"Tag der offenen Tuer"

bei der IG Techno

von VAN

"Guck mal, welche Menschenmassen angestroemt kommen!"
Ein junger Unionspolitiker, trotzdem noch Mitglied der IGT, schien aeusserst positiv ueberrascht zu sein. Morchel verpasste ihm jedoch direkt einen Daempfer:
"Die sind nicht wegen Dir da, oh Idiot! Wir haben heute 'Tag der offenen Tuer', und Du, H.P., glorreicher Redner, hast die Ehre, die ersten 60 zu fuehren."
"Warum nur 60?"
"Das reicht! Bei 600 oder sogar 6 Millionen koennten gewisse links-anarchistische Kreise misstrauisch werden."
H.P. ging zum Eingangsportal und verkuendete:
"Die ersten 60 koennen rein. Aber nicht draengeln! Es koennen nur 60 rein!"
Ein Aufschrei ging durch die wilde Horde der Freaks. Die Meute schrie nach Blut - und sie sollte es bekommen. Der Konvoi der Opfer stuermte nach vorne. Schon hatten die ersten 60 das Gebaeude betreten, was jedoch den Rest nicht aufzuhalten schien. Der 61. verdampfte in einem Strahl, der vom automatischen Freak-Eliminierungsprogramm des Laserheizers - gesteuert von elMeuro und Torte - ausgeloest wurde. Das gleiche Schicksal ereilte den 62., den 63., den 64. ... Der Laserheizer wurde langsam warm. Da befahl H.P. mit lauter Stimme:

"Falltor runterlassen!"
Das Falltor, Modell "schwere mittelalterliche Zugbruecke de luxe", raste herab und brachte beim Auftreffen sogar das maechtige IGT-Gebaeude zum Virbrieren. Von Aussen-Mikrofonen uebertragene Schmerzensschreie, Splittern von zweidimensionalisierten Schaedeln und sonstigen Knochen schienen den urgewaltigen Sound uebertoenen zu wollen. Mehrere Tausend Liter Blut spritzten gegen die Scheiben und huellten die vom Tageslicht erhellte Eingangshalle in ein gespenstisches rotes Licht.

"Scheisse," murmelte H.P., "jetzt kriege ich von Morchel wieder eins auf den Deckel, weil wir wieder so hohe Reinigungskosten haben."
Ein paar hundert Ueberlebende haemmerten mit ihren Faeusten gegen die blutueberlaufenen Scheiben, so dass sie sich selber mit dem multikulturellen, multifreakalen Blut bespritzten, und riefen:
"Oh H.P., du glorreiche Redner! Zeige Dich uns! Sprich zu uns! Wir sind eure ergebenen Juenger und Diener!"
Ein kurzer Hauch von seligem, entrueckten Grinsen huschte ueber H.P.'s Gesicht, doch dann setzte er sein gewinnendes Liste-19-Laecheln auf und sprach, von Kameras auf Aussenbildschirme uebertragen:
"Wahrlich, ich sage Euch: Ihr werdet auch errettet werden! Nur Tausend Credits pro halbe Stunde Auditorium, ein paar wenige Sitzungen und ihr werdet clean sein. Ihr werdet neue, befreite Menschen sein, eine neue geistige Elite."

