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09/96 - CD Magazin



Ian Livingstone

Lebendiges Urgestein

Den Namen Eidos haben die meisten wahrscheinlich noch nie gehört. Aber man sollte ihn sich merken, denn unter dem neuen Dach verbergen sich alte Bekannte wie US Gold (Centregold), Core Design und Domark. Unser Korrespondent Derek dela Fuente hatte Gelegenheit, sich mit Geschäftsführer Ian Livingstone über die Pläne der Firma zu unterhalten.

Bei Rollenspielern läutet vielleicht eine Riesenglocke: Ian Livingstone, ist das nicht ...? Ganz genau: Der Mann ist so etwas wie eine Legende. Seit seiner Jugend faszinieren ihn Spiele, und beinahe zwangsläufig führte seine Leidenschaft zu einem entsprechenden Beruf. Zusammen mit Steven Jackson gründete er im Jahre 1975 den Games Workshop, die Firma, die als erste die Dungeons&Dragons-Spiele aus den USA nach Europa importierte und außerdem mit eigenen Solo-Rollenspielbüchern bekannt wurde. Nebenbei fungierte Ian als Herausgeber des White Dwarf, eines hochrenommierten Rollenspielmagazins, und er organisierte den alljährlichen Games Day in London, die erste große (Brett-)Spiele-Convention in Europa.

Es scheint, als ob alles, was Ian anfaßt, zu Gold wird. Dabei war seltsamerweise gerade der problembeladene Anfang des Games Workshop ein Grundstein für den großen Erfolg. Die Firma produzierte von Anfang an neben den importierten auch eigene Spiele, aber niemand wollte sie vertreiben. Kurzerhand entschloß man sich, eine eigene Ladenkette auf die Beine zu stellen. Alle anstehenden Jobs erledigte Ian zu großen Teilen im Alleingang. Tagsüber führte er die Läden, schrieb und redigierte nebenbei für die Zeitschrift und feilte an neuen Games, während nach Ladenschluß die Versandbestellungen bearbeitet wurden. Das schier übermenschlich anmutende Arbeitspensum machte Ian in kurzer Zeit zum sehr einflußreichen Mann im Games-Geschäft.

1981 entwickelten die Partner Ian und Steve die Idee für ihre mittlerweile legendären Solo-Rollenspielbücher. Das erste hieß The Warlock of Firetop Mountain und erschien bei Penguin. Dabei waren die Verlagsverantwortlichen zunächst gar nicht so glücklich mit dem Konzept, weil sie nicht glaubten, daß irgend jemand etwas damit anfangen könnte. Aber nur wenige Wochen schienen sie damit recht zu behalten. Ian hatte den Erstling (wie auch seine späteren Beiträge für die Reihe) in erster Linie mit Blick auf das jüngere Publikum gestaltet, und bald eroberte der Titel den Markt über die Mund-zu-Mund-Propaganda auf Schulhöfen. Nach wenigen Monaten hatte Penguin bereits zum elften Mal neu aufgelegt und einen der größten Erfolge im Buchgeschäft gelandet. Nun bettelte man geradezu um mehr vom gleichen Stoff.

Schnell entwickelte sich die Serie, bis mit Fighting Fantasy sogar ein eigenes, einfaches Mehrspieler-Rollenspielsystem im Stil der Solo-Adventures entstand. Während die Erstauflage eines Buches schon mit 5000 verkauften Exemplaren einen relativen Erfolg bedeutet, ging der Titel Deathtrap Dungeon schon im ersten Jahr fast 400.000mal über die Ladentheke. Insgesamt wurden aus der Serie bisher weltweit 16 Millionen Exemplare in 21 Sprachen verkauft.

Ian spricht von sich selbst als totalem Game-Freak, der auch Geschäftsmann ist. 1992 verkauften Steve und er den Games Workshop, und Ian begab sich in den "zeitweiligen Ruhestand". Das wurde ihm schnell zu langweilig, und er kaufte sich bei Domark ein. Dann traf er die Leute von Eidos, man fusionierte die Firmen und wandelte sie in eine Aktiengesellschaft um. Nun hat man eine Menge vor, wie Ian erzählt.

PC Spiel: Ian, womit verbringst du heutzutage deine Zeit?

