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amnesty international: Jahresbericht 1997

Libanon (Republik)

Berichtszeitraum: 1. Januar 1996 - 31. Dezember 1996

Die Sicherheitskräfte haben zahlreiche Menschen verhaftet, bei denen es sich möglicherweise um gewaltlose politische Gefangene handelte. Die meisten wurden nur vorübergehend in Gewahrsam gehalten und ohne Anklageerhebung wieder freigelassen. Mehrere politische Gefangene mußten sich vor Gericht verantworten und wurden nach Verfahren, die in mancherlei Hinsicht internationalen Grundsätzen für eine faire Verhandlungsführung nicht entsprochen haben, zu Freiheitsstrafen verurteilt. Auch 1996 gingen wieder Berichte über Folterungen und Mißhandlungen ein. Eine Person kam im Gewahrsam ums Leben. Mindestens eine weitere Person ist möglicherweise extralegal hingerichtet worden. Mindestens zehn Menschen wurden zum Tode verurteilt und zwei Gefangene exekutiert. Eine mit Israel verbündete Miliz hielt weiterhin Personen in ihrem Gewahrsam. Im Südlibanon fielen libanesische Zivilisten ungesetzlichen Tötungen durch israelische Truppen zum Opfer. Allein bei einem einzigen Angriff kamen mehr als 100 Menschen ums Leben. Über das Schicksal Tausender Menschen, die in den Vorjahren von bewaffneten Gruppen entführt worden waren, bestand nach wie vor Ungewißheit.

Im April startete Israel unter der Bezeichnung »Früchte des Zorns« eine 17tägige Offensive gegen die Hisbollah, die größte bewaffnete Gruppe im Libanon, die in der von Israel selbst ernannten »Sicherheitszone« und den daran angrenzenden Gebieten die israelischen Truppen und eine mit Israel verbündete Miliz, die Südlibanesische Armee (South Lebanon Army - SLA), bekämpft. Während der gesamten Dauer der Offensive beschossen israelische Artillerie-, Luft- und Seestreitkräfte kontinuierlich Gebiete im Südlibanon. Mehr als 300000 Menschen waren hierdurch gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Im Zuge der Operation kamen mindestens 154 libanesische Zivilisten ums Leben, 102 von ihnen, als israelische Artillerie einen UN-Komplex beschoß, in dem sie Zuflucht gesucht hatten. Während der israelischen Offensive feuerte die Hisbollah täglich Katjuscha-Raketen auf bewohnte Gebiete in Nordisrael ab. Nach vorliegenden Berichten wurden dabei aber keine israelischen Zivilisten getötet. Die Operation endete nach einer neuen schriftlichen »Vereinbarung« zwischen den kriegführenden Parteien, die Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung und die Einrichtung einer Überwachungsgruppe, bestehend aus Vertretern der Vereinigten Staaten, Frankreichs, Syriens, des Libanon und Israels, vorsah. Die Gruppe war bis zum Ende des Berichtszeitraums sechsmal zusammengekommen, um Beschwerden über Verstöße gegen die »Vereinbarung« zu untersuchen.

Im März übertrug die libanesische Regierung der Armee für einen Zeitraum von drei Monaten die Zuständigkeit für die innere Sicherheit. Sie traf diese Entscheidung, nachdem der Gewerkschaftsdachverband Streiks und andere Protestaktionen angekündigt hatte, um damit Forderungen nach Lohnerhöhungen, einer Verdoppelung des Mindestlohns und nach Garantien der Grundrechte und -freiheiten Nachdruck zu verleihen.

Im August und September fanden Parlamentswahlen statt. Zum ersten Mal bildete Ministerpräsident Rafiq al-Hariri, der sich in Beirut um ein Mandat beworben und dieses auch gewonnen hatte, einen eigenen Block im Parlament. Rafiq Al-Hariri wurde von Präsident Elias al-Hrawi nach Konsultation mit dem neuen Parlament erneut zum Ministerpräsidenten ernannt. Im November stellte er eine neue Regierung vor. Syrische Streitkräfte blieben mit Zustimmung der libanesischen Regierung in weiten Teilen des Landes stationiert.

