Seit das Internet begann, aus den Zirkeln eingeweihter (Computer-) Wissenschaftler in das Alltags- und Arbeitsleben des gemeinen Bürgers zu wuchern, ist auch Computerkriminalität nicht mehr nur ein technisches Problem für den zuständigen System-Manager.
Die Umtriebe von Hackern, Crackern und Cyberpunks sind so vielfältig wie die Einsatzbereiche der Maschine. Die amerikanische Computersicherheitsbehörde NCSA betrachtet Hacker und Konsorten mittlerweile als ein gesellschaftliches Problem.
Hacker gestern: Das Kuckucks-Ei
Mit dem Bestseller "Das Kuckucks-Ei" von Clifford Stoll tauchte der Hacker '89 zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auf. Die wahre Geschichte des abgehalfterten amerikanischen Wissenschaftlers Stoll, der nach 75 Cent in der Bilanz seines Rechnernetzes sucht und dabei einem deutschen Spion im Auftrag des KGB auf die Schliche kommt, gab dem Problem Computersicherheit eine neue Dimension.
Die ersten experimentellen Netzwerke waren noch von Wissenschaftlern entwickelt worden, die ihre Computerresourcen effektiver ausnutzen und mit anderen teilen wollten. Effektiv, das hieß logisch und demzufolge antibürokratisch. Die Entwicklung basierte von Beginn an auf Kooperation und Konsens der Beteiligten. Selbst einer der ersten Sponsoren, die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), machte sich damals keine Sorgen über unbefugte Zugriffe per Telefonleitungen auf ihre Rechner, während sie gleichzeitig so viel Angst vor physischen Übergriffen hatte, daß sie vor ihren Toren Soldaten Wache schieben ließ, und zwar mit dem Finger am Abzug.
Seinen besonderen Witz zog die Geschichte vom Kuckucks-Ei dann auch aus dem Bemühen des langhaarigen kalifornischen Astro - Physikers Stoll, die Trenchcoats von CIA, FBI und NSA davon zu überzeugen, daß die nationale Sicherheit in Gefahr sei, weil irgendein Hacker auf seinem Rechner rumschnüffele. Auf der anderen Seite wird der Autor Clifford Stoll bis heute angefeindet von (langhaarigen) Leuten, die das Netz offen halten und schon gar nichts mit den dunkelblauen Suits des"Systems" zu tun haben wollen.
Hacker heute: Cyberpunks oder Psychopathen?
Mittlerweile ist die Computerkultur nicht mehr nur eine Sache von mehr oder minder verantwortlich handelnden Wissenschaftlern. Im Netz werden medizinische Daten, Kreditkartennummern und andere empfindliche Dinge bewegt. Aber noch immer glänzt der Mythos des Hackers, dem begnadeten Programmierer, der sich über alle bekannten Grenzen des (Computer-) Systems hinwegsetzt aus Spaß am Entdecken.
In diesem Licht sonnen sich auch unbedarfte Newcomer: Cracker oder Cyberpunks, zumeist Kiddies, die ihren Helden, wie den Masters of Deception oder Legion of Doom, nacheifern, um wahllos Sicherheitssysteme zu knacken, weil sowas cool ist. Hinter den glitzernsten solcher Kampfnamen verbergen sich laut dem Computer - Virus - Forscher Vesselin Bontchev jedoch häufig "Technopathen" mit allen klinischen Anzeichen von Persönlichkeits- und Beziehungstörungen. So zerstörte die "414 Gang" in einem wahllosen Rachefeldzug quer durchs Netz u.a. die Datenbank einer Klinik. Auch Fälle wie "Death Vegetable" erhärten den Verdacht, daß man es mit Psycho- oder Soziopathen zu tun hat. Dieses tödliche Früchtchen nutzte die Freiheit im Netz und postete Anleitungen zum Bau einer Bombe aus handelsüblichen Reinigungsmitteln. Daß zwei Kinder, die den Bomben - Kit nachbauten, ihre Hände verloren, bedauerte er immerhin. Aber er meint: "...anyway, who's to say if it's right or wrong?"
No more Hacker heroes
Nun ist nicht jeder, der sich spaßeshalber einloggt, wo er nicht hingehört, ein gefährlicher Irrer. Nur kann das vorher kein
System - Manager wissen, der mit viel Zeit, Geld und Nerven die Lücken in seinem System wieder schließen muß. Aber auch will niemand eine rigorose Kontrolle durch eine Netzbehörde. Mit der wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung des Netzes wächst aber die Verantwortung des "Netizens" für alles, was er tut. Die NCSA arbeitet daher mittlerweile nicht nur an sicheren Programmen, sondern auch an Erziehungsmaßnahmen, die den Kleinen in der Schule klarmachen sollen, daß man in anderer Leute Computer nicht einfach rumwühlt oder sie mitViren
"vergiftet." Aber die Sorge der Fachleute um falsche Vorbilder, die mangelndes Unrechtsbewußtsein säen, wird schon die Zeit erledigen: wenn die Kleinen groß sind, werden sie sowieso finden, daß 'neurotisch' eine überholte Attitude
aus den tiefsten 80ern ist. Wer identifiziert sich schon mit dem "
Neuromancer", wenn der Schinken erst bei Papa im Regal steht.
Clifford Stoll kennt sich mittlerweile in moralischen Dingen aus, seit die freundlichen Herren aus Washington ihm so nett geholfen haben:
"I'm wearing a white hat, not a black hat. I don't write viruses."
Klaus Voß