Ian Livingstone: Ich bin Geschäftsführer einer Aktiengesellschaft und schreibe außerdem Bücher, aber mein Herz gehört der Entwicklung von Spielen. Das soll auch das wichtigste Ziel der Firma sein, und wenn wir damit nicht gleich Marktführer sind, spielt das keine Rolle. Was in Zukunft von Eidos kommt, soll Substanz haben und Eckpunkte für die zukünftige Qualität von Computerspielen setzen. Wenn man sich an mich später als Spieleentwickler erinnert, dann ist mir das lieber als alles andere. Neben Deathtrap Dungeon wird es noch mehr meiner Bücher als Computerspiele geben, und auch ein paar meiner Computerspiel-Konzepte werden umgesetzt. Allerdings kann ich nicht programmieren, und deshalb konzentriere ich mich auf die Rolle des regieführenden Produzenten, der ein paar frische Ideen einbringen kann. Zum Beispiel arbeite ich gerade an einem Projekt namens Plague, ein Managementspiel vor mittelalterlichem Hintergrund. Viel mehr kann ich darüber allerdings im Augenblick nicht verraten.
Ich kontrolliere den gesamten Entwicklungs- und Marketingbereich und bin an allen Projekten beteiligt. Auch die Entwicklungsteams außer Haus werden mit mir zusammenarbeiten. Unter anderem bedeutet das, daß es im Hinblick auf die Genres eine Änderung gibt: Arkadespiele wird es bei uns nicht mehr geben.

Als Rollenspiel-Veteran möchten wir dich fragen: Welches Sub-Genre ist dir denn das liebste? Live-Rollenspiel, Brett- oder gemasterte Rollenspiele, Computerspiele ...?

Natürlich gibt es da Gemeinsamkeiten, obwohl nicht jeder gleich die komplexen War-Games mögen wird, aus denen die Sache ja entstanden ist. Für reines Rollenspiel brauchst du eigentlich überhaupt keine Hilfsmittel, und da haben wir ursprünglich angefangen: Alles ist Phantasie, es wird eine Geschichte erzählt, aber es gibt jemanden neben dem Erzähler, der den Verlauf beeinflußt. Dann kamen die Miniaturen auf, die das alles ein wenig realistischer machten. Du konntest tatsächlich sehen, wo dein Charakter, die Mitspieler und die Monster sich jeweils gerade befanden. Das war ein bißchen wie bei einer Modelleisenbahn. Und bei den Brettspielen ist dieser Aspekt auf die Spitze getrieben; Rollenspiel ist da nur ein Nebenaspekt. Und dann kam das Live-Rollenspiel, die Sache mit den Schaumstoffschwertern, ein echter Heuler - ich habe es ausprobiert (ist allerdings schon ein bißchen her ...). Trotzdem mag ich persönlich am liebsten Brettspiele und geführte Rollenspiele.
Ich finde, Computerspiele haben spezielle Vorteile vor allem, wenn es zum Beispiel um die Darstellung der Szenerie geht. Gleichzeitig wird aber Interaktion problematischer; ich finde es nach wie vor schwer, mich als Spieler stundenlang vor einen Computermonitor zu setzen. Aber auf der anderen Seite ist natürlich die Netzwerkmöglichkeit im Hinblick auf die Interaktion wieder eine ganz tolle Sache ...

Thema Sammelkartenspiele, die ja auch ein bißchen was mit Rollenspiel gemeinsam haben. Findest du es fair, daß man das Suchtpotential von Spielern derartig ausbeutet, wenn man die Karten für sehr hohe Preise anbietet?

Hm, da haben wir eine ganz seltsame Frage. Die Anbieter von Sammelkarten produzieren limitierte Auflagen bestimmter Karten, um sie als Sammelobjekte interessant zu machen, und wenn seltene Dinge gesammelt werden, gehen halt die Preise hoch. Ob ich es fair finde? In erster Linie sind es die Käufer/Sammler selbst, die das Preisniveau nach oben schrauben. Ich muß gestehen, daß ich selbst kein Magic-Fan bin, aber ich verstehe den Reiz der Sache. Es gibt Leute, die bei Sammelkarten nur am Geschäft interessiert sind, aber jeder muß für sich selbst entscheiden.

Wenn du den europäischen Markt einschätzt: Ist in Sachen Rollenspiel da noch Wachstum in Sicht oder glaubst du, daß es nach wie vor eher ein amerikanisches Phänomen ist?

