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Bonn, den 15. Mai 1996- Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation amnesty international stellen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Asylrecht einen herben Rückschlag für den Schutz von politisch Verfolgten dar. Das Bundesverfassungsgericht habe bei der Beurteilung der Verfassungsgemäßheit des neuen Asylrechts die international entwickelten Standards für den Schutz von Flüchtlingen nicht ausreichend berücksichtigt. Dies führe dazu, daß die vom Bundesverfassungsgericht gebilligte Drittstaatenregelung die restriktivste in West-Europa sei.
amnesty international kritisiert insbesondere, daß das Bundesverfassungsgericht bei der Drittstaatenregelung keine Widerlegungsmöglichkeit der Vermutung der Sicherheit im Drittstaat eingeräumt habe, wie es den internationalen Standards entspreche. Zwar habe das Gericht eine Kettenabschiebung über einen Dritt- und Viertstaat bis zum möglichen Verfolgerland als unzulässig abgelehnt, gleichzeitig diese Kettenabschiebung aber durch den Ausschluß der Widerlegungsmöglichkeit ermöglicht. Das Verfassungsgericht vertraue wie der Gesetzgeber darauf, daß die von Deutschland an die Drittstaaten verwiesenen Asylsuchenden dort Zugang zu einem fairen und umfassenden Asylverfahren erhielten. Die bisher dokumentierten Fälle, die aufzeigten, daß dies in zahlreichen Einzelfällen nicht der Fall gewesen sei, habe es außer acht gelassen. Nach Ansicht von amnesty international entspricht eine Drittstaatenregelung nur dann dem internationalen Flüchtlingsrecht, wenn sichergestellt ist, daß die auf den Drittstaat verwiesenen Asylsuchenden dort tatsächlich Zugang zum Verfahren erhalten.
amnesty international wird nach sorgfältiger Prüfung der Entscheidungstexte die wenigen positiven Ansätze herausarbeiten und für den Schutz politisch Verfolgter nutzen. Auf internationaler Ebene wird amnesty international sich dafür einsetzen, daß die restriktive deutsche Drittstaatenregelung von den anderen westeuropäischen Staaten nicht übernommen wird.
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