Wie werde ich intellektuell?

Auf einfachen Wegen zum sozialen Durchbruch

von SAMMY

In der heutigen Zeit voellig normal zu sein, ist aehnlich gefaehrlich wie das Zeigen von Anzeichen fuer Pest im fruehen Mittelalter. Normalen Menschen stehen lange, trostlose Jahre unter anderen, voellig normalen und somit langweiligen Menschen bevor. Sollten Sie allerdings ein wenig mehr von Ihrem Leben erwarten, als die reine Existenz in der Belanglosigkeit normaler Menschen, sollten Sie danach streben "Intellektuell" zu werden. Haben Sie diesen Status erstmal erreicht, so gehoeren Sie einer eigenen Adelsklasse an aus der man nur schwer wieder vertrieben wird.

Es gilt als erstes einige Binsenweisheiten des intellektuellen Lebens zu verinnerlichen. So gehen diese Menschen nicht einfach durchs Leben, um zu lachen, zu weinen, oder ihren Mitmenschen bei diesen Dingen zuzusehen. Nein, intellektuelle Menschen, besser noch "Intellektuelle Geister", haben mit ihrer Geburt eine Mission begonnen, die es abzuschliessen gilt. Und wenn sie dafuer einen Kreuzzug fuehren muessen. Sollten Sie bislang ohne ein solches Ziel gelebt haben, so muessen Sie das schleunigst aendern.

Und das wir uns recht verstehen: Dieses Ziel sollte ein hehres sein, und nicht etwa primitive Plattheiten wie "Spass haben", oder "Genuss" unreflektiert anstreben.

Allerdings ist es fuer eine einfache Seele etwas schwierig sich das noetige Ruestzeug zuzulegen, welches fuer den gewieften Intellektuellen absolut lebensnotwendig ist. Es ist aber mit ein wenig Arbeit moeglich, sich in ueberschaubarer Zeit dieser besonders gesegneten Klasse Mensch anzuschliessen, und dem eigenen Leben somit einen wirklichen Sinn zu verleihen. Folgendes haben Sie hierbei zu beachten.


Die Kleidung


Der intellektuelle Mensch, oder auch "Homo Sapiens Elitaris" (HSE), trachtet jede Sekunde danach sich nicht mit seiner Umwelt gemein zu machen. Und somit Sie auch! Ein Gedanke den Sie moeglichst schnell verinnerlichen sollten.

Sie moechten sich abheben von der gesichtslosen, dummen Masse Ihrer Mitmenschen, und wissen dies schon in Ihrer Kleidung auszudruecken. Die weitaus meisten Dinge taetigen Sie nicht aus einer Laune heraus, sondern aus Ueberzeugung. Es beansprucht eine ganze Menge Selbstdiziplin um z.B. nicht aus einem typischen Kino-Kassenschlager verzueckt herauszutaumeln, und jedem zu versichern dieser Film sein "grosse Klasse". Gerade dann wenn Ihnen der Film tatsaechlich sehr gut gefallen hat. Ein sehr bekannter und geschaetzter Kinokritiker tat genau dies nach dem Besuch des Massenprodukts "Jurassic Park", und war in der Folge fuer sein pikiertes Umfeld gesellschaftlich erledigt. Er starb wenig spaeter voellig verarmt eines Hungertodes.

Ein gewichtiger Aspekt im Auftreten eines Intellektuellen ist die Kleiderfrage. Ohne richtige Schale ist Ihre positive Entwicklung in diese Richtung faktisch unmoeglich, da kann es im Kern noch so vielversprechend aussehen.

Allerdings gibt es hier verschiedene Schulen, welche wiederum zahlreiche neue Varianten entwickelten. Eine der klassischen Varianten ist die des Modeverzichts. Als Sprachregelung bietet sich fuer Sie hier das "Ich lehne solche Modediktate strikt ab!" an, oder ein "Ich halte eine Distanzierung der Elite, gegenueber der Massenkultur, fuer ueberfaellig!". Das soll allerdings nicht bedeuten, dass Sie als Adept dieser Schule schlechte Kleidung tragen. Schlicht, aber teuer ist hier die Devise. Und moeglichst von Schneidern welche dem Durchschnittsmenschen bislang unbekannt geblieben sind.

