Der ZYN!-Megablock

von SNORR

"Die Geschichte der Menstruation der Frau ist eine Geschichte voller Mißverständnisse." Mit diesen gewichtigen Worten schaltet die junge Frau im intellektuell-strengem Kostüm den Diaprojektor aus, und läßt die automatischen Fensterläden schließen. Während sie selbstbewußt an einem ausladenden Bücherregal vorbei defiliert, bemerkt sie ihre kleinen Fehler, und schaltet das Licht an.

Doch es ist zu spät: Mit einem hohen Pfeiffen rast die niederschmetternde Katastrophe auf sie zu. Sie kann noch ihre letzten Worte "Deshalb bin ich für OP." herausquetschen, als krachend dieser qualmende 50-Tonnen-Betonblock durch die Decke bricht, und sie durch die nächsten zwölf Stockwerke mitnimmt. Im Rahmen dieser ZYN!-Werbeaktion sterben außerdem noch fünf fette überflüssige PC-User auf einer Copy-Party, eine alleinstehende Mutter mit drei kleinen Kindern, ein mehrfach vergewaltigter deutscher Schäferhund, sein national gesinnter Besitzer, und sieben angehende WirtschaftswissenschaftlerInnen, die für eine Mathematikklausur gebüffelt haben, einen völlig sinnlosen Tod.

Während aus den zerspringenden Fenstern des untersten Stockwerks des getroffenen Appartmenthauses noch Putz, Gedärme und Knochensplitter spritzen, fährt ein kurz geschorener ZYN!-Redakteur in schwarzem Leder auf seinem Motorrad vor. Mit einem Dreher bringt er die Maschine zum Stehen, steigt ab, und macht das Viktory Zeichen: "Diese Zeiten sind nun endlich vorbei..."

Er zeigt auf einen benachbarten Kinderspielplatz, wo einige Kritiker des ZYN!-Magazins ("Ich fands weder gut noch witzig...") mit Paketschnur durch ein angerostetes Klettergerüst geflochten worden sind. Ihre Posituren haben ein bißchen was von Picassos "Guernica". Im Sandkasten stehen zwei schwarz gekleidete Gestalten, und stopfen ihre altmodischen Vorderlader.

Anscheinend sind sie automatische Waffen gewöhnt, sie brauchen zu lange. Verantwortungsbewußte und mündige Bürger haben das barbarische Tun der Autoren bemerkt, und beginnen die vor Dankbarkeit winselnden Kritiker zu befreien. Das entgeht dem Adlerauge des ZYN!-Redakteurs auf dem Motorrad nicht. Er zückt sein Handy, und tippt eine Server-Nummer, gefolgt von endlosen Zahlenkolonnen. Dann hält er den Hörer an das Ohr mit dem Ohrring, und nickt zufrieden lächelnd.

Ein schrilles Pfeiffen kündigt einen weiteren Betonblock an, der diesmal, aufgrund des eher provisorischen Einsatzes, nicht ganz genau trifft. Der Muschelkalk des Spielsandes wird nur mit dem aufbrandenden roten Schlamm der Helfer durchmischt. Allerdings gibt der Aufprall dem Klettergerüst eine neue Form, die den Kritikern nicht unbedingt gut bekommt. Ihre Augen ploppen wie kleine Plastikbällchen aus Kinderpistolen heraus, und baumeln an den Nervensträngen in einer ordentlichen Reihe.

"Kult! Ein Managerspiel!", ruft der kleinere der beiden Autoren, schmeißt den Vorderlader weg, rennt zu den abtropfenden Überresten, und beginnt die Augen rhythmisch aneinander klacken zu lassen. Einigen überlebenden Kritikergehirnen wird durch diesen letzten Input dermaßen übel, daß sie sich durch die längs gespaltene Speiseröhre in kleinen Schüben in die eigenen Innereien erbrechen.

Der andere Autor, der mit den ausfallenden Haaren, drückt geistesabwesend seine Flinte in eine bereits ausgestreckte Kinderhand, und brüllt den Redakteur an: "Toll Frank! Das waren unsere! Such dir deine eigenen!"

"Hatten wir nicht gesagt: Keine Namen? Jörg?" Ein donnernder Knall unterbricht den Disput. Der neunjährige Verlierer eines Cowboy-und-Terminator Spiels ist von Schrotkugeln in den Betonblock gemeißelt worden. Es sieht aus wie "Doom" auf einem Tatari-Jaguar.

Pixelig, aber alle wissen, was gemeint ist.

Die Gäste im ZAP-1 Studio von Klona Christen staunen nicht schlecht, daß sie statt "Klatschen" oder "Trampeln" diesmal "Hände hoch!" lesen. Während sie noch unsicher grienend tun, wie ihnen geheißen, stürmt dieser schwarz uniformierte ZYN!-Sturmtrupp herein. Als sie ihre Maschinenpistolen auf das Publikum ausrichten, guckt es hilfesuchend zu den Schildern.

"Das war's!" steht dort nur.

