Kinder, Bälger, Straftäter

von SNORR

Immer wieder erreichen den SSS alarmierende Meldungen über die schädlichen Nebenwirkungen schlechter Texte auf noch ungeformte Persönlichkeiten. Als verantwortungsbewußte Organisation haben wir daher die Sendung "Kinder, Bälger, Straftäter" aus KP1, dem Programm unseres Vertrauens, mitgeschnitten:

Der Vorspann läuft ab, die Restzeit auch, die Mitverantwortlichen dieses neuerlichen gnadenvollen Tiefschlages gegen wahre Infos werden rücksichtslos bei ihren vollen Realnamen genannt. Im Studio harrt das internierte Publikum, enagierte PädagogInnen, der Dinge die darr kommen werden, zwischen ihnen einige zwielichtige Gestalten, eine hat ihr Sixpack dabei, ein anderer liest vor sich hin kichernd in einem schwarzen Aktenordner. Beschwingt, mit einem Lächeln, das diesem ernsten Anlaß angemessen erscheint, betritt der Moderator wieder einmal die Stahlträger, die die Welt bedeuten.

MODERATOR: Ich begrüße sie heute zu einem überaus wichtigem Thema! Zupft an seiner Krawatte Immer mehr Jugendliche scheinen heute durch den übermässigen Konsum fragwürdiger Schriftwerke den Kontakt zur Realität Blickt grinsend in sein Publikum zu verlieren. Um diese traurige Sachlage SMILE etwas aufzudunk..., äh..., aufzuhellen, machen wir diese kompetente und wichtige Sendung. Das Publikum applaudiert leicht verunsichert Dazu haben wir als kleine Einleitung einen Film gemacht...

Im Studio wird es dunkel, "Pfoten weg"-Rufe werden laut, auf der großen Monitorwand regt sich was. Ein Kleinkind steht heulend mit einer Spielzeugpistole vor einem kitschigen Weihnachtsbaum.
REPORTER: Na mein Kleiner, was hast du denn? tätschelt es auf den Blondkopf

Mit schnupfender Nase und Tränen über den kleinen, roten Bäckchen richtet der Kleine die Spielzeugpistole, ein martialisch aufgemachtes Instrument, auf seine Eltern und drückt ab. Das Ding knattert los, als wollte es die Luft im Raum zum Zerbröseln bringen, dazu Funkenflug und Lichteffekte, die den Schatten des Weihnachtsbaum wie ein im Todeskampf zuckendes Tier an die Wand projezieren. Irgendwann endet der höllische Sound, und Ruhe kehrt ein, bis auf das frustrierte Kreischen des Kleinkindes, das bemerkt hat, daß seine Eltern auch diesen weiteren Anschlag ohne sichtbare Veränderungen überlebt haben. Der Reporter versucht einige aufklärende Worte ins Micro zu sprechen, was ihm aber wegen der Geräuschkulisse des Tobsuchtsanfalls nicht gelingt. Er hält ihm lächelnd einen Beruhigungskaugummi hin, was das kleine Monster mit einem Schlag mit dem Griff der Pistole beantwortet. Vor Überraschung und Schmerz aufschreiend zieht der Reporter die Hand zurück, man bemerkt, wie sich die Mine des Kleinen allmählich aufhellt, versuchsweise setzt er den nächsten Hieb im Unterleib des Reporters an, worauf dieser keuchend zusammenknickt, das Microphon rollte langsam unter den Tannenbaum. Mit wahrhaft kindlicher Begeisterung knüppelt es den Reporter, der vom Kamerateam mühsam aus der Wohnung gezogen wird, zusammen, ein fröhliches, unschuldiges Grinsen auf dem Gesichtchen.

MODERATOR: Wir alle fragen uns nach dieser bedrückenden Szene: Wie kommt es soweit, daß ein geistig völlig gesundes junges Menschenkind keine Spielzeugpistole erkennen kann? Wir haben dazu einen der bedeutendsten Wissenschaftler unserer Zeit, Dr. H. Fröhlich, eingeladen...
FROEHLICH: Bewegt sich gemessenen Schrittes in seinem weißen Forscherkittel und grauen, schütteren Haaren auf die Sitzrunde zu, und setzt sich, seiner geistigen Kraft und Überlegenheit als verantwortungsbewußter Wissenschaftler gemäß. Um dieses Problem zu lösen, widme ich mich verstärkt der Drillings-Forschung, eine schwierige Disziplin, die sich aus der Zwillings-Forschung vergangener Zeitalter entwickelt hat. Sein unverbindliches Lächeln erinnert an einen Totenkopf. Im Hintergrund werden drei Drillinge im Teenageralter in das Studio geführt, und festgeschnallt.

