Interview

mit
Olaf Barthel

Olaf Barthel, seit vielen Jahren einer der fähigsten Amiga-Programmierer, wurde unter anderem bekannt durch TERM, welches zum Standard der Amiga-Terminalprogramme avancierte, sowie durch die PhotoCD-Software Photoworx/Folioworx. Sein neuestes Werk ist das Update des legendären CygnusED.

AmZ: Gregor Franz
OB : Olaf Barthel


AmZ: Wann hast Du eigentlich angefangen zu programmieren? Um was hatte es sich dabei gehandelt?
OB: Das muß 1983 gewesen sein. Ich hatte mir damals einen VC-20 gekauft und nach und nach damit begonnen, BASIC zu lernen. Mein erstes Programm war eine Art "programmierbarer Taschenrechner".
AmZ: Dann muss man zur Orientierung der Leser eigentlich schon indiskret werden. Wie alt bist Du eigentlich? Gehst Du schon einem Beruf nach?
OB: Ich bin Gesellschafter einer von mir mitgegründeten GmbH, die in Hannover ansässig ist. In diesem Zusammenhang bin ich wohl schon "selbständig", aber ich betreibe immer noch mein Informatikstudium und führe Software-Auftragsentwicklung durch. Derzeit bin 28 Jahre alt.
AmZ: Wie sieht Deine Computervergangenheit aus? Welches war Dein Einstiegsmodell und wie ging es weiter?
OB: Mit dem VC-20 fing es an, danach kam ein C-64 und 1987 dann ein Amiga 500. 1991 hatte ich genügend Geld für einen Amiga 3000 gespart, den ich 1993 gegen einen Amiga 3000T eingetauscht habe.
AmZ: Eines Deiner kontinuierlich fortgefuehrten Projekte ist TERM, von dem kürzlich die Version 4.8 erschien. Gibt es eigentlich noch nennenswerte Konkurrenz und was werden zukünftige Versionen bringen? Ist es nicht schon sehr komplex und ausgereift?
OB: Jedes weniger komplexe Amiga-Terminalprogramm ist Konkurrenz für `term'. Die Komplexität des Programmes ist sein größter Nachteil. Ich denke sogar, daß es sich in den letzten Jahren immer weiter davon entfernt hat, "ausgereift" zu sein.
AmZ: Erfreulicherweise ist die Entwicklung auch von MagicMenu nicht eingeschlafen, nachdem Martin Korndoerfer sich vom Projekt zurückgezogen hat. Wie kam es dazu, dass Du die Weiterentwicklung übernommen hast?
OB: Martin hatte den Multicolour-Modus ins Programm eingebaut und ein neues Preferences-Programm geschrieben, das die gtlayout.library benutzte. Das sah schon alles sehr gut aus, aber dann passierte eine ganze Weile lang nichts. Ich habe ihn dann gefragt, ob er das Projekt würde an mich abgeben wollen und er hat eingewilligt.
AmZ: TERM ist uneingeschränkt nutzbar, bei regelmässiger Benutzung wird aber um eine Spende gebeten. Fuer MagicMenu soll man sich mit einer einem angemessen erscheinenden Summe registrieren lassen. Es ist aber ebenfalls nicht eingeschränkt. Wie ist der Widerhall auf solche Bitten ohne einen gewissen Druck? Und wie stehst Du der Idee der Shareware/Freeware an sich gegenüber?
OB: Als es dem Amiga noch gut ging, bekam ich fast wöchentlich Post oder Spenden zu `term', aber das ist nach und nach abgeflaut. Für MagicMenu habe ich eine Handvoll Spenden und ein paar Briefe bekommen, der Enthusiasmus ist wohl nicht mehr so groß. Aber das ist immer noch besser, als sich über eine "geknackte" Shareware-Version zu ärgern. Ich halte nicht viel von Shareware, der Ärger den man sich damit einhandelt, steht in keinem Verhältnis zum Nutzen.
AmZ: Bei Schatztruhe ist nun die Version 4 des legendären CygnusED erhältlich. Für dieses Update zeichnest Du mitverantwortlich. Es sind auf dem Amiga in diesem Metier einige sehr ausgereifte Lösungen im PD-Sektor, also günstiger, erhältlich. Was hat CygnusED, was die anderen nicht haben?
OB: CygnusEd hat eine 10-jährige Vorgeschichte, fast jeder Amiga- Programmierer, den ich kenne, benutzt ihn und hat sich mit den Jahren an seine guten Eigenschaften und an seine Schwächen gewöhnt. CygnusEd ist außerdem immer noch der schnellste und der kompakteste Texteditor für den Amiga.
AmZ: Wie kam es überhaupt dazu, daß nach einigen Jahren Pause jetzt die Entwicklung an CygnusED wieder aufgenommen wurde? War Schatztruhe der Initiator und sie sind dann an Dich herangetreten?
OB: Nein, ich habe im März einfach bei Bruce Dawson angeklopft und ihn gefragt, ob er den Sourcecode für die Weiterentwicklung herausgeben würde. Er hat schließlich eingewilligt, mich aber auch gewarnt, daß er den Sourcecode schon einmal abgegeben hätte, aber daß aus einer Weiterentwicklung nichts geworden sei. Eine Woche später hatte ich ein 3 MByte großes Archiv in meinem Mail-Folder und ich konnte loslegen. Einfach nur ein weiteres Shareware-Programm aus CygnusEd zu machen, fand ich dann doch zu schade. Außerdem zieht ein kommerzielles Produkt normalerweise mehr Aufmerksamkeit auf sich, als der X-te Upload eines Programmpaketes ins Aminet es erwarten kann.
AmZ: Was für ein Amiga ziert eigentlich Deine Heimstatt und welche Programmiersprache bevorzugst Du?
OB: Seit Anfang dieses Jahres arbeite ich auf einem Amiga 3000UX. Nach wie vor programmiere ich in `C'.
AmZ: Und die Gretchenfrage ;) - Mit welchem Editor arbeitest/ programmierst Du eigentlich?
OB: Ich benutze CygnusEd und TurboText. SAS/C ist bei mir für den TurboText konfiguriert, mit CygnusEd wäre das alles noch viel zu kompliziert. Mit Betonung auf "noch".
AmZ:

