HousePool® Ausgabe 08 - August/September 1996

Shapes 3 - Interview: Jeyenne


INDEX AKTUELL MUSIK LIFESTYLE ARTIKEL BERICHTE PRÄSENT. PROFILE ALLGEMEIN SCHLUß
< Zurück Hauptauswahl Inhaltsverzeichnis FTP Mail Vor >

  

Shapes III - Profil Person/Interview

Im HousePool Interview: (The) Jeyenne

HousePool: Wer bist Du ? Wo bist Du ? Was bist Du ? Und: Warum bist Du ? Jeyenne: a) Eine von Plattenfirmen, Medien und 08/15 Humanoiden miß- verstandene, in Form von Mensch existierende Lebensform. b) Zurückgezogen zwischen Berg und Tal, in den Alpen. Dort wo die Natur noch am ehrlichsten zu sein scheint. c) Es ist mir untersagt worden diese Frage ausreichend zu beantworten, da die Befürchtung der Verwirrung besteht und des "nicht ernst genommen werdens". Nur soviel: Es gab da einen Unfall in der Antimaterie-Kammer, somit mußte man notlanden ! Da war ich erst fünf...! d) Beantworte Du mir diese Frage.....warum "Du" bist....???

HousePool: Zunächst eine obligatorische Frage: Wie bist Du zur Musik gekommen ? Wenn ich mich recht erinnere, hast Du früher Rock-Musik gemacht ! Jeyenne: Ich war fünf Jahre alt, da hat mich dieser katholische Priester in die Kirche gezerrt und mir das Orgelspielen beibringen wollen, weil er kein Geld für einen profes- sionellen Orgelspieler ausgeben wollte (er hätte vielleicht besser "SEINE EMINENZ" den Papst fragen sollen, der reich- lich davon hat...! ). Da merkte dieser Priester plötzlich, daß man mich doch mehr fördern sollte. Ab dann hatte ich eine sogenannte "Nonne", und einen "Jünger", wie man es dort unten nennt, aus der "Katholischen Mission", die mir alles beibrachten, bis ich mit acht Jahren schließlich Mitglied einer dieser Kirchen-Bands wurde. Dann lief alles ziemlich parallel zu meinem Leben und Musik wurde zu einem Teil von mir. Ich machte ziemlich viele Stile und Variatio- nen durch und lebte es teilweise auch, unter anderem Rock, Pop, Funk, Punk, Wave.... der Rest ist Geschichte !

HousePool: Seit wann und warum legst Du auf ? Hast Du als DJ einen an- deren Sound als als Produzent ? Jeyenne: a) Seit ca. `87 lege ich auf, mit Stilwechsel und Pausen, vom Hip-Hop zu Acid und Techno, bis zum heutigem (erneu- tem und reformiertem) "electro". Ende der Achziger hat mich die Faszination des Auflegens gepackt, das war das letzte, das mich noch so richtig gereizt hat, eine Art neue Inspiration (auch heute noch!). b) Wenn ich produziere, dann kann ich mich stilistisch richtig austoben. Hinter den Turntables kann so ein Wechsel von Stilen schon mal Irritation auslösen. Anson- sten sind meine Sets ziemlich tanzbar, wir "Discjockeys" sind ja nichts anderes als moderne "Stammtrommler" (...noch!). Würde so ein Trommler überwiegend Balladen summen, oder vor sich hin träumen, dann würde man ihn ziemlich schnell auswechseln oder in die Ambient Ecke schicken.

HousePool: Was war Dein bisher unvergeßlichstes Erlebnis in der Techno-Szene? Jeyenne: Im Januar `95 hab´ ich mit der gesamten Berlin-Posse in Zagreb live gespielt. Der Krieg war fast zu Ende (an dieser Stelle viele Grüße an die Hirnlosigkeit der Verantwort- lichen, nicht nur dort...) und über 10 Umwege sind wir auch völlig übermüdet angekommen. Bei hochgehenden Bomben und ähnlichen Unannehmlichkeiten kann man wirklich schon von Abenteuer sprechen....! Irgendwann hat eine Bombe den Stromkreis eines ganzen Stadtviertels lahmgelegt und wir mußten 3 Stunden lang auf den Saft warten. Ansonsten hat mir die sogenannte "Däschno-Szene" all die Jahre viele andere schönen Stunden bereitet, die ich nicht missen möchte.

HousePool: Als Live-Act bist Du als "The Jeyenne" berühmt und berüch- tigt (im positiven Sinn!). Deine heutigen Live-Acts sehen anders aus als früher. Wer steht beim Live-Act mit Dir auf der Bühne und was ist Dir beim Live-Act das Wichtigste ? Jeyenne: Ich muß zugeben, daß ich bei meinen Live-Partnern einen ziemlichen Verschleiß gehabt habe. Aber ich bin ja auch nicht der einfachste zu handhaben und es hat lange gedauert um so ein Team, wie wir´s jetzt haben, zusammenzustellen. Momentan sind wir zu dritt, Nicole und Gisi unterstützen mich seit geraumer Zeit, wobei Nicole den wichtigsten Part des Ganzen übernimmt. Außerdem ist sie seit über einem Jahr dabei, Gisi hingegen erst seit ca. zwei Monaten. Wichtig ist, daß das Publikum circa eine Stunde auf "die Reise" geschickt wird und daß so Atmosphäre geschaffen wird. Da ich nun technisch und teambezogen sehr gute Bedin- gungen gefunden habe, kann ich mich beruhigt dem Publikum zuwenden und somit einen Kontakt auf persönlicher und gei- stiger Ebene schaffen. OK.... das erkläre ich ein anderes mal...!!!