Rollenspiele stammen aus den Vereinigten Staaten. D&D im Jahre 1975 und jede Menge anderer Titel wie Traveller, Call of Cthulhu und so weiter legten die Grundsteine. Auch in England gab es schnell eine hohe Verbreitung - nicht zuletzt wegen unseres Engagement. Und dann schwappte die Welle nach Frankreich. In Deutschland kam das ganze zunächst nicht so gut an, wohl wegen der Gewaltdarstellungen und eines Themas, das dort nicht so populär ist: Fantasy. Das aber ist die allerbeste Szenerie für Rollenspiele. Wie auch immer - in Deutschland hängt man mehr an traditionellen Spielen. Was ich dabei schätze: Nirgendwo anders in Europa als in Deutschland gibt es einen derart blühenden Markt für Brettspiele, vielleicht nicht einmal in den USA. Ich fahre jedes Jahr zu den Spielertagen in Essen und habe eine Sammlung von mehr als 500 Brettspielen. Die besten sind aus Deutschland, aber Fantasy-Spiele sind nicht dabei.

Was macht deiner Meinung nach ein gutes Computer-Rollenspiel aus?

Laß mich das am Beispiel von Deathtrap Dungeon erläutern. Das Spiel ist in keiner Weise linear, und es gibt eine hervorragende 3D-Engine für 360-Grad-Bewegung; du kannst deinen Charakter in jede beliebige Richtung bewegen. Bei vielen Games ist es schwer, einen bereits beschrittenen Weg zurückzugehen. Auch das ist bei Deathtrap möglich. Ich kann gar nicht oft genug betonen, daß mit Richard Halliwell (entwickelte Space Hulk und Warhammer für den Games Workshop) und Jamie Thompson (Redaktion White Dwarf) zwei der besten Spieledesigner am Projekt arbeiten, die man überhaupt finden kann. Wenn du nur einen Blick auf die Karten eines der Entwickler wirfst, wirst du sehen, daß es kein anderes Game gibt, das soviel Detail und Komplexität bietet. Das Fachwissen hinter der Entwicklung des Spiels sucht seinesgleichen.

Wie entstand der Plan für Deathtrap Dungeon? Ist es eine Umsetzung des Buchspiels?

Das Buch habe ich geschrieben, als ich noch am Games Workshop beteiligt war, aber es war kein eigenständiges Rollenspiel, sondern Teil des Fighting-Fantasy-Rollenspielsystems. Das Buch, das ich selbst geschrieben habe, wird augenblicklich für den Computer umgesetzt. Alle Monster werden dabei sein. Das Grundkonzept: Es gilt, aus einem Verlies zu entkommen, das ein teuflischer Irrer entworfen hat. Es wird eine Menge gemeiner Fallen und Rätsel geben, und ein paar schreckliche Monster tun alles, um dir den Garaus zu machen.
Mein wichtigster Beitrag ist die Führung der Programmierer als Gestalter. In technischer Hinsicht bin ich allerdings völlig unbedarft, könnte man sagen, denn ich verstehe nicht das kleinste bißchen von Programmierung. Es gibt so viele Spiele auf dem Markt, und natürlich gibt es verschiedene Aspekte, die ein Computerspiel zum guten Spiel machen. Viele Firmen berücksichtigen nur einige dieser Aspekte, aber ich will dafür sorgen, daß bei uns alles stimmt: Künstliche Intelligenz, großartige Grafik, exzellenter Sound, fesselndes Gameplay!

Immer mehr Rollenspiele kommen auf den Markt. Glaubst du, daß die Qualität unter dieser Fülle leidet?

Im Gegenteil. Wenn sich mehr Leute in einem Marktsegment tummeln, steigt die Qualität, denn wenn du keine Qualität bietest, wirst du nichts verdienen. Man muß sich nur bei den Computerspielen umsehen: Je mehr Leute Spiele entwickeln, desto mehr steigt das Bewußtsein, was ein wirklich gutes Spiel auszeichnet. Alles muß ständig verbessert werden, und du kannst nichts mehr dem Zufall überlassen.

Zum Schluß würden wir gerne noch ein bißchen mehr über die Zukunft von Eidos wissen.

Eidos hat bereits ein großartiges hauseigenes Entwicklungsteam. Wir haben ein paar Schlüsselfirmen unter einem neuen Dach vereinigt, sind an die Börse gegangen, und der Kapitalwert beträgt gut über 100 Millionen Pfund. Nun wollen wir hinausgehen und die besten Programmierer und Entwickler an uns binden, die aufzutreiben sind, um tatsächlich die beste Games-Company zu werden. Ich möchte in keiner Weise mit Mittelmäßigkeit in Verbindung gebracht werden; das Beste ist gerade gut genug!

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Ian Livingstone im Kreuzverhör

Leute, die dir Respekt einflößen?

Sid Meier, id Software, Peter Molyneux, Jeff Crammond. Wenn ein Spiel jede Menge Künstliche Intelligenz bietet, mag ich es. Ich bin kein Fan von Action-Games, man muß das Gefühl haben, da steckt wirklich planerische Intelligenz dahinter.