Was hältst Du von der derzeitigen Lage des Amiga seit der Übernahme durch Gateway 2000 und von den bisherigen Aktivitäten und Planungen der Amiga-Tochterfirmen?

Warst Du vielleicht auf der Computer 97? Wenn ja, was hattest Du für einen Eindruck von der Messe?

OB:

Ich sehe ein, daß die Weiterentwicklung des Amigas der Vorbereitung bedarf, aber es ist einfach zu still, viel zu still. Die sich wiederholenden Presse-Statements von Petro T. sind kein Ersatz für das sichtbare Fortschreiten der Produktentwicklung.

Ich habe die Computer '97 besucht und auch die Pressekonferenz am Freitag Abend besucht. Von der Messe habe ich nicht soviel mitbekommen, aber das kann auch gut an meiner permanent vorhandenen Abneigung gegenüber Messen generell liegen.

AmZ: Stellen die PPC-Beschleunigerboards für Dich eine praktikable Lösung der dringendsten Amiga-Probleme dar? Wie siehst Du, als potentiell betroffener Programmierer, die nach der ersten Lieferung aufgetretenen Zwistigkeiten zwischen phase5 und Haage&Partner um die Standard-Softwarelösung auf der PPC-Seite?
OB:

Wenn die PowerPC-Beschleuniger dringendste Amiga-Probleme lösen können, dann bin ich bisher noch von keinem dieser Probleme betroffen. Die CPU-intensivste Anwendung, die ich benutze, ist mein `C' Compiler. Und alleine dafür lohnt sich für mich persönlich die Investition noch nicht.

Zu dem Konflikt zwischen phase 5 und Haage & Partner halte ich mich mit Äußerungen lieber zurück. Es hätte gar nicht erst soweit kommen dürfen.

AmZ: Ist für Dich der Amiga-Emulator UAE, von dem in dieser Ausgabe berichtet wird, eine gute Lösung den Amiga auch in der PC-Welt bekannt zu machen oder würdest Du ihn eher als Gefahr für einen potentiellen Absatzmarkt sehen
OB:

Wer UAE als Spielzeug auf seinem PC einsetzt, wird auch kaum in Amiga-Software investieren wollen. UAE ist meiner Meinung nach allenfalls ein Problem für Gateway 2000.

Das aktuelle Workbench-Disks und Kickstart-ROMs im Internet problemlos zu finden sind, ist da wohl das größere Problem.

AmZ: Du hast keinen ständigen Internetanschluss. Kommt das noch oder hast Du kein Interesse? Genügen Dir die Möglichkeiten lokaler Mailboxen?
OB: Eigentlich genügen mir News und Mail. Wenn ich Daten aus dem Internet benötige, ist der Abruf meist in weniger als einer Viertelstunde geschehen. Weshalb man mehr als diese Zeit im Internet verbringen sollte, ist mir immer noch nicht so recht einsichtig.
AmZ: Wo liegen Deine Interessen neben dem Computern? Für welche Hobbies bleibt noch Zeit?
OB: Ich habe meinen Spaß mit englischer und amerikanischer Literatur. :)
AmZ: Welches Genre bevorzugst Du? Kannst Du ein paar Deiner Lieblingsautoren nennen?
OB: Ich orientiere mich eher an Autoren als an Genres, bei beidem kann man aber auf enttäuschende Bücher stoßen. Lieblingsautoren? Das sind wohl am ehesten Bruce Chatwin und T.C. Boyle.
AmZ: Kanntest Du den AmZeiger eventuell schon vor der Interview-Anfrage? Wenn Du einen Blick riskiert haben solltest: Wie findest Du ihn?
OB: Ich habe seinerzeit die Ankündigung für die erste Ausgabe in de.comp.sys.amiga.misc gelesen, aber zum Downloaden und Lesen bin ich damals nicht gekommen. Ich bin eigentlich nicht dazu zu begeistern, Texte am Bildschirm zu lesen, Gedrucktes liest sich meiner Meinung nach doch besser. Ich habe mir die letzten beiden Ausgaben jetzt aber doch noch geholt und durchgelesen. Der Informationsgehalt war um ein Vielfaches höher als der des Amiga-Magazins :)
AmZ: :) Danke fuer das Interview!


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