Was ich schon immer mal loswerden wollte, ist die "Live oder nicht Live" bzw. "DAT oder nicht DAT" - Sache, und daß alle in einen Topf gesteckt werden! Meine Setup´s liefen früher DAT-unterstützt ab, und irgend- wann war ich gezwungen mir Gedanken über mehrere "Bandmit- glieder" zu machen. Um "richtig" live spielen zu können sind min. 3-4 Leute auf der Bühne nötig, alles was drunter läuft, funktioniert nur DAT- oder Sequenzer - unterstützt. Die Frage ist jetzt, ob der Sequenzer schon Live ist oder nicht, und ab wo das Live spielen beginnt. Wenn live rich- tig live sein soll, dann müßte jede Person ein Instrument spielen oder bedienen, siehe Rockszene, wo der Gitarrist nur seine Gitarre oder der Schagzeuger nur sein Schlagzeug oder der Keyboarder nur seinen Keyboard spielt. Fazit: Es gibt keinen 100%igen LIVE-Act in der Electronic- Szene.

Ich steh dazu, daß wir teilweise mit Sequenzern "unterstü- tzen". Die Leute sollten sich erst mal informieren und sich dann Urteile bilden. Es ärgert mich einfach wenn´s heißt: "Ach so, is eh DAT..."

HousePool: Alte Tracks wie z.B. "Das Nippel" sind Legende. Deine letz- ten Tracks gingen aber in eine andere Richtung. Wie würdest Du Deine jetzige Musik beschreiben ? Jeyenne: Nach "Kickin´" war ein rasches Follow-Up gefragt und aufgrund dieses Druckes der Plattenfirma entstand "Das Nip- pel". Spätestens da wurde mir bewußt, daß ich in eine Rich- tung steuerte, mit der ich mich nicht mehr identifizieren konnte. Die Nachfolge-Single "Japanese Train" (3/95) war damals ein gewagtes Experiment, eine Mischung aus EBM (Electronic Body Music) - Techno, DarkWave und Industrial-Acid, Oberbegriff "ELECTRO" (DAS IST DAS; WOVON JETZT ALLE REDEN!!!). Schluß- endlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sich dieser Stil durchsetzen konnte, und "Firestarter" von Prodigy ist ja der beste Beweis.

HousePool: Erzähl uns doch bitte mal, wie ein normaler Jeyenne-Tag abläuft! Jeyenne: Grundsätzlich wird lange geschlafen, noch länger gefrüh- stückt und dann anständig gekackt (mit entsprechenden Fach- blättern aus der "Szene".....!!!). Postkasten checken, ad- ministratives erledigen, Katzen quälen, etc.... Irgendwann mal wird das Studio angekurbelt, und je nach Lust und Laune an verschiedenen Sachen gearbeitet. Inspiration hole ich mir zwischendurch im Grünen, vor offenem Kamin, bei der Malerei oder beim Rasenmähen. Dann sind wir wieder beim Futtern und Kacken, gehen zurück ins Studio, und so gegen 3.00 - 4.00 - 5.00 Uhr begebe ich mich zur Ruhe.

HousePool: Produzierst Du mit anderen Leuten zusammen ? Jeyenne: Kommt drauf an....

HousePool: Mit wem würdest Du gerne mal zusammenarbeiten oder auf- legen ? Jeyenne: Die einzigen, die mir da spontan einfallen sind vielleicht Brian Eno oder Ennio Morricone.

HousePool: Warum hast Du das Label gewechselt ? Hast Du nicht Angst vor den bekannten Vorurteilen Major-Labeln gegenüber ? Bei Frankfurt Beat scheinst Du einen guten Status gehabt zu haben (z.B. andere Cover-Gestaltung). Jeyenne: Es gab da Differenzen, die eine weitere Zusammenarbeit un- möglich machten.... Zum Thema Vorurteile gegen Majors: Welche Vorurteile ? Meinst Du, daß Majors einem sagen wo´s lang geht oder bist Du der Meinung, daß man bei einem Major automatisch "kom- merziell" ist? Ich denke, daß die Leute das Problem mit dem Wort "Kommerz" haben. Kommerz bist Du in dem Moment wo Du eine Platte im Regal stehen hast. Der Rest ist Qualität, und über die kann man streiten. Es geht doch nur drum, was man verkauft, nicht wieviel man verkauft. Aber unter uns: Heute ist man nur COOL, wenn man kein Kommerz macht! Im Ernst: Man kann sich mit jedem Major "zusammenraufen".Es ist nur eine Frage des Stolzes...

