SmartBallHospital

von SNORR

"Sie haben Sammy!"
"Na und?" Torte laechelte nur gemein. Allein die Vorstellung, wie jemand Sammys wasserstoffperoxidblondes Haar bis auf die Schaedeldecke abrasierte, jagte ihm prickelnde Schauer des Wohlbefindens ueber den Ruecken.

Morchel drehte in seinem schwarzen Anzug indigniert mit seinen schwarzbehandschuhten Haenden auf der schwarzen Tafelrunde Daeumchen, und zog die schwarzen zusammengewachsenen Augenbrauen ueber der schwarzen vollverspiegelten Sonnenbrille hoch: "Es geht hier um das Prinzip! NIEMAND setzt einen MEINER Mitarbeiter unter dem Vorwand verminderter geistiger Taetigkeit fest. Wer hier denkt, bestimmt immernoch der Aufsichtsrat der IG. Und der bin ICH! Stimmt etwas nicht, el Meurrrrro?!"

Durch eines der hohen gotischen Fenster quoll fahles Sonnenlicht auf Morchel, und einem riesigen Banner hinter ihm aus laengst verdraengten Tagen. Der hohe Tagungsraum mit seinen Deckengerippen hatte ploetzlich etwas von Wahnsee. Morchel drehte sich um, sah das Ding, und riss es unwirsch herunter: "Muessen die Idioten denn alles haengen lassen?"

Ich klaerte el Meuro mit knappen Worten darueber auf, dass die IG-Techno den Tagungssaal fuer ein horrendes Endgeld an den karnevalistischen Folkloreverein "Schwarz-Braune Haselnuesse" vermietet hatte. Ob er denn nicht die Bilder im Splatter Channel gesehen haette, die 5000 fackeltragenden Anitfaschisten, die das Areal gestuermt hatten, um dann vom Werksschutz und Spezialeinheiten der Polizei mit schweren Waffen niedergemetzelt zu werden? "Ach so! Ich dachte, es waere das uebliche..." Burning, Leiter der Abteilung fuer besondere Aufgaben, und Torte, Intendant des Splatter Channels, grienten nur noch, es waren phantastische Ausschaltquoten gewesen.

Morchel thronte jetzt wieder vor dem schwarzen, in die Wand eingelassenen IGT-Emblem, das boese funkelte: "Burning hat mir vor der Konferenz mitgeteilt, dass Sammy in das SmartBallHospital ueberfuehrt wurde. Ich zeige ihnen nun eine Ansicht dieses Gebaeudes." Rasselnd senkten sich die schweren Platten aus Panzerstahl vor die Fenster, und rasteten knirschend ein, fauchend flammten die Projektionslaser auf, begleitet von H.P.'s warnender Stimme nicht aufzustehen, da diese Technologie noch nicht ganz ausgereift sei. Langsam rotierend erschien ein Aufriss des SMH, Splines und Bezierkurven wucherten wie Unkraut, Flaechen wurden mit den unmoeglichsten wabernden Farben ausgefuellt, organische Texturen erschienen, ein Gebaeude von grotesker Haesslichkeit, wie man es schon bei Giger, oder auch einigen Techno-Ballerspielen auf dem Armageddon 2000 gesehen hatte.

Kein Zweifel, Subversive Software hatte endlich alle Daten von Bullshit, welche erst kuerzlich von einem IG-Aufkauf-Team zum Bergsteigen auf den Olympus Mons geschickt wurden, ausgewertet. Ich war gespannt auf Morchels Version von Popelplus.

Tastaturen mit selbstleuchtenden Trackbaellen klappten vor uns aus. "Snorr, el Meuro und Torte, uebernehmen Sie die Verteidigung des SMH, Burning, H.P. und ich greifen an..." Natuerlich versuchten sie uns zuerst mit drei Divisionen LaserHeizern zu ueberrennen, aber el Meuro stoppte sie mit gigantischen Schrottbergen aus ueberalterten Krankentransportwagen, waehrend ich es ploetzlich aus der Luft mit Killerwatts zu tun bekam. Im Inneren des SMH hielt Torte Burnings Werksschutz mit einer Horde bluttriefender Motorsaegen schwingender Zombies auf, eine Displaywand im Sitzungssaal klaerte uns uebersichtlich ueber den Stand der Simulation auf. Schliesslich kam es zum atomaren Desaster, in einer Overkillreaktion loeste sich die gesamte Stadt in einem nuklearen Lichtblitz auf. Patt. Wir fuehrten einen Reset aus, und liessen das Spiel neu anlaufen. Wieder endete alles in einem gegenseitigen nuklearen Schlagabtausch. Nochmal. Und wieder. Dann liessen wir den Zentralrechner beide Seiten steuern, und sahen fasziniert dem Gemetzel auf dem Tisch zu. Schliesslich zog softig scrollend eine vielfarbige Laufschrift ueber die Displays: "KEINER KANN GEWINNEN!"