Im September erließ die libanesische Regierung ein neues Rundfunk- und Fernsehgesetz. Nur sechs Fernseh- und zwölf Rundfunkstationen erhielten eine Sendelizenz. Die übrigen Sender wurden vor die Wahl gestellt, bis November eine neue Lizenz zu beantragen oder Gefahr zu laufen, aufgelöst zu werden. Ihnen wurde später eine Fristverlängerung eingeräumt. Die Maßnahmen trafen auf den Widerstand verschiedener politischer Gruppierungen und Interessengruppen, die mehrfach Protestaktionen organisierten, mit denen sie die Abschaffung des neuen Gesetzes forderten, das ihrer Ansicht nach das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränkte.

Die Sicherheitskräfte verhafteten eine große Zahl von Menschen, bei denen es sich möglicherweise um gewaltlose politische Gefangene handelte. Nach einem Angriff auf einen syrischen Kleinbus im Dezember, bei dem der Fahrer getötet und ein Fahrgast verletzt wurde, wurden mindestens 76 Menschen festgenommen, bei denen es sich überwiegend um Angehörige christlicher Oppositionsgruppen handelte. Zu den Festgenommenen zählten Wa'el Kheir, der Direktor der Stiftung für Menschenrechte und humanitäre Rechte, Pierre 'Atallah, einer der Herausgeber der Tageszeitung al-Nahar, sowie zahlreiche Anwälte und andere Freiberufler. Alle Häftlinge wurden verhört und anschließend wieder freigelassen, die meisten, ohne daß gegen sie Anklage erhoben worden wäre. Gegen zwei Personen, darunter Pierre 'Atallah, erhoben die Behörden unter dem Vorwurf, Flugblätter verteilt und Kontakte zu Israel unterhalten zu haben, Anklage. Wegen des Angriffs auf den syrischen Kleinbus wurde gegen keinen der Festgenommenen Anklage erhoben. Einige Häftlinge gaben an, gefoltert worden zu sein.

Im Berichtszeitraum wurden etwa 25 Mitglieder des Libanesischen Volkskongresses (Lebanese Popular Congress - LPC), einer zu den Nasseristen tendierenden Organisation, verhaftet. Im Februar nahmen die Behörden sechs LPC-Aktivisten fest, weil sie auf Plakaten die Politik der Regierung kritisiert hatten. Die sechs wurden wegen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unter Anklage gestellt, später jedoch vom Strafgericht in Beirut freigesprochen. Im März wurden fünf andere LPC-Mitglieder festgenommen, als sie die Parteizeitung Sawt Beirut verteilten. Noch am selben Tag ließ man sie ohne Anklageerhebung wieder frei. Im September wurden elf LPC-Aktivisten festgenommen, als sie nach dem Freitagsgebet vor der Al-Tariq-al-Jadida-Moschee in Beirut die amerikanische Flagge verbrannten. Am nächsten Tag kamen auch sie ohne Anklage wieder frei. Fünf LPC-Mitglieder, die im Oktober festgenommen wurden, weil sie die israelische Flagge verbrannt hatten, wurden fünf Tage lang im Gewahrsam gehalten und anschließend ohne Anklageerhebung freigelassen. Einer der fünf, der Student Muhammad Sannu, soll bei seiner Festnahme geschlagen worden sein.

Zu den möglicherweise gewaltlosen politischen Gefangenen zählten auch Mitglieder des Libanesischen Nationalkongresses (Lebanese National Congress - LNC), einer aus Anhängern des früheren Militärbefehlshabers General Michel 'Aoun bestehenden Gruppierung, die während der Parlamentswahlen im August festgenommen wurden. Den meisten legten die Behörden zur Last, Flugblätter verteilt zu haben, in denen zum Boykott der Wahlen aufgerufen worden war. Alle kamen nach kurzer Zeit im Gewahrsam ohne Anklageerhebung wieder frei. Zu den Verhafteten zählten Faris Anton, Michel Chukri und Ziad Karam, die Berichten zufolge von Angehörigen des militärischen Geheimdienstes in Jubail festgenommen und nach mehrstündigen Verhören wieder freigelassen wurden. Ebenso zählten dazu die Studenten Tareq Trabulsi, Khalil Harfuch und Camille Harfuch, die von unbekannten bewaffneten Männern in Begleitung eines Polizeibeamten festgenommen und unrechtmäßig eine Nacht lang in Brummanah im Bezirk Metn in Gewahrsam gehalten worden sein sollen. Im September wurden Berichten zufolge weitere neun LNC-Mitglieder von Angehörigen des syrischen Geheimdienstes im Libanon verhaftet, in Zahle und Chtourah verhört und am nächsten Tag ohne Anklageerhebung wieder freigelassen.