Mit wirrem Blick ergoetzten sich die IGT-Juenger an H.P.'s Bild auf den Monitoren und lauschten seinen Weissagungen.
"Oh H.P., befiehl! Wir folgen Dir! Wir wollen clean sein!"
"So gehet hin und bringt uns euer Geld, eure Himmler-Benz und eure Packeintoshs. Lasset nichts zurueck und bringt uns alles, was ihr habt, auf dass ihr bald clean sein werdet."
"Oh H.P., wir folgen Dir!" schrie der Poebel und rannte nach Hause, um Haus und Familie zu verkaufen. H.P. grinste und schnappte sich seine 60 Juenger, die ihn immer noch mit ehrfurchtsvollen und anbetenden Blicken bedachten, und ging mit ihnen in den Keller. Er dozierte:
"Hier ist unser psycho-akustisches Forschungszentrum. Hinter dieser Tuer ist unsere Rock-Test-Disco."
Er blieb vor einer schweren Metall-Tuer stehen, durch die man noch recht laut Krach - "Musik" von Pantera, Bones Brigade etc. - hoeren konnte.
"Burn your Mom! Burn your Mom! Your mother's gonna die tonight!"
Durch kleine Sichtluken von 50cm dicken Acrylglas konnte man eine Horde Metal-Freaks beim 'extensive Headbanging' beobachten. Gelegentlich synchron zum Takt des Basses schlugen sie ihre Koepfe durch die Luft und manchmal gegeneinander. Ihre Arme fuchtelten waehrenddessen mit spastisch anmutenden Bewegungen umher. Gelegentlich verhakten sich beim Auftreffen zweier Koepfe zwei durch die Augenbrauen gepiercte Ringe, so dass durch die schnelle Bewegung beschleunigte Teile wie Haut- und Fleischfetzen durch den Raum schossen. H.P. gab den Kollegen am Discopult ein Zeichen. Diese drehten noch mehr Baesse rein und drehten die Lautstaerke noch mehr auf. Ein paar Subjekte versuchten wohl mitzugroelen, doch man hoerte nur wilde Schreie. Die Bewegungen wurden extensiver. Es flogen noch mehr Ringe mit Hautfetzen durch die Luft. Der Krach wurde noch lauter. Da passierte es: Wie eine Kettenreaktion, verursacht durch die hohe Banging-Amplitude, krachten mehrere Koepfe zusammen; immer mehr Koepfe; gegeneinander und gegen die Betonwand; Schaedelknochen splitterten, viel Blut mit wenig grauer Beigabe spritzte umher; staerkeres Banging, immer lauterer, aufpeitschenderer Krach; blut unterlaufene Augaepfel sprangen aus tiefen Augenhoehlen und flogen durch die Luft; die ersten abgetrennten Koepfe und Arme wurden durch die Luft geschleudert; aus offenen Halsschlagadern und Aorten spruehten meterweite Fontaenen von Blut; arm- und kopflose Ruempfe standen noch fast aufrecht und machten weiter Headbanging-artige Bewegungen, waehrend der Pegel der riesigen Blutlache, in der sie standen, staendig weiter stieg. Doch nachdem auch der letzte Koerper zerfetzt und ausgeblutet war, stand nichts mehr. Der Pegel des Blutsees stieg nicht weiter und die "Musik" wurde abgestellt. H.P. laechelte.

"Faszinierend, nicht wahr? Es gibt einen gewissen Punkt, abhaengig von Gesamtlautstaerke, Basslaustaerke und Haerte der Musik, an dem es zu einer exponentiell Amplitudenvergroesserung des Headbanging kommt, die zu den eben gezeigten destruktiven Erscheinungen fuehrt. Genau diesen Punkt versuchen wir streng wissenschaftlich zu erforschen und vielleicht eine Gesetzmaessigkeit zu entdecken, die man mit einer einfachen mathematischen Formel beschreiben kann."

"Toll, was diese Wissenschaftler alles koennen. Was passiert mit den Ueberresten?"
"Wir sind ein oekologisch verantwortungsvolles Unternehmen. Bei uns wird der Muell sortiert und getrennt entsorgt. Alle organischen Abfaelle werden bei uns in riesigen gruenen Tonnen weggeschafft. Wir bekommen bei den gruenen Tonnen Mengenrabatt vom Destruktiven System Deutschlands (*DSD*). Doch kommen wir nun zu unserem naechsten Forschungslabor. In diesem Labor befindet sich unsere Idol- und Legendenforschung. Durch das Fenster kann man die Teilnehmer unseres ersten Idol-Kursus beobachten. Sie erlernen das Basis-Wissen und -Koennen, das man benoetigt, um eine Rocklegende zu werden. Wilde Frisur, destruktive Aeusserungen gegenueber der Presse und natuerlich exzessiver Gebrauch von allen moeglichen Drogen wie Alkohol, Nikotin und sonstigen Rauschgiften. Als erstes Ergebnis unserer Idol-Forschung hat die IGT ein neues Produkt entwickelt. Achten Sie bitte auf den Kontrollmonitor."
H.P. zeigt auf einen in der Wand eingelassenen Kontrollmonitor und tippt etwas auf seiner Fernbedienung. Der Monitor schaltet sich ein und zeigt ein neues Produktvideo:

Morchel erscheint und sagt laechelnd in die Kamera: "Einige von ihnen werden sich bestimmt an die glorreiche Epoche des Pappel II erinnern. Als Subversive Software das geniale Produkt 'BoFue' herausbrachte, kreiert mit dem PCS. In der Tradition der Construction Sets bringt die IGT nun ein neues richtungsweisendes Produkt auf den Markt. Viele von ihnen haben von Ruhm und Erfolg als Musiker getraeumt. Das neue IGT-Produkt wird ihnen zu diesem Erfolg verhelfen, auch wenn sie keine Ahnung von Musik haben und kein einziges Instrument spielen koennen, so ist ihnen der Erfolg trotzdem garantiert. Dafuer verbuerge ich mich persoenlich. Doch nun zu unserem neuen Produkt. Nach dem tragischen Tod des Nirvana-Saengers Curt Cobain, der durch seinen spektakulaeren Selbstmord posthum zur Legende wurde, haben wir ihm zu Ehren das Cobain Construction Set entwickelt. Werden auch sie zu einer Rocklegende! Im Lieferumfang des CCS ist alles enthalten, was sie dazu benoetigen: Eine Rock-Gitarre mit elMeuro-Tuning, ein extrem harter Exef-Verstaerker und natuerlich eine naturgetreue Nachbildung der Cobain Schrotflinte, mit der sie ihrem Ruhm einen kroenenden Abschluss setzen und sich ins Reich der Legenden befoerdern. Mit mehreren Erweiterungs-Sets, welche spezielle Schrotpatronen beinhalten, sind sie sogar in der Lage, bei ihrem eigenen legendaeren Selbstmord huebsche Spritzmuster an ihrer Garagenwand zu erzeugen. Speziell geformter Schrot aus IGT-patentierter Entwicklung bewirkt eine gemusterte Verteilung des Blutes und der Gehirnmasse an der Garagenwand. Dazu bieten wir natuerlich auch besondere Fortbildungskurse an, in denen ihnen geschulte IGT-Mitarbeiter die subtilen Techniken eines ruhmreichen, legendaeren Selbstmordes beibringen. Viel Erfolg!"

H.P. laechelt und ergaenzt: "In unserem umfangreichen Sortiment an Erweiterungssets findet sich fuer jeden Geschmack etwas. Sie wollen passend zu ihrer Bluemchentapete im Wohnzimmer das gleiche Muster in ihrer Garage haben? Kein Problem! Egal ob Bluemchenmuster, Landschaftstapete oder sogar TrueColor-Fotos ihrer versehentlich gezeugten Nachkommen, die mit IGT-patentierten RGB-Schrot-Patronen in Abstimmung mit ihrer cerebralen Masse erzeugt werden. Diese besonderen RGB-Patronen eignen sich auch hervorragend zur Generierung beliebiger Grafiken, wie z.B. gebrochene Herzen, altgermanische Runen oder auch Hakenkreuze. Doch die IGT hat auch eine fuehrende Position in der Genforschung. Wir koennen einen kurzen Blick in unser Genlabor werfen und den IGT-Forschern bei ihrer Arbeit zusehen."
H.P. ging den Gang ganz hinunter bis zur letzten Tuer. Neben der Tuer waren Fenster, durch die man die Forscher beobachten und gedaempft auch ihre Stimmen hoeren konnte. Man konnte einen kleinen, schwarzgekleideten Typ sehen, der sich mit einem grossgewachsenen Typ im weissen Kittel stritt:
"Nein, ich will nicht mehr! Wir forschen jetzt schon 6 Monate und immer muss ich dieses Zeug schlucken! Wir haben bis jetzt doch noch nichts erreicht."
Der Grosse versuchte den Kleinen zu beruhigen: "Wir stehen doch noch am Anfang unserer Forschung. Trotzdem sind wir weltweit fuehrend, da es in diesem Gebiet der Genforschung noch keine Konkurrenz gibt. Du musst nur daran denken, dass Millionen Frauen auf der ganzen Welt uns dankbar sein werden."