Noch im Gluehen des aktuellen Atompilzes auf dem Tisch meinte Morchel: "Egal! Machen wir es trotzdem."
"Wir werden alle sterben. Das ist doch klar!"
"Quatsch! UnKult! Computer sind nur dienstbare Idioten. Genau wie die Bundesregierung... Wir werden die Sache ein fuer allemal aus der Welt schaffen!"
Nachdem die IG-Techno das letzte mal "etwas aus der Welt geschafft" hatte, ging in einer einmaligen PR-Aktion H.P. auf den Wassern des bosnischen Meeres, und hielt einen Fuerbitte-Gottesdienst: "Selig sind die Toten, denn sie klagen nicht mehr."
Burning stand auf, noch bevor Morchel das Ding abschalten konnte, verpasste ihm einer der Projektionslaser einen scharfen Haarschnitt: "Ich habe einen Vorschlag zu machen. Heute Abend ist im SmartBallHospital eine Kreisssaalfuehrung fuer schwangere Frauen, und Angehoerige. Wir schleusen uns ein, und..."

"Wo kriegen wir eine schwangere Frau her, wir haben keine neun Monate Zeit!", Morchels Ungeduld war grenzueberwindend. Burning zuckte nervoes mit den Augenbrauen, danach guckten sie alle mich an.
"Ist nicht! Sie hat vor vier Wochen entbunden!" Das war knapp!
"Kann man das nicht wieder rueckgaengig machen?"
"Das ist doch garnicht noetig! Unsere BioLabs haben, als Abfallprodukt der Kosmetikforschung, dieses Hormonpraeperat hervorgebracht. Es verwandelt jeden Mann in quasi Sekundenbruchteilen in eine schwangere Frau. Oder jedenfalls in etwas, was so aehnlich aussieht." Burning fuchtelte mit einer tropfenden Spritze, die er aus einem schwarzledernen, samtgefuetterten Etui entnommen hatte, ueber unsere geduckten Koepfe hinweg.

"Da ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Mensch mit klarem Verstand eine schwangere Frau sein will...", wir alle laechelten, nur Morchel gruebelte etwas, "...haben wir heute einmal weniger getoetet. Dieser Mann...", ein sich windendes schreiendes Subjekt wurde von zwei schwarzuniformierten blonden blauaeugigen grossen Waechtern in Ketten gelegt hereingeschleift, "...hat seinen Hund in den repraesentativen Vorpark des IG-Bueroturms laufen lassen, wo dieser nachweislich sein Geschaeft verrichtete. Wir haben alles aufgezeichnet. SCHULZ! NUN STELLEN SIE DEN KERL ENDLICH RUHIG!!!"

Der Angesprochene trat vor, zog eine mit ausgelutschten Tuntel P5-Turbo-Injection Macroprozessoren gefuellte schwarze alte Standard-Herrensocke mit IGT-Emblem und lila Aufschrift "Tuntel Inside", und kam seiner Aufgabe gewissenhaft nach.

Burning fuhr fort: "Den Koeter haben wir inzwischen entsorgt. Der Mann hinterlaesst eine Familie mit fuenf Kindern, sowie seine kranke alte, ans Bett gefesselte Oma. Soll ich?"
Allgemeines Kopfnicken: "Wir bitten darum."
Auf ein kurzes Nicken hin zwangen die schwarzuniformierten Waechter das Subjekt in den Vierfuesslerstand, und zogen ihm die Hosen runter. Waehrend sie geifernd auf seinen nackten Hintern starrten, kam Burning von hinten und stach zu. Ein stoehnendes Aufbaeumen, danach spielte sich die Metamorphose ab. Faszinierend, wie sich seine Brust wabernd ausbeulte, und der Bauch nach hinten und vorne wabelnd immer fetter wurde, von den Wellen, die seine Beine runterliefen, bis sie einigermassen rundlich waren, ganz zu schweigen. Das Geschrei war unglaublich. Entaeuscht liessen die schwarzuniformierten Waechter sie nach Abschluss der Transformation liegen liegen.