Im Februar nahmen die Behörden Zafer al-Muqadam und Hani Chu'aib unter dem Verdacht fest, dem verbotenen pro-irakischen Flügel der Arabischen Sozialistischen Ba'th-Partei anzugehören, in Haft und brachten sie nach Syrien. Die meisten der 13 Mitglieder desselben Parteiflügels, die 1994 festgenommen und nach Syrien gebracht worden waren, kamen hingegen frei (siehe Jahresberichte 1995 und 1996). Zwei von ihnen, Rafiq Abu Younes und Hasan Gharib, blieben allerdings weiterhin in Syrien in Haft, ohne daß gegen sie Anklage erhoben worden wäre oder ein Gerichtsverfahren stattgefunden hätte. Mindestens 200 in den letzten Jahren in Syrien inhaftierte Libanesen befanden sich am Jahresende ebenfalls in staatlichem Gewahrsam. Nur einige von ihnen durften Besuche von Familienangehörigen erhalten, während sich die meisten ohne Verbindung zur Außenwelt in Haft befanden (siehe Syrien-Kapitel).

Mehrere politische Gefangene wurden vor Gericht gestellt und nach Verfahren, die in mancherlei Hinsicht internationalen Grundsätzen für eine faire Verhandlungsführung nicht entsprochen haben, zu Freiheitsstrafen verurteilt. Vor dem Obersten Gerichtshof wurde der Prozeß gegen Samir Gea'gea', den Führer der verbotenen Libanesischen Streitkräfte (Lebanese Forces - LF), und sieben weitere LF-Angehörige wiederaufgenommen, denen die Anklage zur Last legte, für einen Bombenanschlag auf eine Kirche im Jahre 1994 verantwortlich gewesen zu sein (siehe Jahresberichte 1995 und 1996). Das Verfahren ging im Juli zu Ende. Samir Gea'gea' wurde von den im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag erhobenen Vorwürfen freigesprochen, allerdings wegen »Führung einer Miliz unter dem Deckmantel einer politischen Partei« und wegen »Umgangs mit militärischen Waffen und Sprengstoff« zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Stellvertreter Fu'ad Malek wurde unter derselben Anklage zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt, die Strafe jedoch umgehend auf eineinhalb Jahre Haft verringert. Jirjis al-Khoury erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe mit Zwangsarbeit. Antonios Elias Elias, Ruchdi Tawfiq Ra'd und Jean Yusuf Chahin wurden in Abwesenheit zum Tode verurteilt, Paul und Rafiq al-Fahal hingegen aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Jirjis al-Khoury, der seine ursprünglichen Aussagen 1995 widerrufen hatte, weil sie seinen Angaben zufolge unter Folter erpreßt worden waren, hielt bei der Wiederaufnahme des Verfahrens seinen Widerruf aufrecht. Das Gericht wies die Folterbeschwerde jedoch unter Berufung auf einen medizinischen Bericht und die Zeugenaussage des Gefängnisarztes zurück. Letzterer hatte erklärt, den Angeklagten während der Zeit, in der er verhört worden war, untersucht zu haben. Eine unabhängige Untersuchung der Justiz zur Aufklärung der Foltervorwürfe hat anscheinend nicht stattgefunden.

Im Februar wurde Ahmad Hallaq von libanesischen Sicherheitskräften in der von Israel besetzten Zone aufgegriffen und erneut vor Gericht gestellt. Gegen ihn war 1995 in Abwesenheit unter der Anklage verhandelt worden, für einen Sprengstoffanschlag vom Dezember 1994 verantwortlich gewesen zu sein, bei dem drei Menschen getötet worden waren, darunter zwei Hisbollah-Mitglieder (siehe Jahresberichte 1995 und 1996). Ahmed Hallaq wurde im Juli zum Tode verurteilt und im September hingerichtet (siehe unten), nachdem die von ihm eingelegten Rechtsmittel abgewiesen worden waren. Sein Mitangeklagter Tawfiq Nasser, gegen den ebenfalls in Abwesenheit verhandelt worden war, der aber später freiwillig in den Libanon zurückgekehrt war und sich den Polizeibehörden gestellt hatte, mußte sich zusammen mit Ahmad Hallaq erneut vor Gericht verantworten und wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Hanan Yassin, die Ehefrau von Ahmad Hallaq, die eine in dem ursprünglichen Verfahren verhängte 15jährige Haftstrafe verbüßte, wartete auf eine Überprüfung ihres Falles durch das militärische Berufungsgericht.

