt. Sie wurden zwei Monate lang unter harten Bedingungen im Gefängnis von Moundou festgehalten, bevor die Behörden sie nach N'Djaména verlegten. Auch bei Jahresende saßen sie noch immer ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in der Haft ein.
Im September wurde Saleh Kebzabo, der Präsident der oppositionellen Nationalen Union für Entwicklung und Erneuerung (Union nationale pour le développement et le renouveau), festgenommen und fünf Tage lang in N'Djaména in Gewahrsam gehalten, bevor er vorläufig wieder freikam. Die Behörden beschuldigten ihn der Zusammenarbeit mit der bewaffneten Opposition und insbesondere mit der MDD. Bis Jahresende hatte sein Prozeß noch nicht begonnen.
Auch weiterhin trafen vor allem aus den Präfekturen N'Djaména und Logone Berichte über Vergewaltigungen und Folterungen von Frauen durch Angehörige der Streitkräfte ein. Im August wurde der aus dem Dorf Ngondong stammende Bauer Guiryéna Madjingué in der Ortschaft Lolo von Mitgliedern der Schnellen Eingreiftruppe einer als arbatachar bekannten Foltermethode unterworfen. Dabei werden dem Opfer die Arme straff hinter dem Rücken zusammengebunden, was große Schmerzen bereitet und manchmal offene Wunden verursachen kann. Außerdem streuten sie ihm Pfeffer in Nase, Augen und Mund und schlugen auf ihn ein. Später konnte er seinen Peinigern entkommen. Im April wurden der Vorsitzende der politischen Partei Morenat, Antoine Bangui, sowie dessen Sohn, François Bangui, während einer Kampagne der Partei in der Präfektur Logone ebenfalls von Mitgliedern der Schnellen Eingreiftruppe geschlagen.
Berichten zufolge starben mindestens vier Gefangene an den Folgen der in der Haft erlittenen Folterungen. Dazu gehörte der unter Straftatverdacht inhaftierte Mbaïtarem Nasson, der im August aus dem Gefängnis von Moundou geholt wurde, um bei Ermittlungen über FARF-Aktivitäten mitzuarbeiten. Nachdem er einen erfolglosen Fluchtversuch unternommen hatte, zwang man ihn, große Mengen Wasser zu trinken, band ihn an einen Baum und schlug Nägel in seinen Kopf hinein. Sein Leichnam wurde in der Nähe der Ortschaft Lolo in der Präfektur West-Logone aufgefunden. Berichten zufolge wurde auch ein Mann namens Nguétigal, ein vermeintlicher FARF-Anhänger, im August aus dem Gefängnis von Moundou abgeholt und später ebenfalls tot aufgefunden. Der Fischer Ndobi Abel soll an einem geheimen Haftort gefoltert worden sein, bevor man ihn in das Zentralkrankenhaus von Moundou brachte, wo er im Oktober starb. Sein Körper soll mit Wunden übersät gewesen sein. Untersuchungen dieser Todesfälle fanden allem Anschein nach nicht statt.
Berichten zufolge waren die Streitkräfte für extralegale Hinrichtungen verantwortlich, insbesondere in den Präfekturen von Logone. Dort handelte es sich bei den Opfern um vermeintliche FARF-Anhänger. Dazu gehörten der von Soldaten im Dorf Ngante-Ngante im Mai extralegal hingerichtete Mechaniker Claude Djerataroum sowie der Fischer Djirandouba Samuel, der im Juli von Soldaten aus seiner Wohnung in Benoye verschleppt und drei Tage später getötet wurde.
Sowohl die MDD als auch die FARF verübten Verstöße gegen die Menschenrechte, darunter vorsätzliche und willkürliche Tötungen sowie Geiselnahmen. Im März wurden drei ausländische Mitarbeiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen von Angehörigen der MDD als Geiseln genommen und erst nach zwei Wochen wieder freigelassen. Im Juni waren Angehörige der FARF-Streitkräfte in Logone für die vorsätzliche und willkürliche Tötung von mindestens zwei Menschen verantwortlich.
Im April veröffentlichte amnesty international den Bericht Chad: Empty promises - Human rights violations continue with impunity, der die seit 1993 verübten Menschenrechtsverletzungen und Übergriffe dokumentierte. Die Organisation drängte die Behörden, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte zu ergreifen und die für Verstöße Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Ferner forderte amnesty international ausländische Regierungen auf, alle Möglichkeiten zu nutzen, um zu verhindern, daß aus dem Ausland an das Militär, die Sicherheitskräfte oder die Polizei des Tschad gelieferte Ausrüstung, Know-how und Ausbildung nicht Folterungen, Fällen von »Verschwindenlassen« oder politischen Tötungen Vorschub leisten.
Im April übermittelte amnesty international den Vereinten Nationen auf der Grundlage eines vom Wirtschafts- und Sozialrat mit Verabschiedung der Resolutionen 728F und 1503 etablierten Verfahrens Informationen über Menschenrechtsverletzungen im Tschad zur vertraulichen Prüfung durch die zuständigen Gremien.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 11. September 1997 |