Ein Requester erschien: "Die Testphase ist abgelaufen. Eine registrierte Version bekommen Sie fuer 30 DM beim Autor!"
"Wassollndas?" nuschelte Morchel in einer Hoehe von 3000 Metern, als in der Killerwatt alle Kontrollmonitore ausgingen, gefolgt von den meisten bunten Laempchen. Die getreuen Instrumente, die weiterhin stur ihren Dienst errichteten, zeigten lediglich an, dass wir uns in ernsthaften Schwierigkeiten befanden. Durch die Cockpitscheiben sah ich die Wolkendecken an uns vorbeirasen.

Morchel erhob sich sichtlich angewidert vom schwarzen Pilotensessel: "Wir stuerzen ab."
"Schon wieder?"
"DAS IST INSUBORDINATION! WER HAT DAS GESAGT?"
Offensichtlich niemand, denn keiner meldete sich. Mit einem veraechtlichen Schulterzucken wendete sich Morchel einem knallroten dicken Hebel zu, an dem "Safer Saving" stand: "Zum Glueck haben wir hier das allerneueste von S&M Advanced Technology eingebaut: Eine Rettungskapsel!" Und er zog an dem Hebel mit einem Laecheln mitten im Gesicht.

Wir verloren den Boden unter unseren Fuessen, und purzelten in eine Art schwarze Gummizelle, knirschend loesten wir uns von der Killerwatt, die sich schwarzschimmernd und fauchend am grauen Himmel abhob. Klackend wurde mir die Sicht von einem sich schliessenden Schott genommen, neben mir schwebte Torte mit seiner Videokamera, und moserte ueber die schlechte Notbeleuchtung. Von draussen erklang ein immer laenger gezogenes Heulen, ich erinnerte mich an das Ding, das ich unter der Killerwatt gesehen hatte. Eigentlich hatte ich es fuer eine gigantische Fliegerbombe gehalten, die Morchel irgendwo abwerfen wollte.

Mit einem ohrenbetaeubenden Donnern setzten wir irgendwo auf, das erste, was ich sah, nachdem ich aus der Kapsel rausgeklettert war, war das SmartBallHospital, das sich unheilverkuendend auf einem sturmumtosten Berg niedergelassen hatte. Das naechste waren herumfliegende, zertruemmerte, blutverschmierte, billige Teeservices, kuenstliche Hueftgelenke und noch klappernde Zahnattrappen. Die Rettungskapsel stak mitten in den schwelenden Ueberresten eines komfortablen Reisebusses, wir hatten eine Kaffeefahrt getroffen.

H.P. verteilte an den, in ihren deutschen Limousinen, langsam vorbeidefilierenden Gaffern Grusskarten der IGT, den Schnauzbartfahrer eines roten VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen DU AA 596 erschoss er allerdings, waehrend der allseits willige Rettungssanitaeter el Meuro wuetend mit den Worten "alle sind tot!" eine Peruecke weg kickte. Seltsam, wer kauft sich Peruecken mit so wenig Haaren dran, die ueberdies auch noch alle grau sind? Richtig widerlich!

"Hey Snorr! Wenn Du glaubst, dass das schlimm ist, dann guck mal da...", Torte winkte begeistert in Richtung eines verslumten Vorortes, wo sich die abstuerzende Killerwatt gerade eine Feuerschneise bahnte. Zwischen emporschiessenden gleissenden Flammen brachen mehrgeschossige Sozialbauten zusammen, gluehende Einbaukuechen schossen in den Himmel, qualmende fettige Massen spritzten nach allen Seiten weg. Die Killerwatt vergrub sich so ziemlich im Zentrum in die aufgerissene Strasse, der Teer kochte und verdampfte. Nach einigen Sekunden der Besinnlichkeit verschwand das ganze Szenario in einem grellen Lichtblitz, um danach als gluehender Pilz wieder aufzutauchen.

Morchel, dessen Augen natuerlich von seineer schwarzen, vollverspiegelten Sonnenbrille geschuetzt waren, meinte lapidar "Vollgetankt", und stapfte rauf zum SMH. Wir uebrigen folgten ihm unauffaellig.