Mit knatternden Garben aus den neuartigen rückstoßfreien Fuzzy-Maschinenpistolen malen sie fette rote spritzige Linien durch das Publikum. Wo die Kugeln auf unbefriedigte Hausfrauen klatschen, spritzen klebrige Stücke Make-Up bis an die Decke. Metallisch hämmernd werden braungebrannte Bodybuilder-Muskeln tranchiert, abgetrennte Arme, Hände und Köpfe poltern in Blutströmen die Zwischentreppchen herunter. Bunte Lämpchen der Studiodekoration glimmen düster unter den dampfenden Laachen.

"Nicht zu glauben, wie schnell man aus zivilisierten Menschen einen Haufen Scheiße machen kann!", mit diesen Worten wirft einer mit seinen scharz behandschuhten Händen ein leeres Magazin aus. Das Metallstück macht auf dem Boden klingelnde Geräusche, die mit ihm durch die plötzliche Stille hüpfen. Irgendwo pumpen blubbernd ein paar offene Herzen, angetrieben durch ihre völlig überladenen Schrittmacher.

Klona Christen steht immernoch an der Stelle, wo sie vorhin ihr ehemaliges Publikum begrüßen wollte. Kalter Schweiß rinnt ihr durch die Klariel-Reine Unterwäsche, das Mikrophon umklammert sie mit starren Händen, aus denen die Knöchel hervorbrechen drohen. Durch ihre Gummibärchenbrille starrt sie mit offenem Mund auf die Schlachtbänke.

Mit den herrlichen Worten "Blöcke statt Perlen!" schubst sie der kurzgeschorene ZYN!-Redakteur an die richtige Stelle, wo prompt der 50-Tonnen-Betonblock runter donnert, und sie zermalmt.

An einem zähen Hanfseil mit bunten Luftballons, das der Megablock mit nach unten gerissen hat, segelt ein verheddertes blondes Jungmoderatorenpärchen einer Kindersendung auf den harten Studioboden, wo es gebrochen stöhnend liegen bleibt. Sinnigerweise ist das Seil für irgendein infantiles Spielchen mit allem möglichen Equipment verknotet gewesen, so daß die letzten Zehntelsekunden der beiden, mit weit offenen Mündern und stummen Schrei, von der nachfallenden zentnerschweren Kamera, und ihrem festhängenden brüllenden Bediener im Karohemd, live zu unseren lieben Kleinen in die zweite Reihe übertragen werden. Die Krönung ist allerdings die Halogen-Heizleuchte, die zum Schluß noch in den aufschäumenden Matsch plumpst, und alles zischend zu rotem Nebel verdampft. Es riecht nach armen Würstchen.

Ein inoffizieller ZYN!-Mitarbeiter (IM Odin) tritt durch die Schwaden nach vorne, seine langen schwarzen Haare sind nach hinten zu einem germanischen Kriegerknoten gestylt, die Narben in seinem Gesicht zeugen von unzähligen Frauenfingernägeln, und von Akne. Mit einer tiefen Stimme, die seinem durchtrainierten Körper entspricht, spricht er abfällig lächelnd ins Mikrophon: "Leider muß ich diejenigen von ihnen enttäuschen, die sich auf die Talkshow zum Thema 'Oberlippenbart gefärbt - Du hättest mich fragen sollen' gefreut haben. Tut uns leid."

Die eiligst sauber gewischte Monitorwand zeigt inzwischen einen aufwendigen Raketenstart. Majestätisch erhebt sich im Sudan eine "Fire & Forget V" auf ihren grünlich leuchtenden Abgasen.

"Aber sicherlich werden sich die meisten von ihnen gefragt haben, warum wir im Augenblick so eine miese Konjunktur haben? Sicherlich ist es nicht normal, daß jetzt unsere glatzköpfigen Sorgenkinder Asylanten nicht nur verbrennen, sondern dann auch auf gigantischen Sonnenwend-Barbecues verspeisen."

Im tiefschwarzem Weltall hoch über unserem grauen Planeten wird ein gigantischer Tank unter glühenden Feuersäulen abgestoßen. Die Trägerrakete dockt präzise an einer kilometerlangen schwarzstählernen Raumstation im gotischen Stil an, während der Tank im harten Lichtschein langsam in Richtung Sonne abdriftet. Ein Schnitt in das Innere des Tankes zeigt Hunderte von jetzt schon braun gebrannten Schnauzbartträgern, die mit fragenden Augen schwerelos durch den Zylinder driften, und dabei hilflos mit den Armen wedeln.

"Das ist nicht eine von Snorrs blöden SciFi-Serien auf KP1, das ist ZDI! Sicher, die ZYN! Defense Initiative hat bereits ein paar Staatshaushalte in den Bankrott getrieben, und dadurch in einigen Regionen zu Bürgerkriegen geführt, neben deren Greueln sich der Ostfeldzug wie eine Kaffeefahrt ausnimmt."

