Dot-com´s sterben langsam - Untersuchung über Marktaustritte und Insolvenzen
(Meldung vom 30.05.2001)
In einer ersten Längsschnitt-Untersuchung hat das Projekt e-Startup.org an der EUROPEAN BUSINESS
SCHOOL (ebs) das Schicksal von 676 Venture Capital finanzierten Internet/E-Commerce
Unternehmen über einen Zeitraum von zehn Monaten (1. Juli 2000 bis 1. Mai 2001) verfolgt.
Die ermittelten Ausfallraten zeigen, dass die Konsolidierung im betrachteten Segment
bisher stetig und mit vergleichsweise moderatem Tempo erfolgt ist.
In den kommenden Monaten wird aufgrund der akuten Finanzierungsprobleme vieler Startups
jedoch mit einer weiteren Zunahme der Zahl scheiternder Unternehmen zu rechnen sein. Die
Zurückhaltung potentieller Käufer bei Akquisitionen könnte diesen Trend weiter
verstärken. Bereits heute konsolidiert das Segment stärker durch das Scheitern von
Unternehmen als durch Firmen-Übernahmen. Die Ergebnisse der Untersuchung sind im Internet
unter www.e-startup.org als Download verfügbar.
Gescheiterte Unternehmen
Von den 676 VC-finanzierten Unternehmen in der Stichprobe scheiterten im betrachteten
Zehnmonats-Zeitraum insgesamt 52 Unternehmen oder 7,7%. Davon haben 11 Firmen oder 1,6%
bereits in der Aufbauphase aufgegeben , 41 Unternehmen oder 6,1% sind erst nach dem
Markteintritt gescheitert. Als Scheitern betrachtet wurde die Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens oder die Aufgabe bzw. Schließung des Unternehmens durch die Eigner.
Hochgerechnet auf die Gesamtzahl von aktuell etwa 900 VC-finanzierten Unternehmen
dürften damit in den letzten 12 Monaten im Durchschnitt etwa 7 Firmen gescheitert sein.
Diese Zahl ist als Folge schlechterer Marktbedingungen in den vergangenen Monaten stetig
angestiegen. Insbesondere diejenigen Unternehmen, deren Geschäftsideen sich am Markt
nicht durchsetzen konnten, haben, oft nach dem Ausstieg von Investoren, aufgeben müssen.
Übernahmen
Beunruhigend niedrig fällt im Vergleich die Zahl der Übernahmen aus. Nur 25
Unternehmen oder 3,8% wurden im betrachteten Zeitraum akquiriert, 5 Firmen oder 0,7%
fusionierten mit anderen Anbietern. Nach hoher Aktivität im ersten Halbjahr 2000 aufgrund
von Markteintritten internationaler Anbieter und "Einkaufstouren"
börsennotierter Unternehmen ist die Zahl der Übernahmen deutlich zurückgegangen. Sie
liegt derzeit bei hochgerechnet etwa 4-5 pro Monat.
Zwar erhöhen die aktuellen Finanzierungsprobleme die Bereitschaft der Gründer und
Investoren zum Verkauf des Unternehmens, potentielle Käufer sind jedoch zunehmend
schwieriger zu finden. Die Unternehmen der "New Economy", auf die bisher zwei
Drittel der Übernahmen entfielen, sind angesichts sinkender Börsenwerte und
gescheiterter Auslandsengagements akquisitionsmüde geworden. Die "Old Economy"
ist weiterhin zurückhaltend und beschränkt sich auf wenige strategische Akquisitionen.
Betroffene Geschäftsmodelle
Mit zunehmender Reife des Internet-Marktes gewinnt auch die Konsolidierung bei den
Anbietern an Fahrt. Das höchste Tempo weisen dabei die Internet-Service-Provider
(ISPs) auf, die das "entwicklungsgeschichtlich" älteste
Anbieter-Segment stellen. Von 24 VC-finanzierten Anbietern ist die Hälfte bereits
übernommen worden oder gescheitert.