Lieblingsautoren?

Philip K. Dick, ein sehr guter Science-fiction-Autor, und Jack Keruac.

Bevorzugte Freizeitbeschäftigung?

Ich liebe Sport (Tennis, Golf, Softball, Segeln), reise gern (komme gerade aus Kuba wieder ...), fotografiere und sammle - besonders Dinge, die mit Baseball zu tun haben.

Das schönste Land, in das du gereist bist?

Es gibt verschiedene Gründe, ein Land zu mögen. Geht's nach dem Essen, dann ist's den einen Tag Italien, den anderen Frankreich. Mein Lieblingsland in Europa sind die Niederlande. Gerne bin ich in den Vereinigten Staaten. Und in Thailand schätze ich auch das Essen.

Welchen Film hast du zuletzt gesehen?

Ich gehe einmal im Monat ins Kino. Zuletzt habe ich Seven und Twelve Monkeys gesehen. Meine Lieblingsfilme sind One Flew Over the Cuckoo's Nest und Blade Runner.

Wen würdest du gerne einmal treffen oder getroffen haben?

Jack Keruac.

Dein Auto?

Ein Porsche.

Dein Lieblingsfußballclub?

Manchester City.

Der Held deiner Kindheit?

Roy von den Rovers.

Noch etwas, was du erreichen möchtest?

Ein richtiges Buch schreiben, einen Roman statt immer nur Fantasy-Bücher.

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Ian Livingstone über Deathtrap Dungeon

"Nun, da die Technologie so weit fortgeschritten ist, denke ich, daß ich endlich einige meiner Ideen in Form von Computerspielen umsetzen kann. Das erste Projekt ist Deathtrap Dungeon (Anm. d. Red.: geplanter Release ist September). Wir haben ein großes Team, das an dem Game arbeitet, ein paar äußerst versierte Leute, die ein erstaunliches 3D-Autorensystem gebastelt haben, das ein ganz besonderes Spiel hervorbringen wird. Es gibt dynamische Beleuchtungseffekte, mehr als 50 voll animierte Monster, 16 Levels, ein phantastisches Kampf-/Waffensystem, 3D-Ansicht aus der dritten Person. Deathtrap ist logisch und realistisch aufgebaut, mit toller Szenerie und ein paar technischen Leckerbissen, die man so noch nicht gesehen hat. Tatsächlich haben wir sogar einen ehemaligen Fernsehregisseur verpflichtet, um sicherzustellen, daß die verschiedenen Ansichten realistisch wirken und daß die Action "echt" 'rüberkommt. Die Künstliche Intelligenz ist dafür verantwortlich spezielle Übersichten und alle Arten, von Ansichten automatisch anzubieten, so wie es die Situation erfordert. Zum Beispiel geht man einen Gang hinunter, und die Kamera zeigt den Spielercharakter. Aber wenn der angegriffen wird, gibt es sofort eine passende Ansicht, die den nächststehenden Gegner zeigt oder eine Übersicht über die gesamte Szene, damit man auch einen passenden Fluchtweg ansteuern kann. Anders als bei den zahllosen Ballerspielen gibt es keine First-Person-Ansicht, sondern eine aus der dritten Person, damit verschiedene Dinge besser zur Geltung kommen. Daß man den eigenen Spielercharakter aus einer Vielzahl verschiedener Perspektiven betrachten kann, auch im Kampf, ist eine vom Erlebnis und vom Spiel her äußerst lohnende Option. Full-Motion-Video-Sequenzen wird es dagegen nicht geben. Wir haben zwar die technologischen Voraussetzungen, aber Full-Motion-Video trägt halt nichts zum besseren Gameplay bei, und ich hasse Gimmicks!"

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Ian Livingstone über Computer-Rollenspiele im allgemeinen

"Rollenspiele auf dem Computer haben sicherlich noch ein gehöriges Potential. Viele Titel im Genre haben bisher viel zu viele Rätsel. Ich will keines abschätzig beurteilen, aber die meisten Rätsel, die ich gesehen habe, waren in keiner Weise logisch. Ich störe mich zum Beispiel nicht daran, für eine bestimmte Tür einen Schlüssel finden zu müssen, aber es regt mich auf, wenn ich nicht weiterkomme, weil ich mir nicht zusammenreimen kannn, daß die Entwickler wollen, daß mein Spielercharakter auf dem Kopf stehen, mit dem Schwert irgendwo herumbohren und dabei den Dixie pfeifen soll. So etwas hat ja nichts mit Spiel im eigentlichen Sinne zu tun!"

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Letzte Änderung am 08 Aug 1996.
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