Vertreter dieser Schule hassen alles von der Stange, alles was die Masse traegt, und ueberhaupt ist das Wort "hassen" fuer Sie hier von grosser Bedeutung. Wer seine Kleidung anders begreift als Sie, hat schlichtweg nicht begriffen was zaehlt, das sollte Ihnen immer klar sein!

Dieser Poebel muss bei Ihnen schon vom weitem erkennen, welcher unabhaengige Geist da vor ihm steht. Dunkle Farben sollten dominieren, mit einem Hang zum konservativen Schnitt in der Kleidung. Es laesst sich innerhalb dieser Schule eine gewisse Uniformitaet nicht ganz leugnen, andererseits zeigt dies, dass Sie im Besitz des wahren, und einzigen guten Geschmacks sind.

Es empfiehlt sich fuer Sie, nun auch eine Abkehr von komplizierten Frisuren, zugunsten extremer Kurzhaarfrisur. Der Denker denkt, er foehnt nicht! Nicht ganz so populaer ist die Vollglatze. Der typische HSE baut sie erst in sein Gesamtkonzept ein, wenn es nicht anders geht. Dann allerdings voller Ueberzeugung! Kaum umgehen koennen Sie auch die kleine, moeglichst runde Brille. Sollten Sie nicht kurz oder weitsichtig sein, lassen Sie sich Fensterglas einsetzen. Oder gar keines! Aber verzichten Sie nicht auf dieses Accessoir. Denn in der Kombination zum Haarschnitt, ergibt sich so bei Ihnen ein fast asketisches Auftreten, welches die meisten normalen Menschen auch ohne Worte in ihre engen Schranken verweisen wird.

Ein starker Kontrast zu dieser Schule, ist der dem Kuenstler verwandte Typus. Er liebt es ausgefallene Kleidung, moeglichst in der modischen Linie von uebermorgen, oder vorgestern, zu tragen. Sobald ihm ein normaler Mensch begegnet, welcher auch nur andeutungsweise seiner gewaehlten Linie folgt, wird die gesamte entsprechende Garderobe auf Dauer eingemottet. Niemals aber wird dieser Typ ein System in seinem Handeln zugeben. Schliesslich folgt der geborene Intellektuelle immer nur seinem eigenen Wertesystem, und wenn dies zufaellig mal Mode werden sollte - Plagiat! Diese Schule empfiehlt sich Ihnen, wenn sie sich in Kuenstlerkreisen bewegen, und eine gewisse Aufmerksamkeit in der Oeffentlichkeit erreichen wollen. Um Ihre Erkenntnisse moeglichst weit zu verbreiten, benoetigen Sie nun einmal einen Draht zur Presse, und die schiesst meistens Farbfotos. Seien Sie also farbig!


Die Sicht der Welt


Zwischen zwei unterschiedlichen Theorien, die beim Auftreten von HSE's fuer den kundigen Beobachter deutlich werden, sollten Sie sich entscheiden. Es sind die Eckpfeiler, an denen Sie Ihr spezifisches Denkgebaeude festmachen koennen.

Die eine geht vom "vererbten" aus, das bedeutet verkuerzt: "Man hat es, oder man hat es nicht". Seien es Stil, Eigenschaften oder Intellekt - sie koennen nicht erworben werden, erst recht nicht vom gemeinen Poebel. Wie sehr sich die Umwelt auch bemuehen mag, Ihren ganz besonderen Blickwinkel zu erfassen, es ist ihr schon genetisch nicht gegeben, diesen zu erhaschen. Diese Geisteshaltung ermoeglicht es Ihnen beispielsweise, aus jeder beliebigen Diskussion absolut unbeschadet hervorzugehen. Diskussionen sind in diesem Fall ohnehin nur Audienzen, welche Sie der Umwelt gewaehren, um ihr die Moeglichkeit zur Uebernahme Ihrer eigenen Vorstellungen zu geben. Denn obgleich Sie natuerlich wissen, dass dies nicht moeglich ist, wollen Sie doch soviele Menschen wie moeglich auf den richtigen Weg bringen - Ihren.

Darueber hinaus schaetzen fortgeschrittene HSE's es ueber alle Massen, ab einer gewissen Akzeptanz ihrer Meinung beim gemeinen Volk, diese radikal umzuwerfen. Waren Sie immer gegen Militaereinsaetze, aber ist dies mittlerweile zu populaer geworden? Kippen Sie Ihre Meinung, und rufen Sie nach Bomben, Panzern und Soldaten! Woraus hervor geht, dass auch HSE's eine leichte humoristische Ader besitzen koennen.

