KABELBRAND

von SAMMY

Er ist DA!

Und wirklich ist er voll mit Krokodilen, welche schnappend und wälzend versuchen mindestens ihre Aufmerksamkeit, wenn nicht gar Sie in Gänze zu erhaschen. Ihnen erscheint er allerdings in Form eines recht unscheinbaren Kastens, welcher vermutlich an exponierter Stelle in ihrer Wohnung auch JETZT wieder nichts anderes zu tun hat, als darauf zu warten, daß ihn eine arme Seele nichts böses denkend anschaltet.

Fürchterliches geschieht wenn das getan wurde. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stolpert man in einen ersten (und wahrlich nicht letzten) Werbespot der neuesten Generation hinein. Was das mit den neuen Generation bedeutet? Nun, früher hat es nicht sehr viel Selbstbeherrschung erfordert die sporadisch auftretenden Werbeblocks zu umschiffen, und sich die Rosinen aus dem Kuchen zu picken. Damals - oder war es erst gestern? - konnte man noch ohne große Planung in die Ferne sehen, und durfte - eine gewisse Niveaulosigkeit mal vorausgesetzt - mit anregender Unterhaltung, und einigen Brocken Information rechnen.

Möchte man aber HEUTE nicht 87% der TV-Zeit mit dem goutieren endloser Reihen mittelprächtiger Werbeblöcke verbringen, so gibt es nur vier Möglichkeiten der Rettung.

a) Endloses Zappen durch die Kanäle

Nein, Zappen hat nichts - oder noch nichts - mit ZAPPENduster zu tun. Hiermit ist das hemmungslose durch die Programme schalten mittels Fernbedienung gemeint. Immerhin ist das ein kleiner Lichtblick, denn man stelle sich vor, man hätte 26 Programme und KEINE Fernbedienung in der Hand!! Das Grauen würde keine Grenzen mehr kennen! Unterm Strich muß aber auch gesagt werden, daß die hiermit vom Zuschauer (ihnen!) aufgenommenen Filme/Shows oder ähnlichen Peinlichkeiten allenfalls zu 80% komplett sein dürften. Immer werden sie die pikantesten Szenen, die spannendsten Momente, oder realitätsnaheste Hinrichtung gerade dann verpassen wenn sie sich in einem anderen Programm befinden. Dafür werden sich Unmengen von kleinen Brocken aus Comics, Werbungen, Serien, und Spielfilmen in ihrem werten Gehirn festbeißen. Künftig wird es ihnen immer schwerer fallen die alte Frage "Haben Sie den Film &%$&%$ schon gesehen?" wahrheitsgemäß zu beantworten. Wenn Sie gut im Kopfrechnen sind, können sie ja mit einer zünftigen Prozentzahl kontern ("Ich habe Goldfinger fast zu 95% gesehen!"). Ansonsten bleibt zu sagen, daß die Chancen während eines Werbeblocks durch umschalten einen anderen Kanal zu finden der für die Zeit des Wartens (oder auch einer Form des Parkens) angemessene Unterhaltung bietet, statt binnen einer Minute ebenfalls mit Werbung zu kommen minimal sind. Eher beißen sie sich an etwas neuem fest. Es soll auch Menschen geben, die sich in einer Werbewelle quer durch alle Kanäle gefangen sahen. (24 Sender mit dem Melitta-Mann... argh!)

b) Generalstabsmäßige Planung

Solcherlei Menschen nehmen sich den dicksten Marker den sie bekommen können, und markieren sich wie weiland Rommel ihre geplanten Feldzüge durch die TV-Welt. Sie notieren sich vor Beginn eines stressigen Fernsehabends die Inseln in diesem Krokodilsfluß, bevorzugte Rastplätze, und interessante Hauptziele (Operationsziel: Schmidteinander). Die heutzutage erscheinenden TV-Zeitschriften stehen mit alten HörZu Ausgaben in einem ähnlichen Verhältnis wie moderne Generalsstabskarten des Pentagon zu frühen Kritzeleien von Landschaftsmalern aus der Lüneburger Heide. Wenn man mal davon absieht, daß eine solche Planung schon fast Schachqualitäten besitzt, und locker 2 Stunden in Anspruch nimmt, kann doch so eine Kalkulation durch unvorhergesehene Dinge (Honecker kommt doch zurück, Mauer wird wieder hochgezogen, Kohl bleibt 1994 Kanzler) massiv ins Schleudern geraten. Und für den bereits recht angeschlagenen Geisteszustand stellt es zuweilen die letzte Regung dar - besonders wenn diese Person derartige Pläne mit Schaum vor dem Mund und einem irren Grinsen in hektischer Form schmiedet.

c) Dranbleiben

Diese Möglichkeit hat Komponenten von Askese, und langanhaltender Folter. Sie werden nach und nach geistige Ebenen erreichen von denen sie nie geahnt hatten, daß es sie gibt. Kartoffelchips und die Cappuchino-Werbung dürften sehr schnell zu Eckpfeilern ihres Lebens werden. Danach kommt massives telefonisches mitspielen bei Sat-1 Gameshows, und kurz darauf tolaler Zusammenbruch. Hier werden sie sich mit Schauspielern der Serie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" erstmals voll identifizieren (Ein Kunststück welches sogar langjährige Hypochonder nie schaffen), und dann beginnen sich über Sendungen wie "Punkt, punkt, punkt", oder dem Glücksrad zu begeistern. Danach wird es sehr, sehr gefährlich sein sie anzusprechen, und ein Abschalten des Fernsehers dürfte tödlich sein. Alles in allem ungefährlicher als heutzutage ein Rindersteak zu verputzen (Rinderseuche!).

d) Abschalten

Was? Gibt es bei modernen Fernsehern diese Schaltung noch? Na dann ist das natürlich eine Möglichkeit. Aber was wollen sie mit ihrem solchermassen verpfuschten Leben dann noch anfangen? Rausgehen? Und dabei gibt es so schöne Tier & Landschaftserien! Arbeiten? Regelmäßige Glücksrad-Mitspieler brauchen nicht zu arbeiten! Liebe? Mein Gott sehen Sie denn kein Fernsehen? Soviel soliden Schweinkram wie heute werden sie nie in ihrem Schlafzimmer zu sehen bekommen! Alles das was sie früher nur zwischen "Lassie" und "Die Schlümpfe" eingeklemmt der netten jungen Dame in der Videothek vorlegen konnten, läuft (allerdings noch etwas zurechtgeschnitten, und daher nicht selten höchstens 50min lang) bereits auf diversen Kanälen! Gut, grunzende Geräusche vor dem einsamen Fernseher eines ansonsten leeren Hauses mögen etwas gespenstisches haben, aber bedenken Sie auch was sie da sparen! Was kostet ein zünftiges Rendezvous mit einer Dame welche diesen Namen auch verdient nicht alles? Sowas bekommen sie bei RTL-Billigserien nachgeworfen. Und wenn bei denen dann ausgeblendet wird, schalten sie einfach zu Playboy LateNight - da geht's dann weiter.

"Even better than the Real Thing" (U2)

(SAMMY)

Letzte Änderungen: [ am 6. April ]
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