"Falltor runterlassen!"
Das Falltor, Modell "schwere mittelalterliche Zugbruecke de luxe", raste
herab und brachte beim Auftreffen sogar das maechtige IGT-Gebaeude zum
Virbrieren. Von Aussen-Mikrofonen uebertragene Schmerzensschreie, Splittern
von zweidimensionalisierten Schaedeln und sonstigen Knochen schienen den
urgewaltigen Sound uebertoenen zu wollen. Mehrere Tausend Liter Blut
spritzten gegen die Scheiben und huellten die vom Tageslicht erhellte
Eingangshalle in ein gespenstisches rotes Licht.
"Scheisse," murmelte H.P., "jetzt kriege ich von Morchel wieder eins auf den
Deckel, weil wir wieder so hohe Reinigungskosten haben."
Ein paar hundert Ueberlebende haemmerten mit ihren Faeusten gegen die
blutueberlaufenen Scheiben, so dass sie sich selber mit dem multikulturellen,
multifreakalen Blut bespritzten, und riefen:
"Oh H.P., du glorreiche Redner! Zeige Dich uns! Sprich zu uns! Wir sind eure
ergebenen Juenger und Diener!"
Ein kurzer Hauch von seligem, entrueckten Grinsen huschte ueber H.P.'s
Gesicht, doch dann setzte er sein gewinnendes Liste-19-Laecheln auf und
sprach, von Kameras auf Aussenbildschirme uebertragen:
"Wahrlich, ich sage Euch: Ihr werdet auch errettet werden! Nur Tausend
Credits pro halbe Stunde Auditorium, ein paar wenige Sitzungen und ihr werdet
clean sein. Ihr werdet neue, befreite Menschen sein, eine neue geistige
Elite."
Mit wirrem Blick ergoetzten sich die IGT-Juenger an H.P.'s Bild auf den
Monitoren und lauschten seinen Weissagungen.
"Oh H.P., befiehl! Wir folgen Dir! Wir wollen clean sein!"
"So gehet hin und bringt uns euer Geld, eure Himmler-Benz und eure
Packeintoshs. Lasset nichts zurueck und bringt uns alles, was ihr habt, auf
dass ihr bald clean sein werdet."
"Oh H.P., wir folgen Dir!" schrie der Poebel und rannte nach Hause, um Haus
und Familie zu verkaufen. H.P. grinste und schnappte sich seine 60 Juenger,
die ihn immer noch mit ehrfurchtsvollen und anbetenden Blicken bedachten, und
ging mit ihnen in den Keller. Er dozierte:
"Hier ist unser psycho-akustisches Forschungszentrum. Hinter dieser Tuer ist
unsere Rock-Test-Disco."
Er blieb vor einer schweren Metall-Tuer stehen, durch die man noch recht
laut Krach - "Musik" von Pantera, Bones Brigade etc. - hoeren konnte.
"Burn your Mom! Burn your Mom! Your mother's gonna die tonight!"
Durch kleine Sichtluken von 50cm dicken Acrylglas konnte man eine Horde
Metal-Freaks beim 'extensive Headbanging' beobachten. Gelegentlich synchron
zum Takt des Basses schlugen sie ihre Koepfe durch die Luft und manchmal
gegeneinander. Ihre Arme fuchtelten waehrenddessen mit spastisch anmutenden
Bewegungen umher. Gelegentlich verhakten sich beim Auftreffen zweier Koepfe
zwei durch die Augenbrauen gepiercte Ringe, so dass durch die schnelle
Bewegung beschleunigte Teile wie Haut- und Fleischfetzen durch den Raum
schossen. H.P. gab den Kollegen am Discopult ein Zeichen. Diese drehten noch
mehr Baesse rein und drehten die Lautstaerke noch mehr auf. Ein paar Subjekte
versuchten wohl mitzugroelen, doch man hoerte nur wilde Schreie. Die
Bewegungen wurden extensiver. Es flogen noch mehr Ringe mit Hautfetzen durch
die Luft. Der Krach wurde noch lauter. Da passierte es: Wie eine
Kettenreaktion, verursacht durch die hohe Banging-Amplitude, krachten mehrere
Koepfe zusammen; immer mehr Koepfe; gegeneinander und gegen die Betonwand;
Schaedelknochen splitterten, viel Blut mit wenig grauer Beigabe spritzte
umher; staerkeres Banging, immer lauterer, aufpeitschenderer Krach; blut
unterlaufene Augaepfel sprangen aus tiefen Augenhoehlen und flogen durch die
Luft; die ersten abgetrennten Koepfe und Arme wurden durch die Luft
geschleudert; aus offenen Halsschlagadern und Aorten spruehten meterweite
Fontaenen von Blut; arm- und kopflose Ruempfe standen noch fast aufrecht und
machten weiter Headbanging-artige Bewegungen, waehrend der Pegel der riesigen
Blutlache, in der sie standen, staendig weiter stieg. Doch nachdem auch der
letzte Koerper zerfetzt und ausgeblutet war, stand nichts mehr. Der Pegel des
Blutsees stieg nicht weiter und die "Musik" wurde abgestellt. H.P. laechelte.