Der Kerl an der Pforte mochte uns nicht. Hinter ihm hing eine Pinwand mit vergilbten Photos, wo ein paar Typen in Fremdenlegionaersuniform mit Mohrenkoepfen posierten. Er und ein paar Schmeissfliegen waren auch dabei. H.P. versuchte ihm klar zu luegen, dass wir alle einer WG von SoWi-Studenten entsprungen waeren, und noch nicht wuessten, wer der glueckliche Vater sei. Trotzdem wollte er nur unsere hormonharmonierte "Mutter" und genau einen "Papa" reinlassen. Morchel und Burning bezogen bereits unauffaellig Stellung, und nestelten nach schweren Blastern, als uns das guetige Schicksal zur Hilfe eilte.

Ein Rettungswagen raste mit heulenden Sirenen und versagenden Bremsen die Anfahrt hinauf. Bevor er mit einem entsetzlichen Getoese in der Ambulanz verschwand, konnte ich zwei Typen mit weit aufgerissenen Augen und Muendern hinter der Windschutzscheibe ausmachen, die sich mit allen vier vorgestreckten Haenden an ihr abzustuezen versuchten. Ich glaube nicht, dass es ihnen etwas half, es knirschte ehrfurchterregend, aus der Ambulanz spritzten Metallstuecke, gefolgt von einer Tragbarre mit einem qualmenden schreienden, darauf festgeknotetem Subjekt, danach ein Schwall von Blut und zuckenden Organen, zwei Gasflaschen bahnten sich ihren Weg durch eine Horde herbeigelaufener, bereits besabberten Krankenschwestern zum Mond. Unter meiner Nase vorbei schlugen nacheinander zehn Fingerkuppen in die Betonwand ein, und blieben an ihren langen, rotlackierten Naegeln zitternd stecken. Es roch nach verbranntem Gummi.

Die Aufregung an der Pforte nutzend, schlenderten wir in das Foyer. Dort stand ein Glaskasten, gefuellt mit knuddeligen kleinen miauenden Kaetzchen. An einem Panel waren ein Joystick und ein Firebutton, zusammen mit einer Kurzanleitung: NEHMEN AUCH SIE EIN SUeSSES KATZENBABY MIT NACH HAUSE! EIN JEDES MIT EINGRAVIERTEM NAMEN AUF DEM HALSBAND. EINFACH 1 DM EINWERFEN, UND MIT DEM GREIFER EINES DER NIEDLICHEN TIERCHEN EINFANGEN. ACHTUNG: GREIFER LAeSST SICH NUR NACH OBEN UND NACH RECHTS BEWEGEN. ZUM AUSLOeSEN DES GREIFVORGANGES KNOPF DRUeCKEN. MIT ETWAS GLUeCK WIRD IHR NEUES HAUSTIER ZUM AUSGABSCHACHT GEHOBEN!

Tatsaechlich baumelte vor meinen Augen eine dreizackige Greifzange, und wartete auf mich. Da die Kreisssaalfuehrung noch auf sich warten liess, warf ich eine Mark in den Schlitz.

"Bist du bloed! Die halten doch hoechstens drei Tage, und verrecken dann. Das sind garantiert durchgenudelte Labortiere!", Torte griente mich an. El Meuro ergaenzte dann noch aufmunternd "Infektioes sind die sicher auch noch! Viel Spass dann mit deinem Kleinen...", und ich hatte keine Lust mehr. Tatsaechlich sahen einige ziemlich raeudig aus, die meisten humpelten, und hatten Flecken im Fell, die von hastig weggewischtem Blut oder Eiter herruehren mochten. Frustriert steuerte ich den Greifer irgendwohin, und loeste ihn aus. Das Ding klapperte neben ein schlafendes Kaetzchen runter, und verhakte sich in seinem Halsband. Klaeglich winselnd wurde es abgehoben, und summend zum Schacht transportiert. Dort klappte der Greifer wieder aus, aber das Halsband rutschte nicht mehr ab. Das Tier begann verzweifelt zu zappeln und mit weit offenem Schnaeuzchen zu krakelen.

"Spielen Sie ein anders mal!", Morchel zog uns energisch zur beginnenden Kreisssaalfuehrung, hinter uns erstarb ein roechelndes Miauen. Es hiess uebrigens "Peterle".

