Eine Neuralgie ist immer ein Schmerz, der durch eine Nervenschädigung verursacht ist.
Er ist wie ein Blitz, der sich explosiv entlang der Nervenausbreitung ausdehnt. Bei der
Trigeminusneuralgie betrifft dies meist den zweiten oder dritten Teil des Gesichtsnerven,
also den Ober-und Unterkiefer und den Mund. Der Schmerz wird durch äußere
Faktoren begünstigt, namentlich durch kalten Luftzug, Essen, Kauen, Zähneputzen
oder Gesichtwaschen mit kaltem Wasser.
In den meisten Fällen wird eine Trigeminusneuralgie verursacht durch einen engen
Kontakt des Nerven mit einer Arterie nahe des Hirnstammes. Wenn sich der Schmerz nicht wie
beschrieben in der unteren Gesichtshälfte befindet, ist eine symptomatische Ursache
wahrscheinlich, die sorgfältig weiter abgeklärt werden muß.
Obwohl des öfteren angenommen, ist eine Zahnerkrankung als Ursache für eine
Trigeminusneuralgie selten. Nach einer Zahnextraktion kann einmal ein Neurom des
N. lingualis entstehen und zu einer Neuralgie führen.
Selten können auch andere Nerven im Kopfbereich betroffen sein. Speziell der neunte
und zehnte Hirnnerv können einmal zu einer Neuralgie Anlaß geben. Gewöhnlich
wird dies aber durch einen krankhaften Prozess an der Schädelbasis verursacht.
Untersuchungsbefunde
Die Patientenbefragung ist bei der Trigeminusneuralgie ganz charakteristisch, vorusgesetzt,
der Patient wird eindeutig nach seinen plötzlichen Schmerzattacken gefragt, die mit
einem elektrischen Stromstoß oder einem Blitz verglichen werden können. Auch
müssen Auslösemechanismen erfragt werden. Die klinische Untersuchung ist meistens
normal, außer es handle sich um Patienten, die sich schon einer stereotaktischen
Operation unterzogen haben.
Technische Untersuchungen
Wenn ein Patient gut auf Medikamente anspricht, kann man sich mit einer klinischen
Untersuchung zufrieden geben. Falls er aber auf die Medikamente nicht anspricht und
infolge dessen eine Operation geplant wird, sollte eine MRI (Kernspintomographie),
einschließlich Angio-MR erfolgen, um Arterienaberrationen (untypische Verläufe)
in der Nähe des Hirnstammes erfassen zu können. Dies ist auch eine wertvolle
Methode, um eine symptomatische Ursache auszuschließen, z.B. Durchblutungsstörungen
im Hirnstammbereich, Tumoren an der Schädelbasis wie Chordom oder auch einmal ein
Hämangioendotheliom des Glomus caroticum, oder natürlich auch eine
Multiple Sklerose.
Therapie
Behandlung mit Medikamenten
Neuralgische Schmerzen sollen nicht mit einem peripheren oder zentralen Analgetikum wie
Metamizol oder Morphinderivaten behandelt werden, weil diese Medikamente diese Schmerzen
nicht beeinflussen können. Weil der Schmerz seinen Ursprung im betroffenen Nerven
selber hat, kann er nur mit Medikamenten behandelt werden, die auf die Schmerzverarbeitung
im Thalamus und im limbischen System wirken. Dies sind in der Regel meist Psychopharmaka.
Prophylaktische Behandlung
Das wirkungsvollste Medikament ist Carbamazepin. Wegen seiner Nebenwirkungen soll die
Dosierung sorgfältig und langsam aufgebaut werden. Als galenische Form soll ein
Langzeitpräparat vorgezogen werden. Wenn einmal eine wirksame Dosierung erreicht ist,
soll diese nicht mehr verändert, sondern langfristig beibehalten werden.
Wenn Carbamazepin nicht wirkt oder nicht gut vertragen wird, kann Diphenylhydantoin
versucht werden. Alternativen sind Valproat und Clonazepam.
Bei genereller Behandlung von neuralgischen Schmerzen kann man auch andere Psychopharmaka
versuchen, z.B. Antidepressiva oder Neuroleptica. Von den letzteren wirken die
Phenothiazine am besten, werden aber hinsichtlich Nebenwirkungen am schlechtesten vertragen.
Chirurgische Eingriffe
Chirurgische Eingriffen sollen bei Neuralgien nicht am betroffenen Nerven selber
vorgenommen werden, außer vielleicht bei einer eindeutigen Nerveneinklemmung oder
posttraumatischen Fibrosierung. Anstelle sind alle Maßnahmen an der
präganglionären Struktur zu treffen. Im Falle der Trigeminusneuralgie ist dies
das Ganglion Gasseri. Man kann eine
estereotaktische Injektion von Glyzerin oder auch eine selektive Thermokoagulation der Schmerzfasern
vornehmen. Bei gesicherter Berührung der Trigeminusnervenwurzel mit einem
aberrierenden Gefäß in Hirnstamm-Nähe kann auch ein Eingriff in der
hinteren Schädelgrube zwecks Separierung der beiden Strukturen erwogen werden.
Eingriffe am peripheren Nerven selber im Gesicht, etwa bloßes Abschneiden desselben,
oder auch direkte Alkoholverödung, sind heute obsolet. Schmerzrückfälle sind
zu erwarten.