Bei drei Männern, die unter der Anklage der Verleumdung in Haft waren,
handelte es sich um gewaltlose politische Gefangene. Es wurden Vorwürfe
laut, daß Polizeibeamte sowie Milizionäre, die den sogenannten
Ältestengerichten (aksakal) unterstehen, Menschen
mißhandelt haben. Mindestens zwei Personen wurden zum Tode verurteilt.
Im Februar stimmte die Bevölkerung per Referendum Verfassungsänderungen zu, die von Präsident Askar Akajew eingebracht worden waren und darauf abzielten, seine Machtbefugnisse zu erweitern. Im März übernahm eine vom Präsidenten ernannte neue Regierung die Amtsgeschäfte. Im Oktober trat Kirgisistan der Konvention und dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bei.
Die Aktivisten Toptschubek Turgunalijew und Dschumagasy Usupow, die seit Ende Dezember 1995 als gewaltlose politische Gefangene in Haft waren, mußten sich im April unter der Anklage der »Verleumdung« und »Beleidigung« des Präsidenten sowie der »Anstachelung zu nationaler Zwietracht und Haß« vor Gericht verantworten. Sie wurden für schuldig befunden und zu je einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, so daß beide aus der Haft freikamen. Der gewaltlose politische Gefangene Rysbek Omursakow, ein Journalist, wurde im April festgenommen und ebenfalls der »Verleumdung« des Präsidenten angeklagt. Im Juli sprach ihn ein Gericht schuldig und verurteilte ihn zu zwei Jahren Haft. Noch im selben Monat fand seine Berufungsverhandlung statt, in der die Strafe zur Bewährung ausgesetzt und die Freilassung des Journalisten angeordnet wurde.
Im Dezember wurde eine Gruppe von Personen, unter ihnen Dschumagasy Usupow, im Zusammenhang mit dem Gründungskongreß einer neuen Oppositionsbewegung, die sich den Namen Befreiung aus der Armut gegeben hat, festgenommen. Außer Dschumagasy Usupow kamen alle Festgenommenen noch am selben Tag wieder frei. Dschumagasy Usupow wurde unter der Anklage, eine »nicht genehmigte Veranstaltung organisiert« zu haben, zu 15 Tagen Verwaltungshaft verurteilt. amnesty international betrachtete ihn erneut als gewaltlosen politischen Gefangenen. Auch Toptschubek Turgunalijew wurde im Dezember abermals verhaftet. Ende des Berichtszeitraums dauerte sein Prozeß noch an. Die Anklage warf ihm Unterschlagung vor. Seine Anhänger hingegen gaben an, daß er wegen seiner oppositionellen Aktivitäten wie der Beteiligung an der Gründung der Bewegung Befreiung aus der Armut verfolgt werde. Möglicherweise handelte es sich bei ihm ebenfalls um einen gewaltlosen politischen Gefangenen.
Des weiteren gingen amnesty international Anfang des Jahres Berichte zu, denen zufolge Milizionäre, die sogenannten Ältestengerichten (aksakal) unterstehen, Personen festgenommen und mißhandelt haben, indem sie an ihnen unter anderem Strafen wie Auspeitschungen oder Steinigungen vollstreckten. Die Behörden schienen Bemühungen, für derartige Handlungen Wiedergutmachung zu erwirken, zu ignorieren. Die aksakal-Gerichte waren Anfang 1995 durch einen Erlaß des Präsidenten ins Leben gerufen worden. Ihnen wurde die Zuständigkeit übertragen, sich mit Ordnungswidrigkeiten, mit Eigentums-, Familien- und sonstigen Streitigkeiten sowie mit minderschweren Vergehen zu befassen, die von den Staatsanwaltschaften an sie weitergeleitet werden.
Vollständige Statistiken über die Anwendung der Todesstrafe waren nicht erhältlich; es wurde jedoch bekannt, daß Gerichte im Berichtszeitraum mindestens zwei Todesurteile gefällt haben. Das im Januar gegen Ljubow Sirotkina verhängte Todesurteil wurde im März in eine 15jährige Freiheitsstrafe umgewandelt. Auch das zweite, im April gegen Nikolaj Sokolow verhängte Todesurteil wurde im Dezember nach einer gerichtlichen Überprüfung in 15Jahre Haft geändert.
amnesty international forderte die unverzügliche und bedingungslose Freilassung aller gewaltlosen politischen Gefangenen, die unter dem Vorwurf der Verleumdung des Präsidenten in Haft waren. Die Organisation vertrat den Standpunkt, daß alle Personen, die glauben, in ihrem Ruf geschädigt worden zu sein, das Recht haben, vor Gericht Wiedergutmachung zu verlangen. Zugleich aber betonte amnesty international, daß weithin die Auffassung vertreten wird, daß das Maß der zulässigen Restriktionen zum Schutz des Ansehens einer Person im Fall öffentlicher Funktionsträger enger gefaßt sein sollte als bei Privatpersonen. Amtsinhaber, die sich verleumdet fühlen, sollten die Möglichkeit haben, auf zivilrechtlichem Wege Wiedergutmachung und den Schutz ihres Ansehens einzuklagen. Das Strafrecht hingegen sollte nicht als Mittel benutzt werden, um Kritik an öffentlichen Funktionsträgern zu unterdrücken oder diejenigen einzuschüchtern, die staatliches Handeln kritisch hinterfragen. Nach Auffassung von amnesty international entbehrte die Anklage gegen Toptschubek Turgunalijew und Dschumagasy Usupow, »zu nationaler Zwietracht und Haß« angestachelt zu haben, jeglicher Grundlage. Die Organisation bat die kirgisischen Behörden außerdem um nähere Informationen, auf welcher Grundlage Toptschubek Turgunalijew der Unterschlagung angeklagt worden ist.
Des weiteren forderte amnesty international eine Untersuchung aller Mißhandlungsvorwürfe von Personen, die im Verdacht standen, eine Straftat begangen zu haben. Das Vorgehen der den aksakal-Gerichten unterstellten Milizionäre veranlaßte die Organisation zu dem eindringlichen Appell, Strafsanktionen wie Steinigungen und Auspeitschungen sowie illegale Festnahmen und Mißhandlungen an inhaftierten Personen zu unterbinden. Nach Auffassung von amnesty international entsprachen die aksakal-Gerichte nicht den Grundsätzen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, dem Kirgisistan 1995 beigetreten ist.
amnesty international forderte die Umwandlung aller anhängigen Todesurteile und rief erneut zur völligen Abschaffung der Todesstrafe auf.
Im Mai veröffentlichte die Organisation den Bericht Kyrgyzstan: A tarnished human rights record, der einen zusammenfassenden Überblick über die Menschenrechtssituation in Kirgisistan enthielt.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 28. August 1997 |