Wir wurden erstmal freundlich in die Cafeteria geleitet, wo ein Vortrag zum Thema "Schwangerschaftsstreifen - Wege zum Suizid" mit abschliessender Selbstverbrennung gehalten wurde. Ich sah angewidert um mich, ueberall angeschwollene Frauen, und "neue Vaeter" mit dem obligatorischen Vollbart und Strickpullis. Um dieser optischen Schinderei zu entgehen, genehmigte ich mir einige Kruegchen Klosterthaler Finsterbraeu.

Interessant wurde es erst, als das gynaekologische A-Team durch den abziehenden fettigen Qualm das Feld betrat. Der spindelduerre Chefarzt mit den schuetteren grauen Haaren sah nicht so sehr nach Geburtshilfe aus, eher nach einer Spitzenkraft zur linearen Optimierung des Gegenteils, als das hier noch gefragt war. "Ich hab ihn auf den Photos in diesem Buch gesehen!" war auch Tortes Kommentar.

"Scheiss Napalm, ich habe schon damals gesagt, dass...", erst jetzt merkte er, dass das Mikrophon bereits aktiviert war, setzte ein grossvaeterliches Grinsen auf, und murmelte: "Wischen sie das eben mal weg."

Zwei blonde Schwesternschuelerinnen knieten nieder, und saeuberten den Fliesenboden mit ihren dichten Haarzoepfen.
Der Chefarzt wendete sich dem Diaprojektor zu, und schaltete ihn ein. Das erste Bild erschien, es zeigte eine bunte Schemazeichnung einer, etwa in der mitte durchgesaebelten schwangeren Frau, und schwarze Pfeile markierten den Weg des Embryos in die Freiheit. Darunter stand "Und raus muss er doch!"
"Um Ihnen die Sache etwas zu erleichtern, haben wir eine kleine Diashow fuer Sie vorbereitet...", er schien dieses grossvaeterliche Laecheln nicht mehr los zu werden.
"Viele Frauen kommen praktisch buchstaeblich in letzter Sekunde zu uns.", er zeigte eine Schnappschuss einer Hochschwangeren, die sich verzweifelt an der verschlossen Pforte blutige Faeuste an der Panzerglastuer haemmerte, waehrend der Kerl von vorhin mit einer Kippe im Maul desinteressiert auf das Schild mit den Oeffnungszeiten wies.
"Daher kann es oft zu spaet sein!", das Dia zeigte einen grossen blauen Muellsack an der Wand neben der Pforte gelehnt, daneben eine verschnuerte troepfelnde Plastikstuete der KAUF DIES GobH. (*Diese Tragetasche bitte mehrmals verwenden, unserer Umwelt zuliebe!*)

"Ich kann Ihnen daher nur dazu anraten, jetzt gleich eines der bereitliegenden Anmeldungsformulare auszufuellen. Nun sehen Sie einen unserer modern eingerichteten Kreisssaele.", in einem vollkommen mit Neonlampen ausgestrahltem Raum standen chromblitzende Instrumente. Auf einem grossen Bett war eine Hoechst-Schwangere mit Lederriemen festgeschnallt, nur mit einem duennen weissem Kittel bekleidet, der ihren Unterkoerper nicht erreichte. Zwischen den dicken Beinen ein Blutrinnsal, und gut sichtbar angebracht eine Funkuhr mit knallrotem Sekundenzeiger.

"Natuerlich koennen Sie Ihre Gebaerposition frei waehlen.", schnell nacheinander kam dieselbe Szene, aber die Frau ist zuerst auf einem riesigen Holzklo festgeschnallt ("Gebaerstuhl"), dann leicht verkrueppelt auf einem Hockertoepfchen ("Gebaerhocker") und zuletzt hatte sie jemand mit ihrem Blutrinnsal auf einem dicken Gymnastikball festgebunden ("Pezzi-Ball, das allerneueste!"). Dann kam eine Szene, wo die Frau verkehrtherum an einer Sprossenwand festgezurrt war, und der Chefarzt mit dem duennen weissen Kittel und dem Blutrinnsal zwischen den nackten Beinen herumhuepfte. Dieses Dia wurde jedoch kommentarlos ueberblendet.