"Wir haben bis jetzt aber noch keine geschmackliche Aenderung erreicht. Es schmeckt immer noch bitter-salzig."
"Lass uns fuer heute noch diesen einen Test machen. Ich habe nicht nur das Sammy-Gen, sondern auch noch zwei benachbarte Gene ausgetauscht. Sammy muesste sie jetzt eigentlich assimiliert haben."

Er ging zum Haus-Videophon und forderte von seinen Kollegen eine neue Probe an. Im Hintergrund des Videobilds konnte man Sammy erkennen oder zumindest das, was noch von ihm uebrig war. Er war auf einem leicht modifizierten GIF.Wixer festgeschnallt und sah schon sehr verschrumpelt aus. Ein Labormitarbeiter ging zu dem Geraet und entnahm eine Probe. Er hielt sie zum Videophon hin und sagte: "Ich schick's mit der Hauspost".

Das Videophon verdunkelte sich, und der Grosse meinte: "Das dauert ja nicht mehr lange. Diese eine Probe fuer heute noch. Wenn es dann immer noch nicht klappt, dann muessen wir uns etwas anderes ueberlegen."
"Aber nur noch das eine Mal! Ich will nicht mehr!"
Eine Hintertuer ging auf und Puddel, ganz in rote Lackdessous gekleidet, trat ein und gab dem Grossen die Probe. In einem herrischen Ton meinte dieser: "Du darfst gehen!"
Der Schwarze meinte: "Es ist aber wirklich das letzte Mal!"
Der Grosse nahm einen Essloeffel von der Probe und gab sie ihm. Er probierte ein bisschen, schaute verdutzt und schluckte dann begierig den ganzen Loeffel herunter. Noch immer unglaeubig schauend meinte er: "Das ist es! Es hat geklappt! Wir haben Bananengeschmack!"

Ganz cool, von sich selbst ueberzeugt, meinte der Grosse: "Das habe ich doch schon immer gesagt. Ich werde Morchel direkt Bescheid geben, dass wir Sperma durch gentechnische Manipulation einen Bananengeschmack verleihen koennen. Die Frauen werden uns zu Fuessen liegen. Und weil du so fleissig warst, bekommst du jetzt eine Extra-Portion."

Vor dem Labor wandte sich H.P., wie immer laechelnd, an seine 60 Juenger und bat eindringlich: "Wir sind Zeuge einer grandiosen wissenschaftlichen Entdeckung geworden. Ich bitte eindringlich darum, kein Wort von dem eben Gesehenen zu verraten."

Ueber die Hausrufanlage wurde H.P. zu Morchel beordert. Seine 60 Juenger im Schlepp, bewegte er sich zu seinem Buero und liess sie vor der Tuer stehen. Drinnen kam Morchel direkt zur Sache:
"Wir haben es ja jetzt geschafft, Sperma mit Bananengeschmack zu erzeugen. Dafuer brauchen wir jetzt noch weitere Testpersonen. Da wir leider 60 unerwartete Zeugen haben muessen wir diese dafuer verwenden. Der Sicherheitsdienst kuemmert sich gerade um sie. Keine Sorge, H.P., vor dem Gebaeude warten noch genuegend Juenger auf dich. Abtreten!"

Als H.P. aus dem Buero herauskam, war von den 60 bereits nichts mehr zu sehen. Aber Morchel hatte recht. Es gab noch genuegend. Vielleicht 600, 6000 oder noch mehr. Es wuerde immer genuegend Juenger geben.

VAN

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