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In'side MULTIMEDIA 04/96 - Im Blickpunkt


Kreativpreis

Vom Preisträger zum Profi

Traumjobs sind nicht nur rar, sondern auch für jeden verschieden. Doch für viele Computerbesitzer heißt das Ziel: Das Hobby zum Beruf machen, um von der eigenen Kreativität zu leben. Hermann Wöhler hat diesen Traum wahr gemacht.

Wer Profiarbeit leisten will, muß irgendwann in den sauren Apfel beißen und sich Profimaschinen anschaffen

Wer den Schritt vom Semiprofi zum Profi wagen will, muß seine Arbeiten irgendwann einem Publikum präsentieren. Hermann Wöhler, einer der Preisträger des In’side-MULTIMEDIA-Kreativpreises, tat dies im letzten Frühjahr, vor fast genau einem Jahr. Und prompt erhielt er für seine Einsendung, die Animation "N1", den zweiten Preis in der Kategorie Videos/Animationen. Der Wettbewerb hat sich gelohnt. Heute, ein Jahr später, ist Hermann Wöhler Chef der kleinen Firma Wöhler & Partner GmbH in Weinheim, die gerade ihre erste Animation für einen Fernsehwerbespot fertigstellen konnte. Die Animation "N1", die in der Aprilausgabe der IMM 1995 vorgestellt wurde, half ihm auf seinen Weg vom Semiprofi zum professionellen Anbieter von Animationen. Planung und Sicherung des Einkommens müssen aber sein, und so fährt das junge Unternehmen noch zweigleisig. Zweites Standbein der Firma ist die Multimedia-Programmierung. Hier will Hermann Wöhler auf die herkömmlichen Authoring-Tools verzichten und seine Arbeiten lieber selbst mit Visual Basic oder Visual C programmieren.

Gebündelte Talente

Nach wie vor entstehen die Animationen als Zwiegespräch zwischen dem Rechner und mir

In seiner Arbeit kann er auf verschiedene Erfahrungsebenen und Talente zurückgreifen: zum einen auf sein prägendes Architekturstudium und seine autodidaktischen Computer- und 3D-CAD-Kenntnisse und zum anderen auf sein früh entwickeltes Zeichentalent.

Der Weg, der ihn dazu brachte, Animationen am Computer zu erstellen, ist noch typisch für diese Branche. Kommt man doch nur selten dazu, seine Ausbildung von vornherein auf ein späteres Studio für Animationen hin anzulegen. Seine Karriere begann mit einem klassischen Architekturstudium in Karlsruhe, zu einer Zeit, als der Einsatz von Computern in diesem Bereich noch fast als anrüchig galt. In dieser Situation eignete er sich Computerkenntnisse im Selbststudium an. Doch die Nachfrage nach Computerexperten führte bald dazu, daß er als Computerdozent ohne Diplom unterrichten konnte.

Seine nächste berufliche Station führte zur Gründung eines Konstruktionsbüros. Hier sammelte er erste Firmenerfahrung als 3D-CAD-Konstrukteur. Um sich selbständig zu machen und Animationen im Auftrag auszuführen, sind wirtschaftliche Kenntnisse genauso wichtig wie künstlerisches Talent. Die

Hermann Wöhler: Ein Storyboard gibt es bei mir nicht
Kunst pflegte er zunächst vorsichtig in der Schule mit der Dekoration seiner Schulhefte an den Seitenrändern – Tadel inbegriffen. Weiter entwickelt wurde es dann im Architekturstudium. Richtig zur Geltung kam das künstlerische Talent dagegen jetzt beim Entwurf und bei der Umsetzung der Animationen. Augenzwinkernd nennt Hermann Wöhler seine jetzige Tätigkeit übrigens "Animateur".



Die Animation "N1" landete im April 1995 auf dem 2. Platz beim Kreativpreis der IMM. Auch hier war der "Nikolaus" schon zu sehen

Kreative Auftragsarbeit

Seine erste Auftraggeberin, die Akademische Arbeitsgemeinschaft, gibt Loseblattsammlungen mit Steuertips für Privatleute heraus.

Die erste Werbeanimation für diese Steuertips erscheint nun im Fernsehen. Im Mittelpunkt der Animation steht neben den leuchtend gelben, mit Steuertips gefüllten Ordnerhüllen, die als raumbildende Elemente eingesetzt werden, eine am Schreibtisch sitzende Gliederpuppe. Ihr interner Hausname ist Nikolaus. Sie spielt für den Betrachter die Rolle der Identifikationsfigur im Werbespot. Auch im Spot bleibt sie als Gliederpuppe erkennbar, lediglich eine angedeutete Nase soll die Kopfbewegung unterstützen. Sie wird also nicht zur Illusion eines Menschen umgeformt – und das hat seinen Grund. Hermann Wöhler: "Wir wählten den Nikolaus, denn eine vollständige Figur ist sehr aufwendig zu realisieren. Spielberg (Industrial Light & Magic) kann im Film Jurassic Park solche Figuren erschaffen, denn der will täuschen. Das wollen wir nicht."