"Bei uns brauchen Sie sich niemals alleingelassen zu fuehlen.", tatsaechlich war die Gebaerende jetzt an einem Gespinst von Apparaten und Speicheroszilloskopen festgemacht, ganze Magazine von verschiedenen Fluessigmedikamenten standen in Revolvertrommeln bereit, um computergesteuert injiziert zu werden, mehrere Drucker waren mit Protokollen beschaeftigt, in einem automatischen Einzelblatteinzug las ich auf den bereitliegenden Formularen "STERBEURKUNDE - Dieses Dokument ist maschinenerstellt und ohne Unterschrift gueltig!". Das Blutrinnsal hatte sich verbreitert.

"Auch bei unerwarteten Komplikationen laesst unser Spezialistenteam Sie nicht im Stich!", auf dem Bauch der Schwangeren waren mehrere riesige schweissschillernde Ausbuchtungen zu erkennen, die ein paar Typen in Kampfanzuegen genauestens im Visier hatten. Die angeschlossenen Instrumente spielten verrueckt, es war aber nicht zu erkennen, ob das an den Vorgaengen im Bauch, oder an der Blutlache, in der die Kabel schwommen, lag.

"Meistens werden Kind und Geburt nicht Ihren Wunschvorstellungen entsprechen, aber das ist ganz natuerlich!", anscheinend hatte sich ein zionistisches Selbstmordkommando im Kreisssaal in die Luft gejagt, ein Oszillator verspruehte Funken unter einem tropfenden Lungenfluegel, an der Decke verlief das Zickzackmuster eines eingekochten Dickdarmes, von den Waenden floss das Blut, und verschwand schaeumend durch ein Ablaufloch im Boden, die Apparate waren durch den Ansturm einer wabernden Bauchmasse quer durch den Raum geschleudert worden, auf dem Bett lag eine Fleischkratermasse. Inmitten des Schlachthauses stand ein Assistent, und zeigte mit weit offenem Grinsen so ein durchloechertes Ding mit zuschnappenden Reisszaehnen und oelig glaenzender Chitinhaut, das er in den geoeffneten Treteimer versenkte.

Als der Chefarzt dann bemerkte, dass bemerkenswert viele Paerchen bereits gegangen waren, murmelte er nur: "Dieses Volk hat mich nicht verdient." Es ging dann weiter.

Natuerlich hatten wir uns auf dem Weg zur gynaekologischen Abteilung abgesetzt, schon weil unser hormonpraepariertes Alibi bereits mehrere Halbwertzeiten hinter sich hatte, und die Nebenwirkungen nicht mehr zu uebersehen waren. Als auch noch beide Augen herausfielen, und eine von den Schwangeren sich bei diesem Anblick laut kreischend davonstob, bis sie von einer automatischen Schwingtuer gestoppt, und gegen die Wand geklatscht wurde, liessen wir ihn/sie/es zurueck, um unseren alten Kameraden Sammy zu suchen.

Auf einem Gang ereignete sich etwas merkwuerdiges: Ich habe die Angewohnheit nebenbei alles mitzulesen, was mir an Buchstabensalat unter die trueben Augen kommt. Und da war diese junge Frau auf dem Bett im Gang, die Decke Teile eines sexy Oberschenkels freigebend, worauf eine Adresse eintaetowiert war.

"Netter Zug, die Amputate nach Hause zu schicken.", meinte ich aufmunternd zu ihr.
Sie blickte mich scheu aus ihren braunen Bambi-Augen an: "Was sind Amputate?"
"Na, ihr Bein: Manuela von Witzigstein, 60768 Schloss Bamberger."
"Das bin ich nicht!"
"Oh..."
Burning schaltete als erster, und lupfte ungeniert die Decke zurueck: "In Hoehe der linken Niere steht 'Nadja Triller, Koenigshof 8, 89888 Schausserau', und bei der rechten... Scheiss Arztklaue, kann ich nicht lesen! Aber die Brueste sind fuer Mary! Und das Herz..."
Sie begann das ganze Haus zusammenzuschreien, auch Morchels zutiefst humanes Angebot, dass er als Repraesentant der IG-Techno selbstverstaendlich nicht tatenlos zusehen wuerde, und sie nur ihren Namen und Adresse nennen muesste, dann wuerde er mit seinem Phaser alle Taetowierungen berichtigen, und sie wuerde ihr Eigentum schon wieder zurueck bekommen, brachte sie nicht zur Ruhe.