In der anderen Schule des intellektuellen Auftretens, haben Sie sich alles hart und quaelend erarbeitet, und beziehen aus dieser Tatsache den Anspruch auf das Wissen um die Dinge. Wer, metaphorisch gesprochen, nicht jahrelang in den Uranminen des Intellekts geschuerft hat, darf nicht auf Ihr Entgegenkommen oder gar Verstaendniss rechnen. In dieser Schule, ist jedes Ihrer Diplome, jedes gelesene Buch, und jede besondere Bekanntschaft zu Beruehmtheiten oder Fachleuten ein Keil, den Sie zwischen sich und die unwissende Umwelt getrieben haben. Dabei ist es unerheblich ob diese Bekanntschaften wirklich auf irgendeinem Gebiet relevant sind. Sie machen diese Menschen relevant, vergessen Sie das nie!

Bei dieser Denkweise, legen Sie bei jeder Art von Kommunikation mit der Umwelt, Ihre durch eigene, und somit richtige, Handlungen geeichte Messlatte an. Wahrgenommen werden nur noch Spezialisten und Fachleute, derweil ein dennoch nicht in Ehrfurcht verstummender Rest einfach ignoriert wird. Somit sind Sie ein fester Bestandteil einer jeden Talkshow, und finden sich eventuell bald auch im Kulturteil grosser Zeitungen wieder. Bis zum eigenen Essay im SPIEGEL, dem Walhalla des HSE's, kann es dann nicht mehr weit sein. Um wirklich noch an Sie heranzukommen bedarf es dann entweder vielen Geldes, Status und Diplome, oder eines durchgeladenen Revolvers grossen Kalibers. Und selbst darauf koennen Sie sich natuerlich vorbereiten.


Der HSE und die Umwelt


Auch fuer Sie laesst es sich nicht umgehen, mit der Umwelt in Kontakt zu treten. Wenn dies aber nun einmal so sein muss, so sollten Sie es doch wenigstens auf Ihre Art tun. Der auf jeden Preis zu vermeidende Zustand, ist bei allen Dingen das "Etwas Einfach So Tun"-Syndrom (EESTS). Gehen Sie nicht einfach ins Theater, um sich unterhalten zu lassen. Das kann jeder Vollidiot, und ist somit unter Ihrer Wuerde. Ein HSE hat einen Wertungsfilter, den alles und jeder passieren muss. Es ist nun Ihre Pflicht, dieses Theaterstueck auf dieser Grundlage zu bewerten, und dies unverzueglich, ggf. waehrend der Auffuehrung, Ihrer Begleitung mitzuteilen. Und wenn Sie alleine sind, scheuen Sie sich nicht Ihre Sitznachbarn, oder gleich das ganze Theater, laut und deutlich auf Ihre Sicht der Dinge hinzuweisen. Ueberhaupt sollten Sie Theaterstuecke nicht einfach so ueber sich ergehen lassen, sondern gegebenenfalls auch lautstark in die Inszenierung eingreifen. Die meisten Regisseure heutzutage sind Brueder im Geiste, und warten nur darauf dass wahre Kunstkenner die Gelegenheit nutzen.

Als intellektuellem Zeitgenossen wird es kaum ausbleiben, dass Sie von Gleichgesinnten auf eine Vernissage eingeladen werden. Zu dem fuerchterlichsten "Faux Pas" im Leben eines HSE, gehoert es vor einem modernen Gemaelde zu stehen, und sich in etwa folgendermassen zu aeussern: "Das ist aber mal wirklich ein schoenes Bild!"