Auch bei den B2C-Anbietern (Business-to-Consumer) haben sich die Reihen gelichtet. 21
Unternehmen sind gescheitert, 25 wurden übernommen. Damit ist über ein Viertel der
VC-finanzierten Anbieter nicht mehr selbständig oder vom Markt verschwunden. Im Vergleich
dazu sind die B2B-Anbieter (Business-to-Business) von der Konsolidierung noch weitgehend
verschont geblieben. Von den Unternehmen, die in der Mehrzahl erst in 1999 oder 2000
gegründet wurden, sind 4% gescheitert, 3% wurden übernommen.
Mit 207 Unternehmen stellen die Anbieter von Internet-Software das zahlenmäßig
größte Segment in der Stichprobe. Die geringe Ausfall-Rate von nur 3% resultiert aus der
Erfahrung mit dem Geschäftsmodell und einem vergleichsweise späten Einstieg der
VC-Gesellschaften. Zum Zeitpunkt der ersten Finanzierungsrunde existiert meist bereits ein
vermarktbares Produkt oder ein Prototyp, so dass die Marktchancen abgeschätzt werden
können. Dies macht die Firmen auch zu interessanten Übernahmekandidaten. Immerhin 7% der
Firmen wurden bereits akquiriert oder mit anderen Unternehmen fusioniert.
Investoren
Erwartungsgemäß tragen VC-Gesellschaften, die erst mit dem Start des Neuen Marktes in
1997 oder später entstanden sind, das höchste Risiko. 9,6% der Beteiligungen dieser
"jungen Spezialisten" sind in den vergangenen 10 Monaten gescheitert, gegenüber
5,9% im Durchschnitt und 5,3% bei den bereits vor 1997 gegründeten "etablierten
Spezialisten".
Dieser Unterschied liegt in der Struktur der Portfolios begründet. Junge Spezia-listen
sind stärker in der Frühphase engagiert, in der einem höheren Risiko auch ein
größeres Wertsteigerungspotential gegenübersteht. Übernahmekandidaten in der
Frühphase sind jedoch weniger gefragt. Während die etablierten Spezialisten 12,4% ihrer
Beteiligungen in Akquisitionen oder Fusionen einbringen konnten, gelang dies den jungen
Spezialisten nur in 6,4% der Fälle.
Über die Untersuchung
Die 767 betrachteten Unternehmen wurden im ersten Halbjahr 2000 durch ein
sechsköpfiges Rechercheteam identifiziert und durch eine Befragung, an der 116
VC-Gesellschaften teilgenommen haben, qualifiziert und ergänzt. Alle Unter-nehmen hatten
vor dem Stichtag 1. Juli 2000 eine Finanzierungszusage erhalten.
Der Status der Unternehmen wurde quartalsweise aktualisiert. Neben Webseiten wurden
hierzu auch Suchmaschinen, Newsfeeds und Pressemitteilungen auf die Unternehmen, bezogen
nach Übernahmen, Insolvenzen und Firmenaufgaben aus-gewertet. Die definierte Stichprobe
(VentureCapitalist-finanzierte Unternehmen) und ein hoher Erfassungsgrad (geschätzt:
~75%) lassen eine hohe Aussagekraft der Ergebnisse erwarten.
Alle Ergebnisse beziehen sich auf den Stichtag 1. Mai 2000.
Über das Projekt
E-Startup.org ist das Forschungsprojekt zu Internet/E-Commerce Gründungen in
Deutschland. Ziel des Projektes ist es, das aktuelle Gründungsverhalten in Deutschland zu
erheben und auszuwerten. Auf Basis der erhobenen Daten wird empirisch das Phänomen der
Bildung von Technologie-Regionen für die neu entstehende Industrie untersucht. Damit
sollen neue Ansatzpunkte für die regionale Standortpolitik und die Stärkung des
Wirtschaftsstandortes Deutschland gefunden werden.
Das Projekt wird bearbeitet am DtA-Stiftungslehrstuhl für Gründungsmanagement und
Entrepreneurship der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (ebs) in Oestrich-Winkel. Leiter des von der
Deutschen Ausgleichsbank finanzierten Lehrstuhls ist Prof. Dr. Heinz Klandt. Projektleiter
von e-Startup.org ist Lutz Krafft, der seit 1993 als Berater bei der Boston Consulting
Group tätig ist.
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