Zwei herbeigeilte Pfleger vollbrachten das schliesslich mit einer kleinen Spritze, und blafften uns an, was wir hier zu suchen haetten.
"Wir sollen die Milz abholen."
"Sagt das doch gleich!", einer oeffnete eine Tuer, und drueckte el Meuro einen Eimer in die Hand. Dann verschwanden sie mit ihr.
"Wir werden immer ein Stueck von ihr bei uns behalten."
"Hae? Wieso?"
"Ich habe die Adresse der ZYN!-Reda auf ihre Stirn geschrieben, als sie den Eimer geholt haben!"
Da Burning meinte, dass es ein strategisches Unding waere, immer ungeschuetzt den langen Gang runter zu latschen, traten wir durch die naechste Tuer in einen OP. Unter gleissenden Halogen-Heissleuchten stand eine maskierte Gruppe in gruenen Kitteln, und arbeiteten so konzentriert, dass sie uns nicht bemerkt haetten. Wenn H.P.'s technisches Interesse am OP-Tisch nicht erwacht waere: "Wofuer sind denn die Pedale da?"

Er trat drauf, und der OP-Tisch schnellte in die Hoehe. Dabei gab es ein schmatzendes Geraeusch, und einige Kleinteile platschten auf den gekachelten Boden. Als die Aerzte ihre Koepfe aus dem Matsch herausnahmen, sahen sie ziemlich sauer aus. Einer steckte sein Skalpell in die Brust des Patienten, wo sich schon einige andere Metallteile durch H.P.'s besonnene Aktion hereingebohrt hatten, und fauchte uns an: "Wissen sie eigentlich, wielange wir hier schon schuften? SIEBEN STUNDEN! ALLES FUeR NICHTS!!!"

Ein anderer zog entnervt die Stecker fuer die EKGs und verstaendigte ueber Hausalarm den hiesigen Werkschutz. Aus der Ferne hoerte man den schweren Schritt herannahender Stiefel, fuer Morchel ein voellig neues Gefuehl, diesmal auf der falschen Seite zu stehen. Wir verschwanden in den naechsten Flur. Leider trabten die scheren Stiefel hinter uns her.

"H.P., sie sind ein Idiot! Das sind mindestens zwanzig schwerbewaffnete Killer!"
"Na und?! Was kann ich denn dafuer?", H.P. war jetzt auch genervt.
Am Ende des Ganges konnte ich eine schwere Aufzugtuer ausmachen, der Flur knickte dort nach rechts ab.
"Den Aufzug hat die IG gebaut! KULT!"
"Schoen, dass wir von unseren eigenen Kunden umgebracht werden. Das habe ich mir schon immer gewuenscht!"
H.P. blieb vor der Schalttafel stehen: "Geil! Das ist Modell 'Vertical Ejection 7000' mit dem nachlaessigen Sicherheitsprogramm von Professor Gerner. Ich probiere mal... El Meuro, kipp die Milz in den Gang!"
El Meuro tat das gewuenschte, was fuer eine glitschige weissschleimige Sauerei! Da war genug Milz drin fuer ein ganzes Altenheim. Burning und Morchel traten mit gezueckten Blastern hinter die Ecke zurueck, und winkten uns nach. Ich hatte bereits den Trupp gesehen, weisse hautenge Uniformen mit dem gezackten 'S' auf den Armbinden, blonde kurzgeschorene eckige Koepfe, den Hass in den blauen Augen und gekreuzte Patronengurte mit riesigen Spritzen drin.

Neben H.P. schlugen bereits die ersten bakteriologischen Injektate ein, er wartete heldisch bis zum letzten Augenblick, bevor er die Aufzugtueren oeffnen liess. Ich sah den ganzen Trupp auf den Milzorganen bruellend in den gaehnenden Schacht rutschen, H.P. gaehnte auch, laechelte, und rief den Aufzug runter.
Waehrend wir zur untersten Etage fuhren, hoerten wir vom Boden her das Klingeln der einschlagenden Kugeln. Nicht dass es gefaehrlich war, die IG-Techno hat die Manie, fast alles zu panzern, was sie produzieren. Ausserdem hoerte es auch ganz auf, als wir unten angekommen waren.

Nachdem sich die Aufzugschotte oelig gleitend geoeffnet hatten, bemerkte Morchel, dass die Kabine einen halben Zentimeter ueber dem Fussboden stand: "Irgendjemand soll mich spaeter daran erinnern, dass ich der Abteilung fuer Qualitaetssicherung ein Memo zukommen lasse!"