"Faszinierend, nicht wahr? Es gibt einen gewissen Punkt, abhaengig von Gesamtlautstaerke, Basslaustaerke und Haerte der Musik, an dem es zu einer exponentiell Amplitudenvergroesserung des Headbanging kommt, die zu den eben gezeigten destruktiven Erscheinungen fuehrt. Genau diesen Punkt versuchen wir streng wissenschaftlich zu erforschen und vielleicht eine Gesetzmaessigkeit zu entdecken, die man mit einer einfachen mathematischen Formel beschreiben kann."
"Toll, was diese Wissenschaftler alles koennen. Was passiert mit den
Ueberresten?"
"Wir sind ein oekologisch verantwortungsvolles Unternehmen. Bei uns wird der
Muell sortiert und getrennt entsorgt. Alle organischen Abfaelle werden bei
uns in riesigen gruenen Tonnen weggeschafft. Wir bekommen bei den gruenen
Tonnen Mengenrabatt vom Destruktiven System Deutschlands (*DSD*). Doch kommen
wir nun zu unserem naechsten Forschungslabor. In diesem Labor befindet sich
unsere Idol- und Legendenforschung. Durch das Fenster kann man die Teilnehmer
unseres ersten Idol-Kursus beobachten. Sie erlernen das Basis-Wissen und
-Koennen, das man benoetigt, um eine Rocklegende zu werden. Wilde Frisur,
destruktive Aeusserungen gegenueber der Presse und natuerlich exzessiver
Gebrauch von allen moeglichen Drogen wie Alkohol, Nikotin und sonstigen
Rauschgiften. Als erstes Ergebnis unserer Idol-Forschung hat die IGT ein
neues Produkt entwickelt. Achten Sie bitte auf den Kontrollmonitor."
H.P. zeigt auf einen in der Wand eingelassenen Kontrollmonitor und tippt
etwas auf seiner Fernbedienung. Der Monitor schaltet sich ein und zeigt ein
neues Produktvideo:
Morchel erscheint und sagt laechelnd in die Kamera: "Einige von ihnen werden sich bestimmt an die glorreiche Epoche des Pappel II erinnern. Als Subversive Software das geniale Produkt 'BoFue' herausbrachte, kreiert mit dem PCS. In der Tradition der Construction Sets bringt die IGT nun ein neues richtungsweisendes Produkt auf den Markt. Viele von ihnen haben von Ruhm und Erfolg als Musiker getraeumt. Das neue IGT-Produkt wird ihnen zu diesem Erfolg verhelfen, auch wenn sie keine Ahnung von Musik haben und kein einziges Instrument spielen koennen, so ist ihnen der Erfolg trotzdem garantiert. Dafuer verbuerge ich mich persoenlich. Doch nun zu unserem neuen Produkt. Nach dem tragischen Tod des Nirvana-Saengers Curt Cobain, der durch seinen spektakulaeren Selbstmord posthum zur Legende wurde, haben wir ihm zu Ehren das Cobain Construction Set entwickelt. Werden auch sie zu einer Rocklegende! Im Lieferumfang des CCS ist alles enthalten, was sie dazu benoetigen: Eine Rock-Gitarre mit elMeuro-Tuning, ein extrem harter Exef-Verstaerker und natuerlich eine naturgetreue Nachbildung der Cobain Schrotflinte, mit der sie ihrem Ruhm einen kroenenden Abschluss setzen und sich ins Reich der Legenden befoerdern. Mit mehreren Erweiterungs-Sets, welche spezielle Schrotpatronen beinhalten, sind sie sogar in der Lage, bei ihrem eigenen legendaeren Selbstmord huebsche Spritzmuster an ihrer Garagenwand zu erzeugen. Speziell geformter Schrot aus IGT-patentierter Entwicklung bewirkt eine gemusterte Verteilung des Blutes und der Gehirnmasse an der Garagenwand. Dazu bieten wir natuerlich auch besondere Fortbildungskurse an, in denen ihnen geschulte IGT-Mitarbeiter die subtilen Techniken eines ruhmreichen, legendaeren Selbstmordes beibringen. Viel Erfolg!"
H.P. laechelt und ergaenzt: "In unserem umfangreichen Sortiment an
Erweiterungssets findet sich fuer jeden Geschmack etwas. Sie wollen passend
zu ihrer Bluemchentapete im Wohnzimmer das gleiche Muster in ihrer Garage
haben? Kein Problem! Egal ob Bluemchenmuster, Landschaftstapete oder sogar
TrueColor-Fotos ihrer versehentlich gezeugten Nachkommen, die mit
IGT-patentierten RGB-Schrot-Patronen in Abstimmung mit ihrer cerebralen Masse
erzeugt werden. Diese besonderen RGB-Patronen eignen sich auch hervorragend
zur Generierung beliebiger Grafiken, wie z.B. gebrochene Herzen,
altgermanische Runen oder auch Hakenkreuze. Doch die IGT hat auch eine
fuehrende Position in der Genforschung. Wir koennen einen kurzen Blick in
unser Genlabor werfen und den IGT-Forschern bei ihrer Arbeit zusehen."
