Katastrophenhaendler

von I.WAHN

"Ah, schoen das Sie da sind, kommen Sie doch rein, nehmen Sie doch Platz!"

Das Kamerateam betritt das ganz in schwarzen Marmor gehaltene Buero und flegelt sich mehr oder minder gelangweilt in die verchromten Edelstahl-Designermoebeln. Waehrend der Moderator noch in seinen Unterlagen blaettert, um herauszufinden, wen er eigentlich interviewt, beginnt sein Gegenueber, Typ Yuppie mit anliegenden, oeligen Haaren und stechenden Blick:

"Ach, wissen Sie, wir sind hocherfreut, dass Sie unser junges Unternehmen in Ihrer Reihe "Kapitalismus - aber richtig!" vorstellen wollen. Wir sind stolz, ein Marktsegment entdeckt zu haben, das innovative Moeglichkeiten bietet und Zuwachsraten im dreistelligen Bereich aufweist - den Katastrophenhandel. Gut, zugegeben, der Ausdruck mag zunaechst ein wenig verwirren, schliesslich verstehen wir uns ja eigentlich als Dienstleister und nicht als Haendler, aber Sie kennen das ja, Volkes Mund...

Aber ich schweife ab. Nun, die Katastrophen GmbH beschaeftigt sich mit der Ausrichtung von Katastrophen jeder Art. Wenn Sie einmal einen Blick in die vor Ihnen liegenden Hochglanzkataloge werfen, werden Sie feststellen, das unser Unternehmen fuer jeden das richtige anbietet, egal ob man nun einen kleinen Geldbeutel hat oder Millionaer ist, Privatmann oder einen multinationalen Konzern vertritt. Wir arbeiten international und haben Bueros in den wichtigsten Staedten der Welt.

Wie sie sehen, bieten wir im Prinzip nur ein einziges Produkt an: Die Katastrophe. Das geht von den kleinen, persoenlichen Katastrophen, wie einer Bananenschale auf der Treppe die zu einem achtfachen Wirbelsaeulenbruch fuehrt, ueber Grossbraende, Flugzeugabstuerze und aehnliches - die Moeglichkeiten sind unbegrenzt!

Egal, ob Sie nun zur Auflockerung Ihres Gartenfestes ein defektes Ventil am Gasgrill wuenschen, dass den Grillmesiter als menschliche Fackel durch den Garten rennen laesst, wir bieten jede Art von witzigen Einlagen fuer Hochzeit, Geburtstag und Betriebsfest - schon ab einem erstaunlich guenstigen Preis.

Aber eine Katastrophe ist natuerlich nicht nur zum lachen da, Katastrophen sind ein sehr ernsthaftes Geschaeft, das wir auch mit der notwendigen Serioesitaet und Gewissenhaftigkeit angehen - gerade dies schaetzt unsere Kundschaft aus der Wirtschaft und den Medien.

Gerade der Mediensektor boomt. Sie kennen das Problem von frueher ja, als Katastrophen noch unberechenbar waren, wenn etwas passierte, waren im seltensten Fall Kamers am Ort, Sendeplaene mussten umgeworfen werden - dies alles hat nun ein Ende. Wir haben Rahmenvertraeaege mit allen grossen Funk- und Fernsehanstalten sowie mit den grossen Verlagen geschlossen. Endlich gibt es auch fuer Katrastrophen Planungssicherheit, man kann Werbezeiten verkaufen, Experten einladen, vor kurzem wurde sogar die erste Katastrophe von einer grossen Brauerei gesponsert.

Sie erinnern sich ja sicherlich noch an den Airbus-Absturz in der Berliner Innenstadt. Hier war aeusserste Praezision gefragt, schliesslich musste die Maschine ja so zwischen den Haeusern entlangstuerzen, dass man die Bandenwerbung gut sehen konnte und die Rauchschwaden der brennenden Motoren nicht zuviel der Werbeflaechen verdeckten. Dieses Problem konnten wir mit einigen grossen Windmaschinen aber gluecklicherweise loesen. Ja, es war schon ein bewegendes Bild, als sich die brennende Maschine, die extra in den Hausfarben des Hauptsponsors lackiert worden war, in die Fussgaengerzone bohrte... All diese Schreie.... Die umherfliegenden Koerperteile... ach, ich gerate ins Schwaermen!

Aber unsere Referenzen reichen noch weiter: Wenn Sie zum Beispiel an den Untergang Hawaiis denken, dass war das Geburtstaggeschenk eines arabischen Oelmultis an seine Lieblingstochter. Ich kann Ihnen sagen, an dieser Aufgabe hat unser Geologen-Team fast ein halbes Jahr geplant, wir mussten quasi den halben TNT-Vorrat des Planeten aufkaufen, aber Geld spielte ja keine Rolle... Und das Ergebnis war ja auch nun wirklich beeindruckend und stellte auch unser bisheriges Vorzeigeprojekt, das grosse Beben von L.A. in den Schatten.

Aber trotz dieser grossen Aufgaben, denen wir uns Tag fuer Tag stellen, verlieren wir nicht den Blick fuer das kleine, nicht den Kontakt zum kleinen Mann: Wir seifen immer noch gerne die Fensterbank im 11. Stock ein, wenn Om Klaerchen die Fenster putzt, man darf wegen der Grossprojekte nicht die Wuensche der einfachen Leute aus den Augen verlieren.

Ein anderer interessanter Aspekt sind die Umweltkatastrophen: Es wird Sie sicherlich ueberraschen, dass 97% aller Umweltkatastrophen von Umweltschutz- organisationen mit sinkendem Spendenaufkommen oder mangelnden Argumenten bestellt werden.

Einige Beispiele: Die Tankerkollision vor Mallorca, die Explosion der Nervengift-aeh, Pflanzenschutzproduktion in Basel, der GAU von Biblis - erstaunlich, wie diese Kernreaktoren reagieren, wenn man die Kuehlstaebe aus Plutonium fertigt... die 6 Millionen Strahlenopfer fuehrten zu einem Run auf die Oeko-Parteien und Strahlenschutzanzuegen!

Sehr schoen ist auch, dass wir jetzt auch einige Laender der dritten Welt zu unseren Kunden zaehlen koennen. Hier haben wir den gespannten finanziellen Lage unserer Kundschaft Rechnung getragen, indem wir mehrere Einzelkunden zu einem gemeinsamen Grossprojekt bewgen konnten. Leider kann ich Ihnen hierzu noch keine Details verraten, sondern Ihnen nur eine grobe Idee geben, es geht um einen weltweiten Thermonuklearen Erstschlag, unsere Planungsabteilung hat dem Projekt liebevoll den Namen >Big Bang< gegeben..."

(I.WAHN)

Letzte Ă„nderungen: [ am 25. April ]
Anzahl der Lesezugriffe: [ 472 ]