MODERATOR: Sie haben ein kleines Experiment für uns vorbereitet?
FROEHLICH: Ja, in der (Un)Tat. Sehen sie, ich verwende ganz besondere Stimuli hält drei Umschläge mit den Aufschriften "Beetlejuice", "Magic Ceee" und "Snorr" in die Kamera um drei minderjährige Personen unter völlig gleichartigen Bedingungen zu testen. Sehen sie selbst... Die Wächter mit den Armbinden "IG-Techno GenLab" überprüfen noch mit kleinen Stahlhämmerchen die Reflexe, und ziehen sich in den Hintergrund zurück. Dr. H. Fröhlich verteilt den Inhalt der Umschläge unter die Testpersonen. Starren Blickes lesen sie das jeweilige Schriftwerk, während das Publikum in gebannter Ruhe verharrt.

MODERATOR: Wir alle sind jetzt gespannt auf den Fortgang des Experimentes.
FROEHLICH: Winkt einen der Wächter heran, der ihm ein schwarzes Kästchen überreicht. In diesem Kasten befinden sich die Reizauslöser, ich lege sie jetzt zu den Testpersonen... Stellt die Kiste bei diesen ab, und verteilt nacheinander eine Dose Bier, etwas Reizwäsche und eine Walter PPK vor den Testpersonen. Der mit dem Umschlag "Beetlejuice" reagiert als erster, mit einer schnellen Handbewegung schnappt er sich die Dose, reißt sie genußvollen Blickes auf und beginnt sie ihres Inhaltes zu entledigen. Die Testperson mit "Magic Ceee" greift nach der Reizwäsche, riecht daran und stopft sie in seine Hose. Danach springt er auf einen Mob kreischender Frauen im Publikum und belästigt diese.

MODERATOR: Ähem... Die Pistole ist doch nicht echt, oder?
FROEHLICH: erregt NATUERLICH ist sie echt, was denken sie denn? Sehe ich aus wie ein Betrüger? stark erregt SIE haben doch gesehen, was man bei Kindern mit diesen Spielzeugpistolen anrichten kann! Bevor der Moderator was reden kann, hat die Testperson mit Umschlag "Snorr" den wie üblich zu lang geratenen Text endgültig ausgelesen, greift nach der Walter und hält sie sich an die Schläfe. Das Publikum, das gerade nicht von den umtriebigen Aktivitäten der zweiten Testperson abgelenkt ist, stöhnt entsetzt auf. Mit einem "Ätsch, reingelegt!" richtet er sie dann in das Publikum und drückt ab, Tumulte brechen aus. Inzwischen hat die erste Testperson ausgetrunken und hilft der zweiten beim Belästigen, der dritte liefert sich dabei ein wildes Feuergefecht mit den Wächtern. Dr. H. Fröhlich macht sich derweil eifrig Notizen, während der Moderator verzeifelt auf Regie einredet, ihn da raus zu holen, doch diese fährt erstmal einen weiteren Film ab.

Der Reporter steht in der Spitze des einen Turmes vom Dom, vor ihm eine Gestalt im bunten Hawai-Hemd und beginnender Glatze, die eifrig SunSurfboards verkauft.

REPORTER: Wie kamen sie auf diese Geschäftsidee?
GESTALT: überreicht gerade noch einem Jungen in knallengen Jeans und Turnschuhen ein Brett im PopArtStil Ich las einen Text, in dem war von diesen Dingern die Rede. läßt sich Geld aushändigen
REPORTER: Und was bitte sollen SunSurfBoards sein?
GESTALT: DAS wissen sie nicht? zeigt auf ein episches Gemälde vor seinem Verkaufsstand, auf dem die BoFü heroisch auf diesen Dingern in Richtung ihrer neuen Feindbilder durch die Lüfte segelt Ist das nicht Skating und Surfing vereint in seiner letzten Konsequenz?
REPORTER: Das ist doch nur die Fiktion einer Gruppe Größenwahnsinniger!
GESTALT: fuchtelt mit den Fingern voll schwerer Ringe Ich dachte, das wird ein ordentliches Interview! Sehen sie doch selbst! führt den Reporter in die Nähe der Drahtabsperrung, die jemand durchgeschnitten hat
REPORTER: Na und?!