Bedenken Sie immer, dass die Kleckserei da vor Ihnen, das mit weitem Abstand unwichtigste an dieser Vernissage ist. Notwendig ist auch hier wieder, dass sie einen Bezug zu Ihrem, einzig relevanten, Wertesystem herstellen. Wenn es nun wirklich so ist, dass Ihnen dieses Bild gefaellt, dann rasten Sie gefaelligst aus! Preisen Sie den Maler in hoechsten Toenen, und stellen Sie ihn auf eine Stufe mit Raffael. Adoptieren Sie Ihn! Je schlechter oder minimalistischer das Bild da vor Ihnen ist, desto entzueckter seien Sie. Jeder Intellektuelle benoetigt ein kleines Sortiment von schlechten, absolut unbekannten Kuenstlern, Schriftstellern oder Musikern. Diese gilt es immer dann ins Feld zu fuehren, sobald in Diskussionen die Namen von "Massenkuenstlern" fallen, die Sie nicht leiden koennen. Und da Sie intellektuell sind, duerften dies alle sein.

Wenn Sie solchermassen handeln, wird man sich Ihrer Meinung erinnern, wenn die Masse nach einer allgemeingueltigen Meinung zu diesem Maler ruft. Eine ganz besondere Kunst ist es weiterhin, ein Gemaelde, oder besser das Gesamtwerk des Malers, voellig zu vernichten. Der Schluessel hierzu ist nicht das hemmungslose Ausrasten vor der noch feuchten Farbklechserei, sondern die leise, enttaeuschte Strategie. Murmeln Sie Saetze wie "Es ist schon traurig zu sehen, wie ausgebrannt der Mann schon ist." Oder: "Nett. Belanglos, sicher. Aber nett. Wo ist die Caféteria?"


Und wenn sich die Umwelt aendert?


Wir leben in einer sich schnell wandelnden Welt, und es bedarf nur weniger Jahre, um bereits massive Aenderungen in Leben und Geschmack der grossen Masse zu erkennen. Als Intellektuellem ist es Ihre Pflicht, auch und gerade die neuen Zeichen der Zeit ihrer Werteskala unterzuordnen. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, bei Neuerungen in Ihrer Umwelt entweder von "Vermassung der Gesellschaft", "Verlust der Grundwerte" oder schlicht "Verdummung" zu sprechen. Lassen Sie jeden wissen, dass Sie der Menschheit nur noch wenige, unverdiente Jahre geben.

Eine Reputation in politischen Kreisen koennen Sie sich schnell erwerben, wenn Sie oft und gerne "Bedenken" ueber Neuerungen aeussern, und "Gefahren" aller Art aufzeigen. Malen Sie ruhig das Schlimmste an die Wand! Sollte Ihnen eine neue Sache schlichtweg nicht passen, aber Ihnen gehen gerade die Gegen- argumente aus, ziehen sie sich auf Ihre Domaene zurueck - die Kultur. Bedenken Sie: Was Kultur ist, und was vor Ihr bestehen kann, bestimmen einzig und alleine Sie. Machen Sie die missliebige Sache zum Grund allen Uebels, wenn und nichts mehr anders funktioniert, machen Sie es fuer die Gewalt in der Welt verantwortlich! Ihr bereits erlerntes Auftreten, sowie zahlreiche Expertenmeinungen (Ihrer Freunde), sowie Seiten voller Statistiken werden schon zu ueberzeugen wissen!

Wenn Sie erst einmal die Grundvorraussetzungen erlangt haben, werden Sie ein weites Feld voller Moeglichkeiten vorfinden. Sie koennen alle Bereiche des Lebens mit dieser Grundhaltung ganz auf sich zuschneidern, und werden spueren wie Selbstbewusstsein und Einfluss von Stunde zu Stunde zunehmen. Bedenken Sie immer, dass die weitaus meisten Menschen sehr gerne bereit sind, Ihre Meinung mit Kusshand zu uebernehmen - vorrausgesetzt Sie wird ihnen richtig praesentiert.

Sei es im Musikgeschmack, in dem was Sie essen, oder in der Wahl Ihrer Partner: Sie sind nicht so wie die anderen, nein, Sie sind etwas noch nie dagewesenes. Sie sind ein Individuum, welches dieser Welt und den armen Schweinen die darauf leben, ein ganzes Sortiment von Stempeln aufdrueckt. Sie werden ueberall fruchtbaren Boden finden, ob in den Medien, den Computernetzen (Werfen Sie mal einen Blick in das FIDO-Netz, es lohnt sich) oder der Arbeitswelt.

Bedenken Sie immer: Unterschiedliche Menschen moegen unterschiedliche Massstaebe ansetzen. Aber Sie sind der Massstab, und zwar der einzig gueltige. Lassen Sie es die Welt ruhig wissen.

SAMMY

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