Im Mai begann ein Prozeß gegen 20 Personen, die der Ermordung von Sheikh Nizar al-Halabi, dem Führer der Bewegung al-Ahbash, angeklagt waren (siehe Jahresbericht 1996). Bei Jahresende dauerte das Verfahren noch an. Bei den Angeklagten handelte es sich um neun Palästinenser und elf Libanesen. Gegen drei von ihnen, darunter der auch unter dem Namen Abu Mahjan bekannte palästinensische Hauptangeklagte Ahmad 'Abd al-Karim al Sa'di, der Anführer der islamistischen Organisation 'Usbat al-Ansar, wurde in Abwesenheit verhandelt.

Erneut trafen Vorwürfe über Folterungen und Mißhandlungen an Häftlingen ein. Mehrere Angeklagte im Mordprozeß Sheikh al-Halabi, darunter der Palästinenser Muhammad Ahmad Isma'il sowie Hani Subhi al-'Uthman und Tareq Isma'il, widerriefen während des ersten Verhörs und vor dem Untersuchungsrichter gemachte Aussagen und erklärten, sie wären unter Folterungen von ihnen erpreßt worden.

amnesty international erhielt des weiteren von Berichten über Folterungen und Mißhandlungen an gewöhnlicher Straftaten verdächtigten Personen Kenntnis. Im Februar kam Munir Mtanios, der des Drogenhandels verdächtigt wurde, in der Haft zu Tode, nachdem er Berichten zufolge gefoltert worden war. Ob eine Untersuchung des Vorfalls stattgefunden hat, entzog sich der Kenntnis von amnesty international. In den Monaten Februar und März befaßte sich der Parlamentarische Menschenrechtsausschuß mit der Folterproblematik und empfahl der Regierung nachdrücklich, eine Untersuchung von Vorwürfen über Folter und brutale Übergriffe durch die Polizei einzuleiten. Der Justizminister machte eine entsprechende Zusage. Im Juni sah es ein Gericht für Strafsachen in Zahle als erwiesen an, daß Angehörige der Sicherheitskräfte den wegen Drogenvergehens angeklagten Häftling Elya Harb gefoltert hatten, wodurch dieser eine dauernde Lähmung erlitten hatte. Das Gericht wies den Staatsanwalt an, die strafrechtliche Verfolgung der beteiligten Beamten in die Wege zu leiten.

Mindestens eine Person ist möglicherweise extralegal hingerichtet worden. Im November wurde Farid Hanna Musalli, der im Verdacht stand, in einen Fall von Finanzbetrug verwickelt zu sein, Berichten zufolge von Polizisten bei dem Versuch, ihn festzunehmen, erschossen. Sieben Beamte wurden im Zusammenhang mit dem Vorfall verhaftet. Neben der Tötung von Farid Hanna Musalli legten die Behörden ihnen zur Last, das Haus des Opfers ohne einen Durchsuchungsbefehl betreten zu haben. Fünf der Festgenommenen wurden fast umgehend wieder freigelassen. Zwei Polizisten namens Eala Ra'ad und Jean 'Aqal blieben jedoch in Gewahrsam. Im Dezember wurde Jean 'Aqal, der befehlshabende Beamte, vom Untersuchungsrichter eines Militärgerichts freigesprochen.

Gerichte verurteilten mindestens zehn Angeklagte zum Tode, die mehrheitlich des Mordes oder der Spionage für Israel für schuldig befunden worden waren. Zwei Männer wurden hingerichtet. Ahmad Hallaq wurde, nur zwei Monate nach seiner Verurteilung wegen eines Bombenanschlags im Dezember 1994 (siehe oben), im September im Rumieh-Gefängnis von einem Erschießungskommando exekutiert. Innerhalb dieser zwei Monate waren sämtliche Rechtsmittelverfahren abgeschlossen und die Zustimmung des Präsidenten zur Hinrichtung eingeholt worden. Im Oktober wurde Anas Dhibyan, den ein Gericht im Juli wegen Mordes an seiner Verlobten und an einem Polizeibeamten zum Tode verurteilt hatte, gleichfalls im Rumieh-Gefängnis durch ein Erschießungskommando hingerichtet. Zu den sonstigen im Berichtszeitraum zum Tode verurteilten Personen zählten der im April in Abwesenheit verurteilte Yusuf Ibrahim al-Hashim sowie Hussam Suleiman und Muhammad 'Ali Mustafa und die syrischen Staatsangehörigen Ahmad al-Zamil, Chahin Aybu und Adib 'Abd Sabra, gegen die sämtlich im Mai die Todesstrafe verhängt wurde.

