Zur sofortigen Veröffentlichung frei!
Bonn/London, den 17. Januar 1996 - Die Menschenrechtsorganisation amnesty inter naional begrüßt, daß eine interne Studie den ai-Bericht "Ausländer als Opfer - Polizeiliche Mißhandlungen in der Bundesrepublik Deutschland" vom Mai 1995 grundsätzlich zu bestätigen scheint. Die von der Innenministerkonferenz in Auftrag gegebene und bisher nicht veröffentlichte 150seitige Studie "Belastungen und Gefährdungen von Polizeibeamtinnen und -beamten im alltäglichen Umgang mit Fremden", an deren Erstellung die Poli-zeiführungsakademie in Münster-Hiltrup beteiligt war, kommt einem Fernsehbericht zufol-ge zu dem Ergebnis, daß Polizeiübergriffe gegen Ausländer - darunter auch die im ai-Bericht beschriebenen körperlichen Mißhandlungen - in Deutschland "keine bloßen Einzelfälle" seien.
Mit dem Argument der Einseitigkeit war der ai-Bericht im vergangenen Jahr von Politikern und der Gewerkschaft der Polizei pauschal als übertrieben zurückgewiesen worden. Der ai-Bericht vom Mai 1995 hatte von politischer Seite lauten Protest hervorgerufen. Bundesinnenminister Manfred Kanther, die Innenministerkonferenz und andere Politiker, etwa der Berliner Innensenator Dieter Heckelmann sowie Abgeordnete des Deutschen Bundestages hatten die Untersuchung als unrichtig und unzuverlässig, als "maßlos" oder "absurd" kritisiert. Damit sollte versucht werden, öffentlich die Zuverlässigkeit der Recherchen von amnesty international in Zweifel zu ziehen. Die Menschenrechtsorganisation unterstrich bei dieser Gelegenheit noch einmal, daß sie an der Glaubwürdikeit der dokumentierten 70 Übergriffe zwischen Januar 1992 und März 1995 weiterhin keinerlei Zweifel hat.
amnesty international forderte, die Studie sofort zu veröffentlichen und damit zu beginnen, die Empfehlungen und Forderungen der Menschenrechtsorganisation in die Tat umzuset-zen. ai hat angeregt, zu jeder Person während der Haft eine Art Protokoll zu führen, das beispielsweise über den Grund der Inhaftierung und die Behandlung im Gewahrsam Auskunft gibt. Überdies sollten Menschenrechtsaspekte in der Ausbildung der Polizei ein größeres Gewicht bekommen.
Staatsanwälte sollten es als ihre Pflicht ansehen, persönlich die Befragung der Opfer, der tatverdächtigen Polizeibeamten und der sonstigen Zeugen vorzunehmen und gegebenenfalls selbst den Tatort besichtigen. Statt einer vorschnellenEinstellung der Ermittlungen sollte bei einer glaubwürdigen Schilderung der Übergriffe durch das Opfer der Fall den Gerichten zur Entscheidung übergeben werden. Gemeldete Vorwürfe sollten außerdem von den Polizeibehörden unverzüglich an die Staatswanwaltschaften weitergeleitet werden.
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