Hergestellt wurden die Drahtmodelle der Animationen auf CAD-Systemen, Oberflächen und Lichteffekte wurden dann mit 3D-Studio 4.0 hinzugefügt. Und weil es nun mal schneller geht, arbeitet Hermann Wöhler unter DOS. Ein Nachteil von 3D Studio macht sich dabei allerdings unangenehm bemerkbar: Es verarbeitet keine Audiodateien. Aber ein Werbefilm besteht nicht nur aus Bildern. Zu der nur 34 Sekunden langen Geschichte müssen Sound, hier als Musikunterlegung, und Sprache, hinzugefügt werden.
Bei der Musik griff Hermann Wöhler zur Unterlegung übrigens auf eine CD aus dem Tronic-Verlag zurück. "Rein zufällig", wie er uns gegenüber fast kokett betont. Die Musik hatte dem Auftraggeber, Dr. Grimm, als Geschäftsführer der Akademischen Arbeitsgemeinschaft, ganz einfach gefallen. Allerdings, schränkt Hermann Wöhler hier ein, wird beim nächsten Auftrag die Musik für die Animation selbst komponiert. Das Timing und die Stimmung müssen genau stimmen. Für den werbenden Kommentar wurde ein Profisprecher engagiert.

Profis als Partner, nicht nur das unterscheidet die Arbeitsweise zwischen der Animation für die In’side MULTIMEDIA und seiner Auftragsarbeit für die Akademische Arbeitsgemeinschaft. Auch die Entwicklungszeit für die Animation in der In’side MULTIMEDIA war wesentlich kürzer. Sechs Wochen dauerte es damals von der ersten Idee bis zum Abschicken der Animation. Dabei gibt der geborene Norddeutsche übrigens zu, gerade für diese Animation am längsten ohne Schlaf verbracht zu haben. Rund 36 Stunden verbrachte er ohne Schlafunterbrechung, um den Einsendeschluß einzuhalten.

Planung und Ausführung


"Gitterentwurf" und fertig berechnetes Bild

Hermann Wöhler: "Beim Auftragsprojekt mit der Akademischen Arbeitsgemeinschaft, mußte natürlich der Kundenwunsch in den kreativen Prozeß einfließen." Seine ersten Vorschläge unterschieden sich deshalb erheblich vom fertigen Produkt. Fünf Alternativen für mögliche Spotverläufe standen anfangs zur Diskussion. Wenige Wochen dauerte diese erste Planungs- und Ausarbeitungsphase, dann einigte man sich auf ein Konzept.

Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer der Akademischen Arbeitsgemeinschaft war ein ausgefeiltes Storyboard, wie es bei großen Produktionen üblich ist, nicht notwendig. Beide engagierten sich im kreativen Prozeß, denn auch für die Akademische Arbeitsgemeinschaft war es eine Premiere, eine Animation für ihre Werbezwecke einzusetzen.

Nach der Planung über Inhalte und Form waren die Feinarbeiten an der Reihe, zu denen die genaue Konstruktion und das Rendern gehörten. Die gesamte Entwicklungszeit des Projekts erstreckte sich etwa über ein halbes Jahr. Problematisch war dabei die Umsetzung ins PAL-Fernsehformat, das mit 625 Zeilen arbeitet.



Ausschnitte aus der sendereifen Animation
Entwicklungen

Hermann Wöhlers Hardware-Ausstattung ist mit den Aufgaben gewachsen. Zu Zeiten der IMM-Animation arbeitete er noch mit einem 486er mit 50 MHz. Nun brummt unter der großen, hellen Schreibtischplatte ein Pentium mit 100 MHz und 64 MB RAM. Zur Eingabe seiner Konstruktionen benutzt er ein Grafiktablett – ein drucksensitives Tablett wird bald angeschafft. Sein Handwerkszeug ist kein Computer von der Stange, sondern wurde Stück für Stück mit Einzelhändlern aus der Umgebung zusammengestellt.

Seine Firma, die Wöhler & Partner GmbH, ist bisher noch eine klassische "Hinterhaus-Firma" im Aufbau. Der Standort Weinheim an der Bergstraße liegt dabei nicht gerade in den Ballungsräumen der Kreativität wie Hamburg, München oder Berlin, die eine Multimedia-Produktion erwarten lassen. Dennoch ist geplant, daß die Wöhler & Partner GmbH ihren Standort behält. Und so sucht sich Hermann Wöhler seine Partner bei Videoschnitt und Ton bisher noch in der näheren Umgebung, auch für die nächsten Projekte.

Silvia Dicke

Auf der Heft-CD können Sie sich durch Videos einen Einblick in die Arbeit an einer Animation verschaffen


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Letzte Änderung am 22 Mrz 1996.
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