Wie schon in den Vorjahren befanden sich mindestens 130 Personen, bei denen es sich überwiegend um vermeintliche Mitglieder bewaffneter Gruppen handelte, die gegen die israelische Präsenz im Libanon opponierten, im Gewahrsam der SLA. Sie wurden ohne Rechtsgrundlage innerhalb der israelischen »Sicherheitszone« im Khiam-Haftzentrum festgehalten, durften aber weiterhin von Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und ihren Familienangehörigen besucht werden (siehe Jahresbericht 1996). Im Berichtszeitraum wurden etwa 80 Gefangene freigelassen, 45 von ihnen im Juli im Rahmen eines Austauschs von Toten und Gefangenen zwischen der Hisbollah auf der einen und der SLA sowie Israel auf der anderen Seite. Zu den Häftlingen, die sich Ende des Jahres noch in Khiam befanden, zählten Suha Bechara, nach dem Austausch vom Juli die einzige weibliche Gefangene, sowie Mahmud Ramadan, Ni'ma Bazzi, Lafi al-Masri und 'Ali Hijazi. Der Gesundheitszustand von 'Ali Hijazi hatte sich im Laufe des Jahres verschlechtert, was Berichten zufolge auf Mißhandlungen und unzureichende medizinische Versorgung zurückzuführen war. Mindestens zehn Libanesen wurden im Libanon entführt und nach Israel gebracht. Ende des Jahres befanden sich sechs von ihnen noch in israelischem Gewahrsam.

Im Rahmen der Operation »Früchte des Zorns«, bei der im April mehr als 150 libanesische Zivilisten getötet wurden, haben israelische Truppen eindeutig gegen das Völkerrecht verstoßen. Zusätzlich zu den 102 Zivilisten, die bei dem nach Einschätzung von amnesty international vorsätzlich erfolgten Angriff auf den UN-Komplex in Qana ums Leben kamen, starben sechs Menschen, als ein Krankenfahrzeug mit 13 Zivilisten, die aus dem Dorf al-Mansuri zu fliehen suchten, von einem israelischen Hubschrauber mit Raketen beschossen wurde. Weitere neun Menschen wurden getötet, als israelische Kampfflugzeuge ein Haus im höhergelegenen Teil von Nabatiyya zerstörten.

Über das Schicksal Tausender Menschen, unter ihnen Palästinenser, Libanesen, Syrer und andere Staatsangehörige, die bewaffnete Gruppen seit 1975 im Libanon entführt hatten, bestand nach wie vor Ungewißheit. Zu ihnen zählten der Lehrer 'Adnan Hilwani, der seit 1982 vermißt wird, sowie die Studentin Christine Salim und ihr Bruder Richard, ein Architekt, die 1985 entführt worden waren.

In einer mündlichen Erklärung vor der UN-Menschenrechtskommission bekräftigte amnesty international ihre Forderung, alle im Khiam-Haftzentrum oder in Israel gefangengehaltenen Libanesen sowie sämtliche im Libanon als vermißt gemeldeten und in Geiselhaft gehaltenen israelischen Soldaten und SLA-Angehörigen freizulassen.

Im Mai sandte amnesty international eine Delegation mit dem Auftrag in den Libanon, die Tötung von Zivilisten durch die israelische Armee im April zu untersuchen. Im Juli veröffentlichte die Organisation den Bericht Israel/Lebanon: Unlawful killings during operation »Grapes of Wrath«, in dem sie eine Untersuchung der Vorfälle durch die israelische Justiz und einen wirksamen Schutz für die Zivilbevölkerung forderte.

Im September kamen Mitglieder einer Delegation von amnesty international im Libanon mit Regierungsvertretern zusammen. Dabei brachten die Delegierten Menschenrechtsprobleme zur Sprache und überreichten ein Memorandum, in dem auf willkürliche Inhaftierungen, Folterungen, unfaire Gerichtsverfahren und die Todesstrafe eingegangen wurde. Bis zum Ende des Jahres hatte amnesty international von der libanesischen Regierung keine Antwort erhalten. Im Dezember erbat die Organisation von den Behörden Informationen über den Fortgang der Ermittlungen im Zusammenhang mit der Tötung von Farid Hanna Musalli.

Im gesamten Berichtszeitraum drängte die Organisation die Behörden, alle Todesurteile umzuwandeln.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 28. August 1997

© amnesty international


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