H.P. ging den Gang ganz hinunter bis zur letzten Tuer. Neben der Tuer waren
Fenster, durch die man die Forscher beobachten und gedaempft auch ihre
Stimmen hoeren konnte. Man konnte einen kleinen, schwarzgekleideten Typ
sehen, der sich mit einem grossgewachsenen Typ im weissen Kittel stritt:
"Nein, ich will nicht mehr! Wir forschen jetzt schon 6 Monate und immer muss
ich dieses Zeug schlucken! Wir haben bis jetzt doch noch nichts erreicht."
Der Grosse versuchte den Kleinen zu beruhigen: "Wir stehen doch noch am
Anfang unserer Forschung. Trotzdem sind wir weltweit fuehrend, da es in
diesem Gebiet der Genforschung noch keine Konkurrenz gibt. Du musst nur daran
denken, dass Millionen Frauen auf der ganzen Welt uns dankbar sein werden."
"Wir haben bis jetzt aber noch keine geschmackliche Aenderung erreicht. Es
schmeckt immer noch bitter-salzig."
"Lass uns fuer heute noch diesen einen Test machen. Ich habe nicht nur das
Sammy-Gen, sondern auch noch zwei benachbarte Gene ausgetauscht. Sammy
muesste sie jetzt eigentlich assimiliert haben."
Er ging zum Haus-Videophon und forderte von seinen Kollegen eine neue Probe an. Im Hintergrund des Videobilds konnte man Sammy erkennen oder zumindest das, was noch von ihm uebrig war. Er war auf einem leicht modifizierten GIF.Wixer festgeschnallt und sah schon sehr verschrumpelt aus. Ein Labormitarbeiter ging zu dem Geraet und entnahm eine Probe. Er hielt sie zum Videophon hin und sagte: "Ich schick's mit der Hauspost".
Das Videophon verdunkelte sich, und der Grosse meinte: "Das dauert ja nicht
mehr lange. Diese eine Probe fuer heute noch. Wenn es dann immer noch nicht
klappt, dann muessen wir uns etwas anderes ueberlegen."
"Aber nur noch das eine Mal! Ich will nicht mehr!"
Eine Hintertuer ging auf und Puddel, ganz in rote Lackdessous gekleidet,
trat ein und gab dem Grossen die Probe. In einem herrischen Ton meinte
dieser: "Du darfst gehen!"
Der Schwarze meinte: "Es ist aber wirklich das letzte Mal!"
Der Grosse nahm einen Essloeffel von der Probe und gab sie ihm. Er probierte
ein bisschen, schaute verdutzt und schluckte dann begierig den ganzen Loeffel
herunter. Noch immer unglaeubig schauend meinte er: "Das ist es! Es hat
geklappt! Wir haben Bananengeschmack!"
Ganz cool, von sich selbst ueberzeugt, meinte der Grosse: "Das habe ich doch schon immer gesagt. Ich werde Morchel direkt Bescheid geben, dass wir Sperma durch gentechnische Manipulation einen Bananengeschmack verleihen koennen. Die Frauen werden uns zu Fuessen liegen. Und weil du so fleissig warst, bekommst du jetzt eine Extra-Portion."
Vor dem Labor wandte sich H.P., wie immer laechelnd, an seine 60 Juenger und bat eindringlich: "Wir sind Zeuge einer grandiosen wissenschaftlichen Entdeckung geworden. Ich bitte eindringlich darum, kein Wort von dem eben Gesehenen zu verraten."
Ueber die Hausrufanlage wurde H.P. zu Morchel beordert. Seine 60 Juenger im
Schlepp, bewegte er sich zu seinem Buero und liess sie vor der Tuer stehen.
Drinnen kam Morchel direkt zur Sache:
"Wir haben es ja jetzt geschafft, Sperma mit Bananengeschmack zu erzeugen.
Dafuer brauchen wir jetzt noch weitere Testpersonen. Da wir leider 60
unerwartete Zeugen haben muessen wir diese dafuer verwenden. Der
Sicherheitsdienst kuemmert sich gerade um sie. Keine Sorge, H.P., vor dem
Gebaeude warten noch genuegend Juenger auf dich. Abtreten!"
Als H.P. aus dem Buero herauskam, war von den 60 bereits nichts mehr zu sehen. Aber Morchel hatte recht. Es gab noch genuegend. Vielleicht 600, 6000 oder noch mehr. Es wuerde immer genuegend Juenger geben.