GESTALT: Abwarten. Der Teenager von vorhin schiebt sein Brett durch das Loch in der Absperrung, klettert darauf und springt damit zusammen euphorisch schreiend "JAAAAAAaaaaaaaa!" in die Tiefe. In grazilen Spiralen stürzt er auf den Vorplatz, wo ein Grüppchen mit den Fingern nach oben zeigt. Ein paar Rettungswagen fahren gerade mit Blaulicht und heulenden Sirenen ab, einer trudelt gelangweilt ein. Bunte Splitter und rötliche Flecken sind über den ganzen Platz verteilt, der Teenager bohrt sich mit seinem Brett in die Steinplatten, ein paar Weißkittel sammeln ihn für die Organbank ein. Sehen sie, der ist weiter gekommen als die anderen, zwanzig Meter!

REPORTER: Ich übergebe wieder an das Studio. au weia Der Moderator sitzt im notdürftig geflickten Studio und grinst erleichtert.
MODERATOR: Tja, da sieht man mal wieder, wie gefährlich es ist, Realität und Fiktion nicht auseinander halten zu können. Die Regie sagt etwas, er guckt nach oben und nickt. Hier habe ich noch eine aktuelle Sondermeldung: Die BoxMacht hat den Ikar angegriffen, die ersten LaserHeizerDivisionen sind bis zu fünfzehn Kilometer in das Land eingedrungen. Doch nun zu einem ernsten Thema, warum wird so etwas überhaupt gelesen? Ich präsentiere ihnen ein bedauernswertes Opfer!

OPFER: schlurft mehr als daß er geht zum Stuhl, hat eine Plakette mit konzentrischen Kreisen und der Aufschrift "Unschuldiges Opfer" direkt über dem Herzen angesteckt und trägt schwarze Lederklamotten, kombiniert mit Strapsen, seine Frisur gleicht einem Schwarm Plankton Sei High!
MODERATOR: Sie lesen alles, was in der Mailbox so geboten wird?
OPFER: Yeah! Ich brauche das. Sehen sie, im Fernsehen kommt nur Schrott, Moral, Liebe und der ganze verklemmte Schwachsinn. Aber in der Box, die zeigen wo es lang geht.

MODERATOR: Aha, Sie denken also an Liebe. Wie stehen Sie zu Frauen?
OPFER: zu Boden werfende Handbewegung Um es mit Morchels Worten zu sagen: "Sie meinen wohl Sekretärinnen?" Sehen sie, ein Schuß ist ein Schuß, oder?
MODERATOR: leicht verwirrt Eine extravagante Sichtweise, die sie da haben. Haben sie Probleme im Umgang mit anderen Menschen?
OPFER: Nur wenn sie sich wehren. Eigentlich bin ich ja ein umgänglicher Typ, aber wenn ich was sehe, was mich stört, Schlipse zum Beispiel, jaaa, ich hasse Schlipse! verdreht etwas die Augen
MODERATOR: fummelt nervös an seiner Krawatte rum Was machen sie in ihrer Freizeit? Ich meine, wenn sie nicht gerade Ceee`s gesammelte Werke, oder BKA-Texte lesen?

OPFER: Ich töte Köter.
MODERATOR: lockert Krawatte Wie bitte?
OPFER: Ich knalle alte, fette, häßliche Köter ab. Ich steh auf Pudel. Ist das darr ein Schlips? sabbert etwas
MODERATOR: Äh, eine Krawatte. Wieso ausgerechnet Pudel, das heißt, ich meine... verwirrt
OPFER: schneidet dem Moderator das Wort im Munde ab Wieso nicht Pudel? Mögen sie etwa Pudel? Ihr Schlips gefällt mir nicht, legen sie ihn ab!
MODERATOR: Ich muß doch bitten, ja!

OPFER: erregt Ausziehen sage ich! Und damit sie es gleich wissen, den elenden Kläffer draußen an der Pforte, den habe ICH erledigt!! zieht Kadaver aus der Jacke und hält ihn dem zitternden Moderator an die Kehle, im Publikum fällt eine Dame in gnädige Ohnmacht Leider muß ich euch alle töten!!! In diesem Pudel ist eine Bombe versteckt, und... Der Moderator flieht in langen Sätzen auf das Publikum zu, bemerkt wieder diese gewisse Mißgunst für seine Sendungen, will umdrehen, als ihn eine Druckwelle zu Boden wirft. Von irgendwo kommt ein irres "hihi...", Trümmer wirbeln durch das Bild, bis dieses ausfällt, bis zur nächsten Sendung erscheint nur noch ein gut gemachtes Pausenbild.

SNORR

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