Wir traten in eine riesige, hell erleuchtete runde Halle. Es sah aus, wie eine Abfuellanlage, ueberall schepperten Infusionsflaschen auf Fliessbaendern, fette rostige Rohre druchzogen den Raum, der durch Betonpfeiler gestuetzt wurde. Etwa dreihundert Meter vor uns befand sich das Zentrum, auf das alle Leitungen zuliefen. Da wir etwas unter Zeitdruck geraten waren, trampelten wir mehr oder weniger unauffaellig geduckt dorthin. Wir haetten uns die Muehe sparen koennen, keiner der Weisskittel achtete auf uns.

Morchel hatte keine Lust auf Manieren, er nahm den schweren Blaster zur Hand, aktivierte laessig den Granatwerfer, dabei zuckte ein Grinsen um seine Mundwinkel, und jagte ein jaulendes Projektil in die Decke. Oben krachte es, das Licht schwankte, Morchel brachte den Blaster wieder in die waagerechte, und bot ein Photo von Sammy dar: "Meine Herren, wir wollen sie nicht weiter aufhalten, aber wir suchen..."

Danach sah Morchel ebenfalls zur Decke, und sah ebenfalls den sich schnell verbreiternden Riss. Ploetzlich war alles sehr still. Um uns herum platschten rote Troepfchen herunter, es roch suesslich. Dann rauschte das Zeug runter wie der Monsum, bildete Sturzbaeche, und bahnte sich seinen Weg sprudelnd durch die Gaenge.

"Das ist weniger, als es aussieht!" versuchte Morchel uns betont cool noch zu beruhigen, als die Decke mit einem ohrenbetaeubenden Droehnen nachgab, und wir alle in einem Schwall von Blut weggespuelt wurden. Ich versuchte verzweifelt den Mund zuzuhalten, niemand weiss, was in dem Zeug heutzutage alles drin ist, sah die Halle in einer schwankenden spritzenden roten Sintflut verschwinden, und schwarze Nacht umfing mich.

Ich erwachte in einem knatterndem Hubschrauber der IG-Techno, der um den Berg des SMH herumflog. Aus mehreren aufgebrochenen Flanken quoll das gerinnende Blut wie Lava aus der Erde. Auf einem dieser, sich einem unschuldigen Staedtelein entgegen waelzenden Stroeme, huepfte froehlich eine blaue Wertstofftonne auf und nieder. Irgendwie wusste ich es: "SAMMY!". Ich zeigte drauf, und erbrach mich.

Der Pilot, einer von diesen halb wahnsinnigen Black Riders, fischte das Fass mit einem Haken aus dem Blut, und setzte es mit der Seilwinde direkt bei uns ab. Morchel oeffnete das Ding desinteressiert mit einem Tritt, der Deckel sprang ab, und heraus kullerte Sammys Kopf. "Na, hoffentlich ist er komplett!"

Einige Zeit spaeter, die IG-Techno hatte das SMH aufgekauft, und, wie Morchel mir laechelnd ersichert hatte, dieses gemeingefaehrliche Blut-Pooling eingestellt, wurde ich Zeuge einer grossartigen Praesentation der IG.

Eine Gestalt lag auf einem Stahltisch, das Licht des Vollmondes schimmerte durch ein sich langsam oeffnendes Kuppeldach. Der Stahltisch begann zu kippen, waehrend Wolkenfetzen ueber den Himmel jagten. Kurz bevor der Tisch senkrecht stand, und die Gestalt, eine Art Roboter, weglaufen konnte, fuhr ein gleissender Blitz donnernd durch die Kuppel in eine bereit gestellte Antenne, blaue Funken rasten in den Roboter, der daraufhin schwerfaellig wegging.

Eine Stimme aus dem Off: "Die IG-Techno ist stolz Ihnen nach Jahren der mannhaften Forschung ihr neuestes High-End-Produkt vorstellen zu duerfen: ZYN!-COP! Die Pressefreiheit des dritten Jahrtausends! Recherhiert, schreibt und layoutet in einem Durchgang! Sie brauchen es nur noch zu drucken!!!"

Heute morgen kam ein Paeckchen in die Redaktion. Braucht jemand eine neue Stirnplatte?

SNORR

Letzte Ă„nderungen: [ am 6. April ]
Anzahl der Lesezugriffe: [ 89 ]