HousePool: Seit Jahren jammern alle Leute, daß Techno sterben würde bzw. schon tot ist. Was sagt Dr. Jeyenne zu den Symptomen des Patienten ? Willst Du überhaupt noch was dazu sagen ? Kann man Techno noch retten ? Muss man das überhaupt ? Jeyenne: DIAGNOSE: Nicht zu übersehbarer Hinweis für eine Querfort- satzfraktur, 12. Rippe von links leicht frakturiert, Pso- achatten o.B., Nierenparenchymorgane in leicht versetzter Position. ERGEBNIS: Leichte ossäre Läsion, Wirbelkörper irreparabel geschädigt, Deck- und Schlussplatten verschoben, Bandschei- benräume besonders auffällig.

Mit kollegialen Grüßen, Prim. Dr. Jey=EAnne.

HousePool: Hast Du ein bestimmtes Ziel, das Du mit Deiner Musik errei- chen willst ? Vielleicht einen Soundtrack zu komponieren ? Jeyenne: Sobald ein Ziel vorhanden ist, ist man schon beschränkt. Man sollte immer eine Steigerung vor Augen haben.

HousePool: Themenwechsel: Was fällt Dir spontan zum Thema Frauen ein ? Jeyenne: Mein süßes Geheimnis...!

HousePool: Schon lange ist der Begriff der "Raving Society" in den Medien nicht mehr gefallen. Was hast Du gedacht, als Du ihn zum ersten Mal gehoert hast ? Und nun ? Patient tot ? Jeyenne: (...lautes Lachen!) Raving Society... Ah ja,.. das war doch die Sache mit "Love-Peace-Unity"?!...Alles ist happy, alles ist schön !!! Wie kann man von Liebe-Friede und Einheit sprechen, wo horrende Gagen verlangt werden, Eintrittskar- ten ein halbes Vermögen kosten, Drogen der Mittelpunkt ei- ner Party sind,... Ich find´s ziemlich lächerlich. Techno = das Mastschwein der Nation. Wir wissen doch was passiert, wenn eine Bewegung Politik wird.

HousePool: Was ist Dir das Liebste auf der Welt ? Deine TB 303 ? Jeyenne: Da komm´ ich wieder auf die Anti-Materie-Kammer zurück. Also bei diesem Zwischenfall, da hab´ ich einen derartigen Kreativitätsschub bekommen, ohne den ich heute nicht mehr leben möchte.

HousePool: Viele Deiner DJ-Kollegen wollen nicht mehr auf Groß-Raves auflegen. Wie stehst Du dazu ? Jeyenne: Es ist ein unbeschreiblicher Kick, vor tausenden Leuten zu spielen. Aber das Wichtigste an einem DJ Set bzw. Live Act ist es doch, Stimmung aufzubauen. Wie soll das funktionie- ren, wenn man ein Bruchteil der Mindestzeit zur Verfügung hat? Kaum ist man warm, steht schon der nächste mit seinem Koffer da. Da weiß doch niemand mehr, wer auflegt, wer spielt, ....Hauptsache BUM...! Schade,...

HousePool: Was ist Deine Horrorvorstellung für die Techno-Szene ? Jeyenne: ...kann ich nicht beurteilen, da ich mit "Techno in der heutigen Form" recht wenig am Hut habe. Aber als einer, der von Anfang an dabei war, ist es ein Horror mitanzusehen, wie das Ganze noch lustiger, noch verstrahlter und noch billiger wird!

HousePool: Was hast Du in naechster Zeit vor ? Jeyenne: Meine eigene Partei gründen!

HousePool: Möchtest Du unsern Lesern noch etwas sagen ? Jeyenne: Ich bin kein Prophet und will auch keiner sein....!

HousePool: Hast Du als Live-Act ein Vorbild ? Jeyenne: Ich gebe zu, daß mich diverse Bands in den 80´er Jahren sehr beeindruckt haben. Depeche Mode, Kraftwerk, Nitzer Ebb um einige zu nennen Was Vorbilder in der "Neuzeit" angeht,...ich glaube das be- halte ich lieber für mich....!

Das Interview führten wir per EMail.


INDEX AKTUELL MUSIK LIFESTYLE ARTIKEL BERICHTE PRÄSENT. PROFILE ALLGEMEIN SCHLUß
< Zurück Hauptauswahl Inhaltsverzeichnis FTP Mail Vor >

HousePool Magazine
Postlagernd
44621 Herne (Germany)

Fax: 02323 / 81357

HTTP://www.free.de/housepool/index.html
HTTP://sx1.HRZ.Uni-Dortmund.de/~carma/housepool.html
FTP://sx1.HRZ.Uni-Dortmund.de/pub/HousePool/
EMAIL: HousePool@sx1.HRZ.Uni-Dortmund.de
EMAIL: housepool@free.de (MAILING LISTE)
IRC: #HousePool (siehe Termine)