Die Raumstation paßt auf keinen Fernsehschirm, auf einigen Türmchen steht deutlich "Box Beton", ein Trüppchen Astronauten in Raumanzügen schweißt noch an einem Modul. Einer von ihnen erkennt, daß er gefilmt wird, und winkt freudig lächelnd in die Kamera. Dabei hält er unbedacht seinen Schweißbrenner in das Hinterteil eines Kollegen, und brennt ihm dort ein Loch in den Anzug. Eine rotbraune Tröpfchenwolke durch sein Behelfs-Arsch-Triebwerk versprühend umkreist der sehr unglückliche Astronaut die Raumstation wie ein verpfurzender Luftballon eine Stehlampe. Schließlich nimmt er zischend einen geraden Kurs in die Unendlichkeit, und verschwindet. Für immer.

"Und wer will schon 3 Milliarden unarische Nieten in der allerletzten Welt durchfüttern, wenn er stattdessen 102 orbitale Betonfabriken haben kann? Wir jedenfalls nicht! Kommen wir zum Geschäft: Ein Anruf bei unserem Server, gefolgt von den Koordinaten des Abwurfes, und ein 50 Tonnen Betonblock, der ZYN!-Megablock, wird innerhalb der nächsten Gebühreneinheit dort aufschlagen. Darauf geben wir die ZYN!-Garantie! Unsere Telephone sind jetzt wieder frei..."

Das Papamobil fährt durch die jubelnden katholischen Menschenmassen irgendeiner schwarzafrikanischen Militärdiktatur. Durch die vielen kleinen Kinder, die dauernd an das Panzerglas gehalten werden, ist der Papst schon in argen feuchtnassen Nöten. Aber die Schweizer Garde paßt genau auf, daß er sich nicht wieder eines der Bälger schnappen kann, und wie damals in Venezuela unter seinem weißen Rock verschwinden läßt.

Alles läuft klar, bis plötzlich dieser irre moslemische Selbstmordattentäter von der Ibn Izmir auftaucht. Mit den Worten "Allah aaaah..." wild sein Handy schwingend klammert er sich an dem Papamobil fest, und wählt geifernd die Servernummer. Die Hellebarden der Garde leisten an seinem Körper die gleiche gute Arbeit wie an seinen Glaubensbrüdern beim letzten Kreuzzug, als die sexy Frauenstimme durch das Handy tönt: "Ihr Anruf wurde registriert. Sie können jetzt auflegen."

Der Betonblock pfeifft zischend durch die staubtrockenen Lüfte, und klatscht sie alle weg. Die vier Räder des zerfetzten Papamobils hüpfen nach allen Seiten davon, die übrigen Splitter perforieren die umstehenden Katholen, und bringen sie so dem Schöpfer ganz nahe.

Ein Nörgler wird am Telephon von der ZYN!-Redaktion gerade abgefertigt: "Ob der Megablock-Server auch zielgenau arbeitet? Hören sie mal, das Ding ist die letzte Schöpfung von Pray Overlord Research Technologies. Der könnte genausogut eine globale Wetter- oder Erdbebenvorhersage für die nächsten drei Monate berechnen! Oder Boris Jelzin im Kreml die Eier wegschießen, während er noch besoffen auf dem Rednerpult torkelt! Aber Naturkatastrophen brauchen sie nicht mehr, jetzt haben sie ja uns!"

Der ZYN!-Redakteur vom Anfang knallt den Hörer auf die Gabel, und starrt entnervt auf die Monitorwand, die gerade einen Engpaß über dem Ruhrgebiet anzeigt. Bei irgendeinem Bundesligaspiel haben die Hooligans die Beherrschung verloren, und sich gegenseitig samt Stadion unter einem Betonklotzhagel vom vielfachen Gewicht der Cheopspyramide begraben. Einige waren noch dazu zu blöd gewesen, und hatten offensichtlich einige Ziffern beim Wählen vertauscht. Anders wäre diese Streuung nicht zu erklären, die Dortmund wieder auf den Stand von 1945 gebracht hat.

"Der Server hat den Anschluß dieser Person über Kult-4-Net zurück verfolgt. Muß sie weg?"

"Watt mutt, datt mutt..."

Während in der orbitalen Betonstation 67 einer von tausenden Betonklötzen vollautomatisch auf seinen Weg durch die Atmosphäre gebracht wird, fährt ein Müllwagen frühmorgens um halb Zehn irgendwo durch Deutschland. Sogenannte Hecken-Handy-Men sehen von ihren Verstecken aus zu, wie Schräuble und Christopher Reeve auf ihren Rollstühlen von kräftigen muskelbepackten Müllmännern nebeneinander an der Aufladevorrichtung fest gemacht, und parallel in das malmende Wageninnere gekippt werden. Der Müllwagen rollt gemächlich zu den nächsten Rollstuhlinsassen. Seitdem die Pflegeversicherung durch ZDI unbezahlbar ist, ist es üblich geworden, Pflegefälle auf diese Weise entsorgen.

Auf dem Mond schuften sich derweil 6 Millionen blonder vollbusiger Sklavinnen in knappen Tanga-Raumanzügen in den Zementgruben zu Tode.

(SNORR)

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